Anlässlich dieses Tags zeigt sich das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) besorgt über die derzeitige Situation von Medienschaffenden in Europa. „Nach einer langen stabilen Phase sorgen wir uns nun um die Sicherheit von Journalisten und anderen Medienmitarbeitern in Europa. Sie werden angegriffen, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen und etwa von Demonstrationen berichten.
Sie werden vor Gericht gebracht und öffentlich-rechtliche Institutionen werden zu Propaganda-Medien erklärt“, erklärt Henrik Kaufholz, Vorstandsvorsitzender des ECPMF.
Insbesondere die Situation in der Türkei ist alarmierend. Mitte März traf sich das ECPMF in Istanbul mit Journalisten und Gewerkschaftern um die lokale Situation besser einschätzen zu können. Journalisten werden für investigative und unabhängige Berichterstattung bestraft – nicht nur mit Geldstrafen, sondern auch mit mehrjährigen Haftstrafen. Doch die Konsequenzen reichen noch weiter: Die Bedrohungen führen bei vielen Medienschaffenden zu Selbstzensur und in der Folge haben die türkischen Bürger kaum Zugang zu unabhängigen und ausgewogenen Informationen.
„Selbstzensur ist heute eine der größten Bedrohungen für die Pressefreiheit, nicht nur in der Türkei, sondern in vielen Ländern Europas. Immer wenn Journalisten in ihrer Arbeit daran gehindert werden, ihrer Arbeit nachzugehen, ist dies mehr als eine Verletzung der Pressefreiheit: Es ist eine Verletzung demokratischer Grundrechte und beeinflusst die ganze Gesellschaft“, warnt Kaufholz.
Hilfe für bedrohte Journalisten
Das ECPMF hebt auch die düstere Situation von Journalisten in Aserbaidschan hervor: Für das „Journalists in Residence“-Programm, welches gefährdeten Journalisten temporär einen sicheren Zufluchtsort zur Verfügung stellt, erhielt das Zentrum viele Bewerbungen von aserbaidschanischen Journalisten. Sie sind massivem Druck durch staatliche Kräfte ausgesetzt, was in vielen Fällen zur Inhaftierung führt – oder zur Flucht aus dem Land. Das ECPMF unterstützt darum gefährdete Journalisten aus dieser und anderen Regionen Europas – mit dem Aufenthaltsprogramm und durch finanzielle und juristische Unterstützung.
Doch auch Medien in Ländern, die allgemein als frei gelten, sind zunehmend gefährdet: Täglich werden beispielsweise in Deutschland immer mehr Journalisten beschimpft oder tätlich angegriffen, denn das Misstrauen gegen „Mainstream-Medien“ nimmt zu. Das ECPMF hat diese Entwicklung rund um die „Lügenpresse“-Bewegung in Deutschland untersucht und sieht in der Aggression gegen Journalisten eine neue Qualität.
Media Freedom Resource Centre
Jane Whyatt, Projektmanagerin der ECPMF, ruft darum zum aktiven Einsatz für die Pressefreiheit auf: „Es ist beunruhigend, dass Menschenrechte wie die Meinungsfreiheit von vielen als gegeben angesehen werden. Aber diese Rechte wurden von Menschen geschaffen – und wir müssen und jeden Tag dafür einsetzen! Das ist nicht leicht, aber notwendig und das ECPMF setzt sich, zusammen mit unseren Partnern und Unterstützern, für diese wichtige Aufgabe ein.“
Um bewusst zu machen, dass die Pressefreiheit in Europa gefährdet ist und um Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, um die Situation zu ändern, sieht das ECPMF auch das Aufklären der Öffentlichkeit als wichtigen Teil seiner Arbeit. Zusammen mit der Partnerorganisation Osservatorio Balcani e Caucaso wurde darum das Media Freedom Resource Centre entwickelt, eine Online-Datenbank nach Crowdsourcing-Prinzip, die Artikel, Studien und Onlinekurse zum Thema Medienfreiheit zur Verfügung stellt.
Juristische Probleme
Das ECPMF kritisiert eine Serie von Urteilen der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die einen fehlenden Schutz der Meinungsfreiheit zeigen. Insbesondere in den Fällen Pentikäinen v. Finnland (Festnahme, Strafverfolgung und Verurteilung eines Journalisten wegen Widersetzung gegen polizeiliche Anweisungen während der Berichterstattung von einer Demonstration) und Bedat v. Schweiz (Gerichtsberichterstattung, Nutzung geleakter Dokumente) hat der Gerichtshof einen zu großen Spielraum für Restriktionen und Sanktionen gegen Journalisten gelassen.
„Das ECPMF ruft den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dazu auf, seine wichtige Rolle beim Schutz hoher Standards für die Pressefreiheit zu bewahren und die Grundvoraussetzungen für unabhängigen Journalismus zu schaffen“, fordert Dirk Voorhoof, Mitglied im Vorstand des ECPMF und Medienrechtsexperte.
Das ECPMF setzt sich dafür ein, dass die Europäische Union und nationale Regierungen die Europäische Charta für Pressefreiheit implementieren und respektieren, dass Druck auf Journalisten, der zu Selbstzensur führt, beendet wird und dass Diffamierungsgesetze nicht mehr als legale Mittel genutzt werden, um Journalisten zum Schweigen zu bringen.
Der Weltpressefreiheitstag wurde 1993 von der UNESCO ins Leben gerufen. Seit dem wird jährlich am 5. Mai in der ganzen Welt auf Medienfreiheitsverletzungen aufmerksam gemacht, um die Probleme gemeinsam zu lösen und für unabhängige Medien zu kämpfen.