Ein Interview mit dem Politikwissenschaftler Winand Gellner: Friedemann Karin: Herr Professor Gellner, nach seinem Sieg bei den Vorwahlen in New York reden wieder alle über Donald Trump. Muss ich – als Deutscher – mich wirklich mit dem beschäftigen?
„Von hier aus würde ich das Ganze momentan eher amüsiert betrachten. Als ein Beispiel dafür, wie doll es eine Mediengesellschaft wie die amerikanische treiben kann. Gott sei Dank läuft es bei uns noch anders.
Wie wichtig sind die USA – und wer sie regiert – überhaupt noch für uns?
Wir hatten eine Phase – Mitte der Nullerjahre bis zum Anfang von Obamas erster Amtszeit 2009 – da glaubte man, Europa würde ebenbürtig werden. Aber spätestens seit Putin uns in der Ukraine offensichtlich nicht ernst nimmt, indem er nicht auf Augenhöhe verhandelt, seit Obamas Diplomatin „Fuck the EU!“ sagte, ist klar: Die EU hat sich nicht als globaler Spieler etablieren können. Im Gegenteil. Sie implodiert momentan in einem atemberaubenden Tempo. Also sind die USA immer noch sehr wichtig für uns.
Und deswegen interessiert uns der amerikanische Wahlkampf schon, bevor er richtig losgeht?
Mit Trump ist Quote zu machen, auch von den Medien hierzulande. Und eine gewisse Schadenfreude spielt auch eine Rolle: Schaut doch mal, die Amis sind endgültig verrückt geworden! Unter Obama, nach dem Frust mit George W. Bush, schwappte anfangs eine große Sympathiewelle auf. Jetzt wird alles gut, dachte man auch hier. Heute fördert Trump unseren latenten Antiamerikanismus wieder zutage. Wirklich politisch ernst nimmt ihn hier aber noch niemand.
Ist Trump denn ein reines Medien-Phänomen? Weil er das Vielfache an Aufmerksamkeit bekommt als andere Kandidaten?
Das Interessante daran ist: In den USA pushen ihn nicht unbedingt die konservativen, verdächtigen Medien, wie FOX News und so weiter. Sondern die Liberalen, die Comedy-Shows. Trump war bei Saturday Night Live, bei Fallon, Kimmel und Colbert. Das hat er alles mit viel Selbstironie gemacht. Und diese Resistenz gegen jede Scham, die er als dickköpfiger Fünfjähriger verkörpert, dieses Clowneske, das wertet ihn medial auf. Vor allem gegen abwägende, langweilige Politiker. Trump ist – mit all seinen Peinlichkeiten, vom Haar bis zu den Sprüchen – viel unterhaltsamer.
Wann wird es denn ernst mit ihm?
Seine Nominierung würde das politische Gefüge der USA nachhaltig verändern. Die Republikaner könnten sich spalten. Das wäre das Ende eines Zweiparteiensystems, das seit dem Bürgerkrieg stabil ist.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Trump tatsächlich Präsident wird?
Ich glaube erst einmal nicht, dass er als republikanischer Kandidat nominiert wird. Deren Establishment wird alles versuchen, ihn zu verhindern. Tritt er dann als Unabhängiger an, werden die Republikaner keine Chance haben, und der demokratische Kandidat wird gewinnen. Dass Trump von der breiten Bevölkerung zum Präsidenten gewählt wird, kann ich mir nach wie vor nicht vorstellen.
Wie gefährlich ist Trump inhaltlich?
Das muss man alles realistisch sehen. Das amerikanische System hat eine starke Gewaltenteilung. Selbst wenn er Präsident werden würde, hätte er es mit einem Kongress zu tun, den er erst einmal für Gesetzgebungen gewinnen müsste. Seinen radikalen Vorstößen würden da die wenigsten zustimmen. Die entspringen auch eher Umfragen. Er fordert, was ankommt, nicht, was er umsetzen würde. Nur die Mauer zu Mexiko, das wäre eine extreme, aber durchsetzbare Position. Ein Zaun steht ja schon.
Der Boston Globe malte neulich ein düsteres Zukunftszenario mit Deportationen von Muslimen und einem teuren Handelskrieg gegen China, wenn Trump Präsident würde.
Besonders in der Außenpolitik ist es unmöglich, einfach alles auf den Kopf zu stellen. Da gibt es einen Außenminister, internationale Verträge, einen trägen diplomatischen Apparat. Dazu die großen Konzerne, die ihre Geschäfte schützen wollen. Von alldem wäre auch Trump abhängig. Und er bräuchte die Zustimmung des Senats, um Abkommen wirklich zu ändern. Mit einem Putin käme er womöglich aber prima klar.
