440px-Umberto_Eco_04Seine Kindheit und Jugend verbrachte Eco als Sohn einer kleinbürgerlichen Familie – der Vater Giulio Eco war Buchhalter – in der südpiemontesischen Provinzhauptstadt Alessandria und deren Umgebung, die ihn stark prägten. Über die Stadt und die Landschaft, den Charakter und die Grundstimmung der dort lebenden Menschen sowie den Alltag in den dreißiger und frühen vierziger Jahren unter dem Regime des italienischen Faschismus ließ Eco sich an mehreren Stellen direkt oder indirekt aus, so z. B. unverhüllt autobiographisch in dem Text „Das Wunder von San

Baudolino“ (am Ende des Bandes „Wie man mit einem Lachs verreist“) und in diversen „Streichholzbriefen“, aber auch literarisch eingekleidet in den Romanen Das Foucaultsche Pendel (wo u. a. die Zeit des Partisanenkrieges 1944–1945 mit konkreten Situationen aus dem Leben des jungen Eco erzählt wird), Die Insel des vorigen Tages und Baudolino (deren Protagonisten beide aus der Gegend von Alessandria stammen, der eine im barocken 17. Jahrhundert und der andere im mittelalterlichen 12. Jahrhundert, wo er unter anderem die Gründung der Stadt im Jahre 1168 miterlebt) und besonders ausführlich in seinem fünften Roman, Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana, worin die Kindheits- und Jugendjahre Ecos geschildert werden. Prägend waren dabei offenbar die Erfahrungen, die der 12- bis 13-jährige Eco in einem kleinen Bergdorf im südlichen Piemont machte, wo seine Familie 1943–1945 Schutz vor den Bombardierungen suchte und er im letzten Kriegsjahr Kämpfe zwischen Partisanen und Faschisten aus der Nähe miterlebte.

1948 begann Eco – entgegen dem Wunsch seines Vaters, der ihn zu einer Karriere als Rechtsanwalt drängte – ein Studium der Philosophie und Literaturgeschichte an der Universität Turin, das er 1954 bei Luigi Pareyson mit einer Dissertation über die Ästhetik bei Thomas von Aquin abschloss. Danach ging er zu dem damals noch ganz jungen italienischen Fernsehen (RAI) in Mailand, wo er ein Kulturprogramm aufzubauen versuchte. 1956 erschien sein erstes Buch, eine erweiterte Fassung seiner Dissertation unter dem Titel Il problema estetico in San Tommaso („Das ästhetische Problem beim heiligen Thomas“). Drei Jahre später verließ Eco das Fernsehen und wurde Sachbuchlektor in dem Mailänder Verlag Bompiani, für den er bis 1975 tätig blieb (und in dem seither fast alle seine Bücher erschienen sind). Zugleich war er im Umfeld des Gruppo 63 aktiv, einer der literarischen Bewegung der Neoavanguardia zugerechneten Gruppierung. Mit dem 1962 erschienenen Buch Opera aperta (deutsch Das offene Kunstwerk, 1973) wurde er schlagartig als brillanter Kulturtheoretiker bekannt, der 1963 seine akademische Karriere als Dozent für Ästhetik und visuelle Kommunikation am Polytechnikum in Mailand begann, um sie über eine Zwischenstation an der Universität in Florenz schließlich an der Universität Bologna (der ältesten Universität Europas) zu beenden. Sein schon 1968 (deutsch 1973) erschienenes Buch Einführung in die Semiotik gilt bis heute auch international als Standardwerk.

1975 erhielt er eine ordentliche Professur für Semiotik mit Lehrstuhl an der Universität Bologna. Seit 1999 leitete er die dortige Scuola Superiore di Studi Umanistici. Im Oktober 2007 zog er sich aus der aktiven Lehrtätigkeit zurück und war ab 2008 Professor emeritus der Universität Bologna.

Eco erfuhr zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen sowohl gesellschaftlicher wie akademischer Art, darunter allein (bis 2014) von 39 Universitäten weltweit die Ehrendoktorwürde – in Deutschland von der FU Berlin 1998 – und die Mitgliedschaft des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste (1999) sowie das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (2009).

 

Nachrufe

Auf SZ Online schreibt Irene Helmes einen Nachruf auf den großen Schriftsteller und Semiotiker: „Der Italiener gehörte trotz seiner phänomenalen klassischen Bildung nie zu den Intellektuellen, die sich naserümpfend über alles erheben, was nicht in ihr abgesegnetes Curriculum passt… In Ecos Welt war für mittelalterliche Zeichenrätsel ebenso Platz wie für Comicdarstellungen und die ästhetische Wirkung von Supermodels. Ein Erfolgsrezept. Zu seinem 80. Geburtstag stellte die Welt fest: ‚Mit ihrer Mischung aus Geheimlehre und Partywissen ebneten Ecos Romane eine Mystery-Straße, die mittlerweile von vielen Dan Browns erfolgreich, wenn auch weniger bildungsbeflissen befahren wird.'“

Auch Pierluigi Battista würdigt im Corriere delle Sera den Semiologen und Intellektuellen: „Wer ein wenig Umberto Ecos Schriften Revue passieren lässt, erkennt seine Avanciertheit, was das Verständnis der Massenkultur angeht, die zu jener Zeit noch ein unbekanntes Objekt war, machtvoll, aber intellektuell wenig begriffen. Dämonisiert von den großen Kirchen des intellektuellen Lebens, aber wenig verstanden in ihren Grundmechanismen.“ Und Philippe-Jean Catinchi erzählt in Le Monde nochmal, wie es zum unerwarteten Jahrhundertbesteller „Der Name der Rose“ kam: „Alles fing mit einem Auftrag an. Ende der siebziger Jahre wollte eine Lektorin eine Sammlung kurzer Krimis von ‚Nicht-Romanciers‘ lancieren.“ Auf NZZ.ch schreibt Maike Albath zum Tode Ecos.

Und noch ein Nachruf: In der NZZ schreibt Angela Schader zum Tod der Schriftstellerin Harper Lee, die sich nach dem Welterfolg ihres Debütromans „To Kill a Mockingbird“ im Jahr 1960 weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte: „Dann und wann fand noch ein Essay oder eine pointiert formulierte Botschaft den Weg aus Harper Lees Haus an der South Alabama Avenue in Monroeville. Die Aufforderung etwa, im August 2007 wieder einmal vor Publikum zu sprechen, quittierte die Schriftstellerin knapp: Sie wolle ‚lieber still sein als sich zum Narren machen‘. Die Haltung, die sich hinter diesem Bescheid abzeichnet, ist vielleicht nicht minder achtens- und bedenkenswert als die Botschaft eines guten Buches.“ Auf SZ Online schreibt Christopher Schmidt, in der Printausgabe Fritz Göttler zum Tod von Harper Lee. Weitere Nachrufe in der Welt, im Tagesspiegel, auf Zeit Online und FAZ.net.

Feb 2016 | Allgemein, Feuilleton | Kommentieren