Seine gerade gewonnene Machtposition gegen Europa zu demonstrieren, legt der türkische Präsident jetzt mit der ihm eigenen Chuzpe offenbar alle Hemmungen ab: Nach der von ihm inszenierten Causa Böhmermann und der Beschwerde gegen das von der EU mitfinanzierte Projekt der Dresdner Sinfoniker „Aghet“ zum Völkermord an den Armeniern wurde jetzt die niederländische Journalistin Ebru Umar wegen kritischer Äußerungen über Erdogan in der Türkei verhaftet, gleichzeitig wurde in ihre Wohnung in Amsterdam eingebrochen und ein Computer gestohlen,
meldet die FAZ. Umar darf die Türkei derzeit nicht verlassen. Auch in Genf wurden (mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit) Erdogans Beamte tätig: Dort soll ein Erdogan-kritischer Bildtext in einer Ausstellung entfernt werden, meldet die FR. Für die FAZ belegt ein Beitrag von Jan Brachmann, dass diese Vorgehensweisen bedeuten, „dass die Türkei die politische Erpressbarkeit der EU nun ganz gezielt nutzt, um den Geltungsbereich ihres Strafgesetzbuches über die Landesgrenzen hinweg auszudehnen. Jetzt muss die EU zeigen, welchen Preis sie zu zahlen bereit ist für die Verteidigung ihrer Werte.“
Der armenische Pianist Vardan Mamikonian schreibt in der SZ: „Der Herrscher der Türken kann es sich leisten zu sagen, die Anerkennung des Genozids durch den Papst oder durch das Europäische Parlament gehe bei ihm zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Er kann es sich leisten, einen Offenen Brief der Internationalen Vereinigung von Völkermordforschern zu ignorieren. Gut. Aber nun kann er es sich offenbar auch leisten, die Europäer in ihren eigenen Ländern albern erscheinen zu lassen.“ Andrian Kreye nennt ebenfalls in der SZ den Vorgang um die Dresdner Sinfoniker gravierender als die Böhmermann-Affäre.