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Jakob Köllhofer: Das Heidelberger DAI betreiben, wie ein Mikado-Spiel

   Zum seinem 40ten Jubiläum wünschen wir Jakob Köllhofer weiterhin eine Glückliche Hand

blumen2 (1) [1]Kultur in Heidelberg, das sind außer dem Deutsch-Amerikanischen-Institut (Jakob Köllhofer feiert in diesem Jahr sein 40jähriges Jubiläum als Direktor dieses für Heidelberg nicht mehr wegzudenkenden Hauses, dem wir heute einen Herzlichen Glückwunsch entsenden und diesen Beitrag widmen wollen)

– unsere Theater (neben dem „Theater der Stadt Heidelberg“ haben und brauchen wir das „Zimmertheater“, das „Taeter-Theater“, das „Unterwegs-Theater“, das Theater im Romanischen Keller), das ist unser Orchester, (neben Oper, Operette, Symphonie- und Serenadenkonzerten zuständig für eine ganze Reihe von Sonderkonzerten wie etwa Familien- und Jugendkonzerte), das ist Zwinger3 das ist unsere Stadtbücherei, das sind Bibliotheken (nur wenige wissen, dass auch die Universitäts-Bibliothek von Nichtstudenten benutzt werden kann), das ist unser Kurpfälzisches Museum, das ist die Städtische Musik- und Singschule, das ist die Volkshochschule und – eher im Verborgenen – so einiges mehr, das von der Stadt wenn auch nicht initiiert, so doch mit diversen Hilfen ausgestattet wurde und wird.
Kultur in Heidelberg, das ist auch der „Kunstverein“, das ist die „Werkstattgalerie Künstlergruppe 79“, das ist das Kulturfenster, die „Portheimstiftung“, die „Gedok“, das sind auch der „von Brentano-Preis“, der „Hilde Domin Preis“ und es ist eben das DAI:

DAIlogoGroß [2]„Das DAI betreiben, wie ein Mikado-Spiel …“ – Jakob Köllhofer sagte das in einem Rundschau – Gespräch vor 10 Jahren; damals war er seit 30 Jahren „Primus inter Pares“ dieser Heidelberger Institution. Diese wurde und werde nicht von großen Spenden getragen, es sei eine Einrichtung, „die im wesentlichen von Bürgern getragen wird, die ihr Programm nach den Bedürfnissen dieser Öffentlichkeit ausrichtet und die sich ganz dem Begriff der Verständigung verpflichtet fühlt“.

Das DAI, wer hätte nicht von seinem Angebot rund um die Uhr profitiert, ob bei Auskünften über Reisen in die USA, Visa-Beratung, Au Pair-, Studium- oder Schulaufenthalt in den USA, Sprachenlernen, Kindersprachunterricht, Geschäftskontakten, Dialog der Kulturen bei Konferenzen,
Vortragsreihen oder workshops.

Aber: Die Spatzen pfeifens von den Dächern, jeder kennt das Lied und derzeit ist dies Thema in Variationen nebst obligatem continuo (nicht nur aus Stuttgart) mehr oder weniger schön gesungen mal laut mal leise aber immer deutlich zu hören: „Geld regiert die Welt“. Aus „Money makes the world go round“ – dem Zeitgeistthema – oder dem Shakespeare´schen „Wo Geld vorangeht, sind alle Wege offen“, folgt im derzeit aktuellen Umkehrschluss anderswo wie in Heidelberg: „Ohne Moos nix los“.

DAI-Heidelberg.-Haus-der-Kultur [3]In der Tat, es gibt Initiativen, die knapper Finanzen wegen ersticken. Es gibt aber auch andere … Das DAI ist eine solche. Dies, obgleich Bund, Land und Stadt immer mal wieder Mittelkürzungen veranstaltet haben, die ganz erheblich an die Substanz dieser für Heidelberg und die ganze Region einzigartig wichtigen Kultureinrichtung geht. Und dass bei knappem Geld Kulturpolitik oft genug zum bloßen Reagieren auf gesellschaftliche Entwicklungen wird, besonders, wenn der Handlungsspielraum ohnehin beschränkt ist, ist dem DAI-Direktor Jakob Köllhofer schmerzlich bewusst. Umso mehr freut er sich darüber, dass die Institution erheblich mehr „Freunde in der Not, als tausend auf ein Lot“ hat. Und er kann sich „vorstellen, dass die Zeit vor dem ersten Weltkrieg durchaus Maßgabe sein kann, wie Heidelberg in der Welt dasteht;  in dieser Zeit nämlich Zeit galt die Stadt als „das badische Athen“.

