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Blasphemie-Paragrafen abschaffen! – Kann man Gott beleidigen?

christlicher-fundamentalismus2 [1]Die Schriftstellervereinigung PEN fordert die Abschaffung des Blasphemie-Paragrafen in Deutschland. „Wir verlangen die ersatzlose Streichung des Paragrafen 166“, sagte der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, Josef Haslinger, am Sonntag. Es könne nicht sein, dass die Haltung einiger Länder zur Kritik am Islam Aufsehen errege, während Deutschland selbst einen Gotteslästerungs-Paragrafen im Strafgesetzbuch verankert habe. Das PEN-Zentrum verabschiedete zum Abschluss seiner Jahrestagung in Bamberg eine entsprechende Resolution. „Paragrafen, in denen die Würde von bestimmten Menschen größer ist als von anderen, sind veraltet und müssen ersatzlos gestrichen werden“, sagte Haslinger.

Gotteslästerung steht nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland unter Strafe. Das müsse ein Ende haben, fordert die Schriftstellervereinigung jetzt. Erst vor wenigen Tagen erst forderte PEN, den Paragrafen 103 abzuschaffen(Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter), jetzt bezieht die Schriftstellervereinigung wieder Stellung zum Strafgesetzbuch: Nach der Majestätsbeleidigung will sie nun auch die Blasphemie abschaffen. Eine entsprechende Resolution hat das PEN-Zentrum zum Abschluss seiner Jahrestagung in Bamberg verabschiedet.

„Wir verlangen die ersatzlose Streichung des Paragrafen 166“, sagte der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, Josef Haslinger. Es könne nicht angehen, dass andere Länder gerügt würden, weil sie gegen Kritik am Islam vorgingen während Deutschland selbst Gotteslästerung noch unter Strafe stelle.

„Paragrafen, in denen die Würde von bestimmten Menschen größer ist als von anderen, sind veraltet und müssen ersatzlos gestrichen werden“, sagte Haslinger.

Das PEN-Zentrum hatte bereits zuvor die Abschaffung des Paragrafen 103 gefordert. Dieser war in der Debatte um Jan Böhmermann und den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als „Majestätsbeleidungsparagraf“ in den Fokus geraten und soll laut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgeschafft werden.

In einer weiteren Resolution zeigten sich die PEN-Mitglieder solidarisch mit dem türkischen Journalisten Can Dündar und verlangten, die Spionage-Anklage gegen ihn in der Türkei fallen zu lassen. „Man kann es nicht akzeptieren, dass investigativer Journalismus als Spionage gewertet wird.“ Der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet muss sich in der Türkei verantworten, weil er Waffendeals des Geheimdienstes enthüllt hat.

Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte

Thomas Laubach , geb. 1964, Dr. theol., Professor für Theologische Ethik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

 

Verlag Herder 1. Auflage 2013 Kartoniert 224 Seiten ISBN: 978-3-451-30905-2 Bestellnummer: 4309050 Kartoniert: 12 Euro [2]

Verlag Herder
1. Auflage 2013
Kartoniert
224 Seiten
ISBN: 978-3-451-30905-2
Bestellnummer: 4309050
Kartoniert: 12 Euro

Das Thema Blasphemie hat explosionsartig an Bedeutung gewonnen. Vom „Punk-Gebet“ in einer orthodoxen Kirche über Mohammed-Karikaturen bis zum Papst auf dem Cover einer Satire-Zeitschrift. Während die einen auf die Meinungsfreiheit pochen, sehen viele Gläubige den Tatbestand der Blasphemie erfüllt. Können Gott und der Glaube überhaupt beleidigt werden? Deckt die Meinungsfreiheit jede Äußerung ab? Braucht Religion den Schutz durch den Staat?

