Mit der Exzellenzinitiative streben der Bund und die Länder die nachhaltige Stärkung des Wissenschaftsstandorts Deutschland, die Verbesserung seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die Herausbildung von Spitzen im Universitäts- und Wissenschaftsbereich an.
Das iFQ wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beauftragt, ein programmbegleitendes Monitoring für die Exzellenzinitiative zu konzipieren und durchzuführen. Wir haben
uns zu einer längerfristigen Beobachtung der Exzellenzinitiative entschlossen, die auch die Anpassung der Handlungsstrategien der Geförderten und des Programms an nicht vorhergesehene Ereignisse erfassen kann.
Das Monitoring der Exzellenzinitiative ist eng verknüpft mit den iFQ-Monitoringsystemen ProFile und Forschungsmonitor. Beide Instrumente werden für die spezifischen Bedarfe angepasst und für die weiteren Erhebungen und Analysen genutzt, ebenso sollen gegen Ende des Förderzeitraums bibliometrische Analysetechniken genutzt werden.
Inwieweit die von der Exzellenzinitiative angestrebten Ziele erreicht werden, wird sich erst nach Ende der Förderung feststellen lassen. Erste Ergebnisse des Monitorings wurden im iFQ-Working Paper No.5 veröffentlicht und geben bereits Hinweise auf Erfolge, aber auch Problemlagen. Seit Projektstart wurden neben konzeptionellen Arbeiten und dem Aufbau datenbankbasierter Monitoringsysteme umfangreiche <empirische Arbeiten> durchgeführt. Ergebnisse unserer Erhebungen sind in den Evaluationsbericht von DFG und Wissenschaftsrat (WR) eingeflossen.
In 2009 gehen die Monitoringsysteme in eine intensive Testphase, um sie danach bundesweit allen Graduiertenschulen und Exzellenzclustern nutzbar zu machen. Fortlaufend werden von uns weitere Analysen durchgeführt. So erforschen wir bspw., ob und in welcher Weise (in der Vollantragsphase) abgelehnte Exzellenzprojekte doch noch umgesetzt werden. Darüber hinaus konzipieren wir Untersuchungen zur Wirkung der Exzellenzinitiative auf die Kooperationspartner der geförderten Projekte. Veränderungen in der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und der außeruniversitären Forschung bilden hier einen wichtigen Analysefokus.
Die Exzellenzinitiative – ein Paradigmenwechsel in der deutschen Hochschulpolitik
Im Januar 2004 löste die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder einen enormen Medienwirbel aus, als .sie erstmals über ein Programm zur Schaffung von Eliteuniversitäten in Deutschland sprach, Dass ausgerechnet die Sozialdemokratie – auf dem Bildungssektor traditionell für das Prinzip der Chancengleichheit zuständig – den Begriff der Elite enttabuisierte, sorgte für größte Verwunderung und Verwirrung. Die Reaktionen führten schnell zur offiziellen Umbenennung der geplanten Initiative. Sie hieß fortan „Exzellenzinitiative“ womit signalisiert werden sollte, dass es keinesfalls um die Privilegierung einzelner Universitäten, sondern um einen allgemeinen Leistungswettbewerb gehen würde. Alle Hochschulen hätten im Grundsatz die gleichen Chancen; jede Universität, die in der ersten Runde des Wettbewerbs verliere, könne in der zweiten zu den Gewinnern zählen, so die öffentlich immer wieder zu hörenden Äußerungen von den Befürwortern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Schaut man genauer als gar nicht auf die etymologischen Wurzeln des Wortes Exzellenz muss skeptisch stimmen dürfen. „Excellentia“, der lateinische Ursprung steht sowohl für herausragende Leistung oder Qualität als auch für eine herausgehobene höhere Stellung. Diese Doppelbedeutung hat sich im französischen „excellence“ über all die Jahrhunderte erhalten. Mit dem Wort „excellence“ werden in Frankreich auch heute noch ausgezeichnete Leistungen und hohe Würdenträger in Diplomatie wie Kirche gleichermaßen bezeichnet. Die Nähe zum Elitebegriff ist hier auch sprachlich unübersehbar. Elite bedeutet aber gerade nicht, dass alle die gleiche Chance haben; gemeint ist damit vielmehr eine dauerhafte Absonderung einer kleinen Gruppe vom Rest, von der Masse, eine Absonderung, die nicht ausschließlich, ja nicht einmal überwiegend auf Leistung zurückzuführen ist, sondern in hohem Maße auf Herkunft und die damit verknüpfte Einbindung in Macht- und Herrschaftsstrukturen (Hartmann 2002, 2004).