Wir dürfen aber wohl auch künftig in dieser nun von Einsparungen bedrohten und von manchen Kassandra-Rufern bereits totgesagten Kultur-Landschaft „für uns hier in Heidelberg eine Reihe von Reaktionsmöglichkeiten“, die wir nicht als Frage missverstanden wissen möchten, weshalb man sich vor einem Zustand fürchten solle, der erst morgen, übermorgen, aber jedenfalls erst später eintritt? Obgleich eine solche Haltung als vernünftig gelten könnte, wenn dabei eine Bedingung erfüllt wäre: Wir müssten sicher sein können, dass dann noch genügend Mittel und Fristen zur Verfügung stehen.

Sollte also etwa das DAI in einer Art Agonie vielleicht, nochmal (seit Jahren allerdings) richtig losgelegt haben, um sehr lebendig das Ende zu erleben? Aber, wenn so, was dann, Jakob Köllhofer? „Es ist so, dass wir uns erfreulicherweise in der Tat auf unsere Freunde verlassen konnten. Aber natürlich können und wollen wir nicht über Jahre hinweg auf Freundschaftsdienste bauen. Aber wir können – wirklich in der Not, und das ist der Vorteil, wenn man eine Weile, nämlich seit 1986 im Amt ist –  uns eines groß angelegten Netzwerkes bedienen, Menschen verstehen die Situation und sind großzügig“. Eine andere Sache hingegen sei, sagt er, dass sowohl das DAI als auch er persönlich über ein Netzwerk internationaler Beziehungen verfügen könne, was dem DAI in den letzten Jahren beispielsweise eine ganze Reihe brillianter, großartiger Persönlichkeiten ins Haus gebracht habe und noch bringe, die sich sonst allenfalls in den Großstädten sehen lassen – die sonst nicht in der Provinz „absteigen“ würden. Aber wesentlich sei auch der Erfolg lange gepflegter europa- und weltweiter Beziehungen.

Prof. Dr. Dietrich Götze »Ich unterstütze das DAI aktiv seit September 2001. Es verbindet mich aber eine lange Geschichte mit dem Haus. Schon 1949 haben wir das DAI geliebt – es gab all das, was wir nicht hatten – u.a. auch Englisch-Kurse. Das DAI ist heute – wie zu Beginn – nicht nur der Überbringer amerikanischer Kultur, sondern hat sich zu einem breit aufgestellten Haus der Bildung und Kultur entwickelt. Ich halte das Programm für außergewöhnlich gelungen. In seiner Gesamtheit bedient es viele Interessen verschiedener Generationen. Mir gefallen vor allem die Mittagsbegegnungen und die Abenddiskussionen zu brennenden Themen, von Fachleuten vorgetragen oder moderiert. Für besonders unterstützenswert halte ich den zweisprachigen Kindergarten und die AGs und Workshops für Jugendliche.« [4]

Prof. Dr. Dietrich Götze
»Ich unterstütze das DAI aktiv seit September 2001. Es verbindet mich aber eine lange Geschichte mit dem Haus. Schon 1949 haben wir das DAI geliebt – es gab all das, was wir nicht hatten – u.a. auch Englisch-Kurse.
Das DAI ist heute – wie zu Beginn – nicht nur der Überbringer amerikanischer Kultur, sondern hat sich zu einem breit aufgestellten Haus der Bildung und Kultur entwickelt. Ich halte das Programm für außergewöhnlich gelungen. In seiner Gesamtheit bedient es viele Interessen verschiedener Generationen. Mir gefallen vor allem die Mittagsbegegnungen und die Abenddiskussionen zu brennenden Themen, von Fachleuten vorgetragen oder moderiert.
Für besonders unterstützenswert halte ich den zweisprachigen Kindergarten und die AGs und Workshops für Jugendliche.«

„Das Schöne“ (es ist nicht zu überhören, wie sich Jakob Köllhofer darüber freut) „an einer kleinen Institution, wie dem DAI ist, dass gegen aufkommenden Sturm immer sofort gegengesteuert werden konnte – oder man mutiger dagegen anfahren kann – große Institutionen, große Verbände“ (oder Verwaltungen) „haben da dringend noch etwas zu lernen.“ Was er – auch in den nächsten Jahren – dringend brauche, sei „die Sensibilität derer, die willens sind, zu sponsern, dass sie sehen, dass sie ohne das Neue ebenso wenig auskommen, wie wir.“ Kultur erneuere sich – so Köllhofer weiter – am Rande, er habe über Jahre hinweg erlebt, dass Kultur, werde ihr Raum gegeben – auch ohne erheblicher Förderung auskommen könne, „sozusagen über kleine Einheiten zu lernen, wo die großen Einheiten hinkommen.“

Der Jammer über Mittelstreichungen gehört zwar sicher zu den für einige Kulturschaffenden und Konsumenten hilfreichen Abwehrmechanismen. So wichtig aber Analysen solcher Mechanismen sein mögen, so nutzlos sind Schuldsprüche.
Der Traum vom grenzenlosen Wachstum ist ausgeträumt. Dennoch oder eben drum hat Kultur als der bisweilen noch gering geschätzte vorpolitische Raum auch in Heidelberg längst die Bedeutung eines Kristallisationspunktes erlangt – und wir erfreulicherweise hier auch so behandelt.