Warum spielt er überhaupt so eine große Rolle, wenn er doch wenig Chancen hat, wirklich zu regieren?
Trump ist ein Maniac mit einem Riesen-Ego. Ich will jetzt nicht die Parallele zu Dieter Bohlen ziehen. Aber es gibt schon eine spezifische Fernseh-Persönlichkeit, die mit einer gewissen Schnoddrigkeit ankommt. Dabei ist wichtig: Er hat eigentlich alles erreicht, trotz aller Pleiten. Für ihn ist das ein riesiges Spiel. Er genießt das alles regelrecht, so wie es alte Männer gerne tun, wenn sie noch einmal auf den Putz hauen können. Das beeindruckt das Publikum.
Wäre die AfD, die seinen Slogan umdichtete auf „Make Germany great again“, mit einem Trump – einem halb irren, halb witzigen Freidreher – noch gefährlicher oder sogar kanzlerfähig?
Eine populistische Partei braucht natürlich immer jemanden mit einem wie auch immer geartetem Charisma. Sogar negatives Charisma ginge. Hauptsache jemand, der die Leute bewegt. Die aktuellen AfD-Führungsfiguren wie Petry oder Gauland haben dieses Appeal nicht. Wenn da ein „Heldentypus“ à la Trump auftreten würde, würde das durchaus Popularität schaffen. Ich glaube nicht, dass unsere Demokratie so gefestigt ist, dass ein Trump nicht auch bei uns passieren könnte.
Wer könnte denn bei uns so eine politische Zweit-Karriere machen?
Wir haben das Personal zum Glück nicht. Es müsste jemand aus dem seichten Kommerz-Fernsehen sein. Nach dem Muster „Bohlen“, sage ich mal. So ein blonder blauäugiger „Titan“, der sich ausdrücken kann, der rhetorisch geschickt ist. Der hätte sicher eine Chance. F. K.
Prof. Dr. Winand Gellner
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Lehrstuhl für Politikwissenschaft – Dr.-Hans-Kapfinger-Straße 14 Passau
Biographie
22.06.1981: Abschluss der Wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien (Staatsexamen) mit dem Gesamtergebnis „mit Auszeichnung“ (1,0)
01.11.1981 – 31.10.1982: Wissenschaftlicher Angestellter an der Universität Trier, Fachbereich III – Politikwissenschaft (Lehrstuhl Prof. Dr. Erwin Faul). Wissenschaftliche Vorbereitung eines Forschungsprojekts über „Ordnungsprobleme neuer Medien in Europa“
01.11.1982 – 31.12.1987: Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier, Fachbereich III – Politikwissenschaft (Lehrstuhl Prof. Dr. Erwin Faul)
WS 1983/84 – SS 1987: Mitgliedschaft in den Studienkommissionen des Fachbereichs III und des Faches Politikwissenschaft
Frühjahr 1984: Forschungsaufenthalt in London
Herbst 1986: Abgabe der Dissertation „Ordnungspolitik im Fernsehwesen. Politische Rahmen- und Entwicklungsbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien“ (‚magna cum laude‘)
27.04.1987: Promotion zum Dr. phil. im Hauptfach Politikwissenschaft (mündl. Prüfung: ’summa cum laude‘), Nebenfächer: Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Ältere deutsche Philologie
01.01.1988 – 31.09.1994: Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Trier, Fachbereich III, Politikwissenschaft
SS 1989 – WS 1991/92: Mitgliedschaft in der Kommission zur Erarbeitung von Stellungnahmen nach § 71 Absatz 2 Nr. 5 HochSchG
02.07.1989 – 13.08.1989: Fulbright-Fellow im American Studies Program, New York University
WS 1989/90 – SS 1994: Mitgliedschaft im Rat des Fachbereichs III
Jan. 1990 – Okt. 1990: Habilitationsstipendium des American Council of Learned Societies (ACLS) an der University of California, Berkeley
August/September 1991: Reisestipendium des German Marshall Fund of the United States zum Besuch verschiedener Think Tanks in Washington, D.C.