Wird die Entwicklung im Hochschulbereich hierzulande ebenfalls in diese Richtung laufen? Wird einer kleinen Zahl von Universitäten die Kennzeichnung Exzellenz oder Elite und der damit verbundene Status dauerhaft zuteil werden, ohne dass das offizielle Kriterium Leistung dafür allein oder auch nur vorrangig ausschlaggebend ist? Was bedeutet das für die soziale Zugänglichkeit und die Leistungsfähigkeit des deutschen Universitätssystems?
Elite- und Massenuniversitäten
Wenn im universitären Kontext von Exzellenz die Rede ist, so ist zunächst nur eines klar. Begrifflich bedeutet Exzellenz den Abschied von der das deutsche Universitätssystem traditionell prägenden Vorstellung, dass alle Universitäten im Grundsatz gleich sind. Wenn man einige heraushebt, so ist das nur möglich um den Preis, dass die anderen herabgestuft werden. Die einen sind exzellent, die anderen nicht. Nicht mehr hohe Qualität in der Breite ist das wesentliche Ziel der Hochschulpolitik, sondern „Weltklasse“ bei einzelnen Institutionen, den sog. „Leuchttürmen“ der Wissenschaft. Noch vor Bekanntgabe der ersten Ergebnisse des Exzellenzwettbewerbs hat die ZEIT vom 17. November 2005 in einem Artikel dessen zentrale Wirkung mit dem treffenden Satz beschrieben: „Der Wettstreit wird das auf Gleichheit beruhende Universitätssystem endgültig zerschlagen.“
Zu diesem Zeitpunkt waren solche Feststellungen allerdings die Ausnahme. Einige Monate später sah das schon anders aus. Nachdem die Exzellenzinitiative politisch durchgesetzt war und die Ergebnisse der ersten Runde eine massive Konzentration erfolgreicher Anträge auf relativ wenige Universitäten zeigten, wurden auch die öffentlichen Stellungnahmen zusehends deutlicher. So hat der scheidende DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker in seiner Abschiedsrede auf der Jahresversammlung der DFG am 31. Mai 2006 den aus seiner Sicht entscheidenden Effekt der Exzellenzinitiative klar benannt, indem er sagte, die Initiative sei mit den bisherigen Förderungen überhaupt nicht zu vergleichen, da sie die gesamte deutsche „Hochschul- und Forschungslandschaft in ungeahnter Weise verändern“ werde. Der von Ex-Bundespräsident Herzog 1997 geforderte „Ruck“ habe in Hochschulen und Wissenschaft „nun in Form eines Erdbebens stattgefunden.“ Die zwischen den Universitäten bereits bestehenden Qualitätsunterschiede würden durch die Exzellenzinitiative weiter wachsen. Neben „reinen Forschungsuniversitäten, die sich auch in der Ausbildung an den Anforderungen moderner wissenschaftlicher Forschung ausrichten, wird es solche geben, die dies nur ansatzweise und in einzelnen Fächern versuchen, solche, die diesen Anspruch erst gar nicht anstreben, und solche, die ihre Stärke eher in der Praxisorientierung suchen“, so Winnackers Resümee (Winnacker 2006: V, IXf.).
„Elite“ und „Masse“
Der damalige Prorektor der Universität Heidelberg, Jochen Tröger, hat denselben Sachverhalt in einem Interview mit der Heidelberger Studierendenzeitung „ruprecht“ im Juni 2006 plastisch an einem Beispiel verdeutlicht: „Eine Universität wie München macht Top-Forschung, eine Universität wie Oldenburg macht fachbezogen Hochschulausbildung von Leuten, die auch gebraucht werden“, so sein knappes Fazit. Die Wortwahl lässt erkennen, welche Vorstellungen bei den voraussichtlichen Gewinnern in diesem Wettbewerb vorherrschen. Es gibt exzellente Wissenschaftler und „Leute, die auch gebraucht werden“, sprich eine Elite und das Fußvolk. Sein Vorgänger hat das vor zwei Jahren in seiner Begründung harter universitätsinterner Auswahlverfahren genauso ausgedrückt, als er davon sprach, dass „Elite“ und „Masse“ eben nicht zusammenpassen.