Und nachdem „Lebensstile“ als kulturelle Ausdrucksformen erkannt wurden, und als ein Vehikel, das leicht den Ausschlag dafür hätte gegeben haben können, ob und wo das „Kreuzchen“ bei der letzten Gemeinderatswahl gemacht wurde, haben das alle Rathausfraktionen auf ihre Fahnen geschrieben – jedenfalls, wo sie gerade geschwungen werden. Kommt aber natürlich immer drauf an, woher der Wind gerade weht – und wie viele Fahnen sich im wie frischem Wind auch immer tummeln und dessen Kraft zu teilen haben.

Und da möchte man dann mit Ernst Bloch fragen: „Aber wie macht man das, dass das Gute an der Provinz erhalten bleibt und wir trotzdem übergleichzeitig sind und nicht etwa in Kleinstädterei verfallen und ein Spießbürgertum herauskommt?“.

Weltkulturerbe Heidelberg?
Aus der Vergangenheit leben?

Wenngleich Heidelberg in vielem eine Legende ist, von der die Stadt lebt und profitiert, wissen wir, dass stattdessen ein die Kreativität förderndes Kulturangebot die notwendige Voraussetzung nicht zuletzt auch zur Bewältigung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts bedeutet. Der Wohn- und Freizeitwert Heidelbergs wird nicht von ihrer Geschichte oder der Legende bestimmt, sondern ganz wesentlich von der Qualität auch der kulturellen Angebote. Schließlich: Eine Legende verbrennt wie Kohle. Ausgeglüht in hektischem, kurzfristig sehr profitablem Tourismus, wird auch diese Kohle zur Schlacke. Stellen Sie sich vor, das „Waldsterben“ erfasste die Hügel um Heidelberg, um das Schloss herum mit seiner sentimental beschworenen Romantik. Heidelberg mit Glatze? Dahin verlören sich nur noch wenige Touris.

Wir können – und dürfen auch nicht wollen – unsere Stadt und ihre Attraktivität in Zukunft eben nicht durch Vergangenheit legitimieren. Diese Zukunft wird im Geistig-Kulturellen abseits von ausgetretenen Pfaden liegen – und die Ressourcen stecken vor allem in kreativen Köpfen. Wer das ignoriert, kann nur ein Rattenfänger sein.

Rehabilitierung der Kultur

Eine existenziell notwendige Demokratisierung, Flexibilisierung und Qualifizierung unserer Bürger lässt sich zunächst mit einer Rehabilitierung der „Kultur“ erreichen und ein Rückzug ins Private unterbinden. Kultur schafft die hierzu notwendige Identität, so wird Kulturpolitik der Stadt ihrer Verantwortung gerecht.

DAI Chef Jakob Köllhofer weiß dies alles nur zu gut: „Ich bin hier lange genug, um zu wissen wie der Hase hier läuft“ - sinniert er - „und versponnen genug, um meine Träume nicht verraten zu müssen“. Dass das noch lange so bleibt, das wünschen wir ihm. Und uns! tno [5]

DAI Chef Jakob Köllhofer weiß dies alles nur zu gut: „Ich bin hier lange genug, um zu wissen wie der Hase läuft“ – sinniert er – „und versponnen genug, um meine Träume nicht verraten zu müssen“. Dass das noch lange so bleibt, das wünschen wir ihm. Und uns!

Dabei ist zu bedenken, dass sich Kulturpolitik nicht wie Friedhofs- oder Bauverwaltung betreiben lässt. Desto stärker Verwaltungsaufgaben in die Eigenverantwortung der „Kulturinstitute“ übertragen werden können, desto effektiver kann die Kultur-Verwaltung ihrer Rolle als „kulturelle Innovationsagentur“ gerecht werden. So gewähren wir den Leitern der „Kulturinstitute“ ein hohes Maß an verantwortlicher Freiheit in Fachfragen, ihre volle künstlerische Entscheidungsfreiheit wird respektiert, wobei natürlich (was Wunder) Haushalts-Vorgaben zwingend beachtet werden müssen.
Wir sind davon überzeugt, dass auch künftig Qualität und Dichte des kulturellen Angebots als zentrale Herausforderung für die Kommunalpolitik die Urbanität Heidelbergs bestimmt. tno