faz-spon-tazGleich mehrere Debatten lösten die Übergriffe von Köln und Hamburg aus. Haben die öffentlich-rechtlichen Sender versagt, wie die FAZ meint oder hätte man gar die Herkunft der mutmaßlichen Täter erst gar nicht nennen dürfen, wie die taz kommentiert?
Alice Schwarzer spricht dagegen von einer „Gang-Bang-Party rund um den Kölner Hauptbahnhof“.

 Handyvideo der Krawalle am Kölner Hauptbahnhof an Silvester

Handyvideo der Krawalle am Kölner Hauptbahnhof an Silvester

Aus medialer Sicht ist bei den Krawallen von Köln (und anderswo) auch interessant, warum es vier Tage gedauert hat, bis bundesweite Medien flächendeckend über die Vorfälle berichtet haben.

Jenseits von pauschalen Schuldzuweisungen lässt sich festhalten: Es gibt eindeutige Defizite bei den Medien.

In der FAZ beschäftigt sich Frank Lübberding mit der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender. Er war wenig begeistert von dem, was zu sehen war. So empfiehlt Lübberding ARD und ZDF „es einmal mit Journalismus versuchen“. Weiter schreibt er: „Es wäre schon ein Fortschritt, könnten ARD und ZDF ihre „Kommunikationsprobleme“ in der Berichterstattung lösen. Das gilt gerade für den WDR, der nicht mitbekommen hat, was zu Silvester vor seiner Haustür passiert ist.“

In der taz schreibt Daniel Bax: „Dabei stellt sich auch in diesem Fall für seriöse Medien und die Polizei die Frage, ob die Herkunft der Täter im Vordergrund stehen muss oder nicht. Für die rechten Ankläger und Populisten ist die Sache dagegen klar: für sie sind solche Verbrechen selbstverständlich und einzig und allein auf die mutmaßliche „Kultur“ der Täter zurück zu führen, und auf sonst nichts.“

Stern-Herausgeber Andreas Petzold mahnt seine Kollegen zu einer „nüchternen Bestandsaufnahme“: „Es ist Zeit, abzurüsten. Nur mit Transparenz und einer offenen Informationspolitik lassen sich die widerwärtigen Sexattacken in Köln, Stuttgart und auf dem Hamburger Kiez aus der laufenden Flüchtlingsdebatte heraushalten.“ Weiter schreibt er: „Sicher, die Herkunft der Täter ist weder für dieStrafverfolgung relevant noch hilfreich für die vielen Opfer. Aber gegen dümmliche Mutmaßungen helfen nur Tatsachen, selbst wenn sie politisch nicht in die Landschaft passen würden.“

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten Verbandes, Frank Überall, verteidigte die Medien gegen einseitige Vorwürfe der Parteilichkeit für Flüchtlinge und der Nachrichtenunterdrückung: „Journalisten müssen informieren, aber nicht spekulieren“.

Stefan Kuzmany ruft bei Spiegel Online zu Besonnenheit auf: „Keine Frage: Männer, die sich an Frauen vergreifen, dürfen nicht straflos davonkommen – egal, wie betrunken sie sind, aus welchem Land sie kommen oder welcher Religion sie angehören. Sollten sich die Täter von Silvester nicht ermitteln lassen, dann muss die Polizei zumindest dafür sorgen, dass sich solche Übergriffe nicht wiederholen können. Nicht in Köln und nicht andernorts“. Weiter schreibt er: „Das ist die einzig richtige Reaktion auf die Übergriffe in Köln – nicht die pauschale Verurteilung von Flüchtlingen. Die Mehrzahl von ihnen ist nicht zu uns gekommen, um Gewalt auszuüben. Sie sind vor Gewalt geflohen.“

In der Bild kommentiert Franz Josef Wagner mit sehr viel Schaum vor dem Mund: „Wenn jemand meine Tochter, meine Enkelin sexuell attackiert, würde ich ihm ihn die Fresse hauen, egal welche Farbe sein Gesicht hat. Wahrscheinlich, ich bin kein junger Mann mehr, würde ich verlieren. Aber ich hätte wenigstens nicht die Hosen voll, wenn meine Tochter befummelt wird – und es ist keine Polizei da und sie kann nicht nach Hilfe rufen. In was für einem Land lebe ich.“

Nach Einschätzung von Alice Schwarzer sind die Täter „das triste Produkt einer gescheiterten, ja nie auch nur wirklich angestrebten Integration!“. Weiter schreibt sie: „Sie haben sich auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz aufgeführt wie auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Unter ihnen werden die Flüchtlinge von heute in einer extremen Minderheit gewesen sein, wenn überhaupt. Die Mehrheit sind Flüchtlinge von gestern bzw. Migranten und ihre Söhne. Die träumen davon, Helden zu sein wie ihre Brüder in den Bürgerkriegen von Nordafrika und Nahost – und spielen jetzt Krieg mitten in Europa.“

In der Welt beschäftigt sich Hannah Lühmann mit der Frage, ob das feministische Netz in diesem Fall zu ruhig ist. Sie meint: „Es schweigt übrigens längst nicht mehr“. Weiter schreibt sie: „Vielleicht brauchen wir keinen #aufschrei, sondern erst mal das Eingeständnis: Wir sind verstört und wir wissen nicht, wie es weitergeht.“

Dieser Ratschlag ging nach hinten los:

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärte gestern auf einer Pressekonferenz, um Vorkommnisse wie in Köln und Hamburg zu vermeiden, sollten Frauen zu Fremden doch „eine Armlänge“ Abstand halten. Die Reaktion in den sozialen Netzwerken ließ nicht lange auf sich warten: Unter dem Hashtag #einearmlaenge empörten sich Twitter-Nutzer über die Verhaltenstipps.

Die Übergriffe von Köln ringen der Politik Erklärungsversuche ab, mit denen nicht jeder etwas anfangen kann. So geschehen auf einer Pressekonferenz gestern, die Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit dem Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers und dem leitenden Polizeidirektor Michael Femme abhielt.
Reker wird dort mit den Worten zitiert: „Es ist immer eine Möglichkeit, Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft.“ Die Verhaltenstipps der Kölner Oberbürgermeisterin wurden in den sozialen Netzwerken indes nicht gut aufgenommen. Unter dem Hashtag #einearmlaenge, das schnell zum Trending Topic avancierte, entlud sich bei Twitter die Empörung vieler Nutzer über die Verkehrung der Opfer-Täter-Rolle.
Jan. 2016 | Allgemein, Junge Rundschau, Politik | 2 Kommentare