Mit Beiträgen von Ingeborg Gabriel, Arnold Angenendt, Hans-Joachim Höhn, Gregor Maria Hoff, Josef Isensee, Thomas Laubach, Barbara Rox, Harald Schroeter-Wittke, Jean-Pierre Wils, Wolfgang Wunden, Irene Klissenbauer, Reinhold Zwick

Leseprobe [3]

Immer noch riskiert drei Jahre Gefängnis, wer religiöse Bekenntnisse beschimpft und damit den „öffentlichen Frieden“ stört. Der Schriftsteller und PEN-Präsident Josef Haslinger ist für die Abschaffung dieses Blasphemie-Paragrafen im deutschen Strafgesetz.

Im Januar 2015, unmittelbar nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“, da war Paragraf 166 des Strafgesetzbuches schon mal heiß diskutiert: der zuletzt 1969 geänderte Blasphemie-Paragraf.

Er besagt: „Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Klaus Staeck

Er hält den Blasphemie-Paragraphen im deutschen Recht für „eine unglückliche Angelegenheit“ und für einen Ausdruck der deutschen Regelungswut, denn das Beleidigungsrecht reiche aus.

Auf die Frage nach einer möglichen Grenze der Satire, hat sich der Künstler, Karikaturist und Jurist, Klaus Staeck, klar gegen ein Blasphemie-Verbot ausgesprochen. Im Deutschlandradio Kultur sagte er:

„Der Blasphemie-Paragraph war immer eine unglückliche Angelegenheit – und da gibt es eben auch keine richtige Grenze und Möglichkeit zu sagen, das ist jetzt Blasphemie und das ist keine. Ich finde, das ganz normale Beleidigungsrecht, was wir haben, reicht aus. (…) Wir brauchen den Paragraphen nicht (…) das ist eine Regelungswut an der falschen Stelle.“

Man könne in einer freien Gesellschaft ‚wahre‘ oder ‚falsche‘ Gedanken haben, sagte Klaus Staeck, wobei aber niemand letztlich bestimmen könne, was erlaubt und was falsch sei:

„Das Wunderbare an unserer sogenannten freien Gesellschaft, dass man nicht genau weiß, wo ist überhaupt die Grenze. Es gibt ja keine Verordnungen und keine Richtlinie, wo eben zum Beispiel Beleidigung anfängt und berechtigte Kritik noch zulässig ist. Das gerade ist ja das Problem, und die Satire spielt ja auch damit. Das ist das Wesen der Satire, dass sie bis an die Grenze geht, gelegentlich auch über die Grenze geht, wenn die Gesellschaft bereit ist, das zu akzeptieren. 

Und das Ergebnis – wenn man da von Ergebnis spricht – ist ja immer auch, dass die Leute lachen können, dass der Humor im Vordergrund steht. Das ist doch ein Kennzeichen. (…) Und wenn uns jemand den Humor verbieten will, dass immer andere entscheiden, wann man lachen darf und wann man nicht lachen darf. Diese Gesellschaft möchte ich mir nicht vorstellen.“

„Wir müssen die Demokratie aushalten und damit auch die Freiheit aushalten“

In einer Demokratie sei Freiheit ohne Konflikte nicht denkbar, sagte Staeck, der auch Präsident der Berliner Akademie der Künste war. Er führte aus:

„Also ich halte sehr viel aus, ich halte vor allen Dingen auch die Dummheit, die uns permanent umgibt, aus. Das ist für mich manchmal eine Zumutung. (…) und ja, es geht doch hier um Kunst, die in unserem Verfassungssystem besonders geschützt ist. Das sind Künstler, die das machen. 

(…) Es gibt leider im religiösen Bereich, da bewegen wir uns ja, wir reden ja nicht über andere Dinge, gibt es ganz verschiedenen Empfindlichkeiten, es gibt auch sicher Rücksichtnahmen, aber die Behauptung, dass Mohammed nicht dargestellt werden darf, das hat es – jedenfalls niedergeschrieben – im Koran nicht gegeben. Und da gibt es auch Leute, die gern unsere Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung einschränken wollen, darum geht es ja. Und ich möchte mir nicht von anderen Leuten vorschreiben lassen, was ich zu denken und vor allen Dingen, was ich nach außen zu äußern habe. Das ist der Konflikt. (…) Wir müssen die Demokratie aushalten und damit auch die Freiheit aushalten.“