Oktober 1991 – Juli 2003: Leitung verschiedener Forschungsprojekte zu „Offenen Kanälen als Bürgermedien“
SS 1992 – SS 1994: Mitgliedschaft in der Vergabekommission nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz
WS 1993/94 – SS 1994: Assistent der Geschäftsführung des Faches Politikwissenschaft
04.01.1994: Abgabe der Habilitationsschrift zum Thema „Politikberatung im Geflecht von Politik und Öffentlichkeit. Think Tanks und Ideenagenturen in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland“
26.10.1994: Verleihung der Lehrbefähigung für „Politikwissenschaft“ durch den Rat des Fachbereichs III der Universität Trier
01.10.1994 – 31.07.1997: Hochschuldozent im Fach Politikwissenschaft an der Universität Trier
SS 1995: Mitgliedschaft in der Studienkommission des Faches Politikwissenschaft
SS 1995 – SS 1996: Mitgliedschaft im Leitungsgremium der Universitäts-Videoanlage
SS 1995 – WS 1996/97: Vertretung des Lehrstuhls für Politikwissenschaft an der Universität Passau (Prof. Dr. Heinrich Oberreuter)
WS 1995/96 – WS 1999/00: Gastprofessor am John E. Dolibois European Center der Miami University (Ohio, USA) in Luxemburg
März 1997: Ruf auf den Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Passau
01.08.1997: Ernennung zum Professor für Politikwissenschaft an der Universität Passau
WS 1998/99: Vorsitzender der Berufungskommission Professur für Politikwissenschaft (Politische Theorie und Ideengeschichte) an der Universität Passau
WS 1998/99 – SS 2000: Mitglied des Fachbereichsrats der Philosophischen Fakultät der Universität Passau
März – Sep. 2000: Visiting Scholar am Institut für Europastudien an der Cornell University
März 2000 – Dez. 2008: Herausgeber des politikwissenschaftlichen Online Portals politik-im-netz.com
Oktober 2000 – Oktober 2004: Leiter des Projekts „Bürgermedien und Internet“ in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung
Nov. 2000 – Nov. 2006: Verantwortlicher Sprecher des Arbeitskreises „Politik und Kommunikation“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (zusammen mit Prof. Dr. Barbara Pfetsch)
2002 – 2010: Leitung des Drittmittel-Forschungsprojekts „Zukunftsforum Gesundheit“
Okt. 2007 – Juni 2011: Vorsitzender der Prüfungskommission des Bachelor-Studiengangs „Governance and Public Policy – Staatswissenschaften“ an der Universität Passau
SS 2008: Mitglied in der Berufungskommission „Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft“
Okt. 2008 – Juni 2011: Vorsitzender der Prüfungskommission des Master-Studiengangs „Governance and Public Policy – Staatswissenschaften“
SS 2009: Mitglied in der Berufungskommission „Lehrprofessur für Methoden der empirischen Sozialforschung“
SS 2009 – WS 2009/10: Vorsitzender der Berufungskommission „Lehrprofessur für Internationale Politik“
Aug. 2009 – Jan. 2010: Visiting Scholar an der University of California, Berkeley
WS 2009/10: Mitglied in der Habilitationskommission Dr. Uwe Kranenpohl;
Mitglied in der Berufungskommission „Lehrprofessur für Internationale Politik“
Nov. 2009 – Juni 2011: Sprecher des Departments für „Governance und Historische Wissenschaft“
2010 – 2014: Mitglied des Instituts für Interdisziplinäre Medienforschung
Januar 2010 – heute: Leitung des DAAD-Projekts „Public Policy and Good Governance“
SS 2010: Mitglied in der Berufungskommission „Professur für Journalistik“;
Mitglied in der Berufungskommission „Lehrstuhl für Computervermittelte Kommunikation“
WS 2010/11: Mitglied in der Evaluierungs- und Berufungskommission „Juniorprofessur Europäische Politik“
Mitglied in der Evaluierungskommission für Politikwissenschaft an der Universität Lüneburg
Mitglied in der Berufungskommission „Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte“
WS 2011/12: Mitglied in der Berufungskommission „Lehrstuhl für Psychologie mit Schwerpunkt Entwicklungspsychologie und Schwerpunkt Pädagogische Psychologie“
SS 2014: Mitglied in der Berufungskommission „Lehrstuhl für Soziologie“
WS 2015/16 – heute: Mitglied in der Berufungskommission „Technik-Plus-Professur Wissenschaftskommunikation“
13. Nov. 2015: Verleihung des Preises der Universität Passau für Verdienste in der Internationalisierung
Jan. 2016 – heute: Mitglied in der Vergabekommission „Dozentenprogramm USA“ beim DAAD
SS 2016 – heute: Mitglied im Beirat des Graduiertenzentrums der Universität Passau
Lehrveranstaltungen
Sommersemester 2016
• 41710 Vorlesung: Die USA vor einer politischen Spaltung?
• 41720 Oberseminar: Introduction to the Science of Governance
•(ENGLISCH)
• 41721 Oberseminar: Governance in Theorie und Praxis
• 41730 Hauptseminar: Das deutsche Parteiensystem in der Herausforderung vor der nächsten Wahl