Schweinefleisch wird in deutschen Kindergärten zum Auslaufmodell. Muslimische Kinder dürfen es nicht essen, die Kindertagesstätten bestellen es ab. Weil das Thema politisch heikel ist, regeln es die Kommunen lieber im Stillen. So in Frankfurt: Dort „verzichten wir auf Wunsch des Kunden grundsätzlich auf Schweinefleisch“, sagte eine Sprecherin des beauftragten Cateringunternehmens Wisag. Offiziell bestreitet das die Stadt.
Das Schwein im öffentlichen Raum ist ein Politikum. Politisch rechte Gruppierungen, aber auch Bürger, die Wahlfreiheit fordern, stören sich daran, wenn sich alle an muslimische Speiseverbote halten müssen. Nicht selten werden die auch bloß behauptet; immer wieder kursierten Fälle durch die Medien von angeblichen Schweinefleisch-Verboten, die in Wahrheit keine waren. In Dänemark stimmte eine Gemeindevertretung kürzlich mit den mehrheitlichen Stimmen der Dänischen Volkspartei sogar dafür, Schweinefleisch in Kindergärten zur Pflicht zu machen, um ein Zeichen zur Bewahrung der dänischen Esskultur zu setzen.
Die zuständige Mitarbeiterin des Bereichs „Kita Frankfurt“, Gabriele Bischoff, erklärte, Kita Frankfurt habe „keine Anweisung oder Anordnung zum Ausschluss von Schweinefleisch im Rahmen der Verpflegung an die Kinderzentren veranlasst“. Die Aussage bezieht sich aber nur auf das Verhältnis zwischen der Stadt und ihren eigenen Kindertagesstätten. Anweisungen an Dritte, wie beauftragte Caterer, mag es trotzdem gegeben haben. Und es gab sie laut dem Unternehmen Wisag, das eine Reihe kommunaler Kitas bekocht. Es bestätigte auch auf nochmalige Nachfrage, dass es diese Anweisung gegeben habe: „In Frankfurt und der näheren Umgebung haben wir einen Speiseplan ohne Schweinefleisch.“
Anteil der Muslime unter Kleinkindern steigend
In Stadtteilen liegt der Anteil von muslimischen Kindern nicht selten bei 30, 50 Prozent oder darüber. Es mehren sich die Meldungen darüber, dass Kommunen pauschal auf Schweinefleisch verzichten. In städtischen Kitas in Wiesbaden soll es laut dem Bericht einer Regionalzeitung kein Schweinefleisch mehr geben, ebenso in städtischen Kindergärten in Bielefeld. Der Anteil der Muslime unter Kleinkindern steigt stark infolge der Flüchtlingszuwanderung. „Je städtischer, desto internationaler und desto eher wird auf Schweinefleisch verzichtet“, erklärt die Sprecherin der Wisag. „In ländlichen Gebieten wird eher Schweinefleisch gewünscht.“
Es gibt aber auch viele Kitas, in denen eine Variante mit und eine ohne Schwein angeboten wird. Das Cateringunternehmen Apetito AG, das für viele Kommunen arbeitet, gibt an, es liefere „auch Menüs mit Schweinefleisch (…), sofern der Kunde nicht darauf verzichten möchte“. Dafür, dass dies häufiger der Fall ist, spricht, dass sich unter den zehn Gerichten, die Apetito am häufigsten kochen lässt, keines mit Schweinefleisch steht.
Aus den alltäglichen Diskussionen unter Eltern und Kita-Mitarbeitern über die Ernährung der Kinder ist allerdings zu hören, dass es viel seltener Streit über Schweineschnitzel gibt als über die Fragen, ob das Essen biologisch oder vegetarisch sein sollte. Die Hochschule Osnabrück hat derweil herausgearbeitet, wie eine urbane Kita hinsichtlich des Speiseangebots sämtlichen religiösen und gesundheitlichen Aspekten gerecht werden könne. Die Antwort ist so einfach, dass man dafür fast keine Forschung brauchte: Es sollte meistens Fisch und Huhn geben.
Politik reagiert verschnupft
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rathaus Römer, Michael zu Löwenstein, hält es für wichtig, dass Kitas regelmäßig Schweinefleisch anbieten. „Schweinefleisch gehört zu einer ausgewogenen Ernährung“, sagte er und reagierte damit auf die Angaben aus dem Frankfurter Bildungsdezernat. Er sehe einen kompletten Verzicht auf Schweinefleisch „durchaus kritisch“, sagt er weiter.
Die Vereinigten Staaten essen am meisten Fleisch. Die Anzahl der Schweinchen steht symbolisch für die Menge an verschiedenen konsumierten Fleischsorten (also auch Huhn und Rind).
Aus eigener Erfahrung wisse er, „dass Wiener Würstchen von Kindern begeistert gegessen werden. Das sollte man ihnen auch dann nicht vorenthalten, wenn es einen hohen Anteil muslimischer Kinder gibt.“Schließlich finde sich in den Kindertagesstätten immer auch ein vegetarisches Angebot. Deshalb sei kein Kind gezwungen, entgegen seinem Glauben oder seiner gewohnten Ernährung Schweinefleisch zu sich zu nehmen.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Manuel Stock sagte, auch er hielte eine „Ansage von oben“, Schweinefleisch in Kitas zu verbieten, für falsch. Eine solche Vorgabe gebe es deshalb auch nicht. Die Entscheidung den einzelnen Kitas zu überlassen, finde er richtig. „Und wenn das Schweinefleisch dann immer liegenbleibt, muss ich es auch nicht mehr bestellen.“
Anmerkung der Redaktion: Der von der Stadt beauftragte Caterer Wisag musste am Mittwoch einräumen, eine unwahre Auskunft gegeben zu haben. Dessen Sprecherin Tamara Schreiber hatte dieser Zeitung schriftlich mitgeteilt und auf Nachfrage bestätigt, auf Wunsch der Stadt Frankfurt verzichte er ,,grundsätzlich auf Schweinefleisch“. Der Kundenwunsch sei von den Kitas gekommen, nicht von der Stadt, räumte sie nun ein. Einer der beauftragten Caterer berichtete am Mittwoch, von 17 durch ihn belieferten Kitas gebe es in 16 kein Schweinefleisch mehr.