Welches Grundprinzip die Exzellenzinitiative dominiert, war vor Verkündung der Wettbewerbsresultate schon unmissverständlich in dem bereits erwähnten ZEIT-Artikel zu lesen. Dort hieß es: „Im Zuge der Exzellenzinitiative wird das Matthäus-Prinzip künftig so stark in der Wissenschaft durchschlagen wie noch niemals zuvor.“ Wer hat, dem wird gegeben. So lautet die Logik des gesamten Wettbewerbs. Die erfolgreichen Anträge konzentrieren sich denn auch auf eine relativ kleine Zahl der insgesamt ca. 100 deutschen Universitäten. Das gilt für die dritte Förderlinie, für die sich von vornherein nur 27 Universitäten beworben hatten, von denen dann 10 in die engere Auswahl gekommen sind; und es gilt auch für die Auswahl der Graduiertenschulen und die Exzellenzcluster, an der sich (bei 135 bzw. 157 Bewerbungen) wesentlich mehr Hochschulen beteiligt haben. Von den 39 Graduiertenschulen, die die erste Runde überstanden haben, sind 18 an nur acht Universitäten angesiedelt (allein acht an den beiden Münchener Universitäten und der RWTH Aachen). Von den 41 noch im Wettbewerb befindlichen Exzellenzclustern vereinigen diese drei Hochschulen sogar neun auf sich. Weitere 14 Cluster entfallen auf noch sieben Universitäten, auf ganze 10 Universitäten also fast 60 Prozent.
Diese Konzentration zeigt deutlich, wohin die im Exzellenzwettbewerb zu vergebenden Mittel fließen werden. Es hat sich eine Spitzengruppe von 10 bis 20 Universitäten herausgebildet, die fast die gesamten Fördermittel abschöpfen werden. Rechnet man die Graduiertenschulen nicht mit (die bei einer Summe von 1 Mio. Euro pro Jahr gegenüber den beiden anderen Förderungstypen weit abfallen), dann sind nur 28 Universitäten überhaupt in die zweite Runde des Wettbewerbs gelangt. Endgültig ausgewählt wird eine noch kleinere Zahl.
Die Masse der deutschen Universitäten wird nicht nur beim Exzellenzwettbewerb außen vor bleiben, sie muss schon jetzt mit dem Etikett leben, allenfalls sehr eingeschränkt forschungsfähig zu sein.
Das deutsche Universitätswesen steht vor einer dauerhaften Aufspaltung in zwei Typen von Universitäten, Forschungs- und Ausbildungsuniversitäten. An den Ersteren wird die Forschung konzentriert, Letztere werden kaum noch forschen, sondern (wie heute schon die Fachhochschulen) zügig auf einen Beruf hin ausbilden. Wie ein solches System aussehen dürfte, zeigt eine ungewöhnlich klare Aussage des früheren Berliner Wissenschaftssenators George Turner im Tagesspiegel vom 5. März 2006: „Offiziell bleibt es dabei: Die Fachhochschulen sollen ausgebaut werden. Heimlich aber hat man sich von diesem Ziel verabschiedet, indem ‚bis zu zehn’ Spitzenuniversitäten besonders gefördert werden sollen. Das heißt im Klartext: Der Rest der Universitäten wird zwar förmlich nicht zurückgestuft, de facto aber in die untere Liga eingeordnet.
Die Universitäten, welche nicht den Sprung in die 1. Liga’ schaffen – und das wird die überwiegende Mehrheit sein –, und die Fachhochschulen werden näher zusammengerückt. Auch wenn es kaum vorstellbar ist, dass es nur in fünf Bundesländern so genannte Elite-Universitäten geben soll, und es deshalb denkbar ist, dass die Vorgabe ‚bis zu zehn’ ins Wanken geraten könnte – von den knapp hundert staatlichen Universitäten werden die meisten zusammen mit den Fachhochschulen dem ‚Rest’ angehören.“ [1]
Die flächendeckende Ersetzung der alten Uni-Abschlüsse Diplom und Staatsexamen zugunsten von Bachelor und Master ist eine wichtige Voraussetzung für diese Aufspaltung. Die in erster Linie für die studentische Ausbildung zuständigen Massenuniversitäten sollen die Masse der Bachelor-Absolventen schnell durch das Studium schleusen, um den zu erwartenden Studierendenberg ohne zusätzliche Personalstellen bewältigen zu können. Da nach dem Willen der meisten Wissenschaftsminister weniger als die Hälfte, in der Regel nur um die 30 Prozent der Studierenden nach dem Bachelor noch weiter an der Universität bleiben sollen, ist für eine (mehr oder minder) große Mehrheit der Studierenden ein Einblick in wissenschaftliche Forschung gar nicht mehr vorgesehen. Einzig kleinen auserwählten Gruppen wird der Blick in die Forschung vor dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss gewährt. Die anderen müssen bis zum Masterstudium warten. Doch auch hier wird sich die Spaltung weiter fortsetzen. Wie die klassischen Technischen Hochschulen (die sog. T9) schon beschlossen haben, werden sie den Bachelor als Zugangsberechtigung zum Master nur dann ohne weitere Prüfungen anerkennen, wenn er an einer ihrer Mitgliedshochschulen gemacht worden ist. Das heißt, die sich selbst zur Elite zählenden Universitäten beginnen schon jetzt, sich gegenüber den anderen abzuschotten.
Die Geistes- und Sozialwissenschaften als große Verlierer
Die Aufspaltung der Hochschullandschaft betrifft nicht nur die Universitäten als Ganze, sie geht auch mit einer Verschiebung der Relationen zwischen den fünf großen Wissenschaftsgebieten (Geistes-, Sozial-, Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie Medizin) einher. Seit die Ergebnisse der ersten Runde des Exzellenzwettbewerbs veröffentlicht worden sind, herrscht unter den Geistes- und Sozialwissenschaftlern Enttäuschung bis Entsetzen. Die Bilanz ist ernüchternd. Ein einziges Projekt mit erkennbar geisteswissenschaftlichem Schwerpunkt hat bei den Exzellenzclustern die erste Runde überstanden, und mit gutem Willen zählen bestenfalls vier von insgesamt 41 ausgewählten Clustern zum weiteren Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. Über ein Drittel der im ersten Durchlauf positiv bewerteten Cluster entfällt demgegenüber auf die Medizin und jeweils ein gutes Viertel auf die Natur- und Ingenieurwissenschaften. Die Verteilung der Mittel ist damit noch deutlich ungleichgewichtiger als in den Hochschuletats, wo die Geistes- und Sozialwissenschaften schon jetzt massiv benachteiligt sind. Sie bekommen, obwohl bei ihnen ungefähr doppelt so viele Studierende eingeschrieben sind wie in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, nur halb so viel Geld. Im Exzellenzwettbewerb ist es nicht einmal mehr ein Fünftel.
Im Nachhinein entlarven sich Aussagen des Wissenschaftsrats und der DFG, die der Beruhigung skeptischer Geistes- und Sozialwissenschaftler dienen sollten, als weitgehend folgenloses Gerede. Was nützt es, wenn unmittelbar vor der Entscheidung von der Koordinatorin der DFG für die Exzellenzcluster mitgeteilt wird, dass man angenehm überrascht sei von der hohen Zahl der Antragsskizzen aus den Geisteswissenschaften, (insgesamt immerhin ein Viertel der 157 Anträge), und darauf auch besonders stolz, weil der DFG immer vorgeworfen werde, „die Geisteswissenschaften bei der Förderung von Drittmitteln im Vergleich zu anderen Disziplinen zu vernachlässigen“. Letztlich bestätigt die Entscheidung ja diesen Eindruck. Es ist genau das eingetreten, was die Skeptiker befürchtet haben. In der zweiten Förderlinie spielen die Geistes- und Sozialwissenschaften kaum eine Rolle. Die zwei Wochen später veröffentlichte Erklärung des Wissenschaftsrats, die „Stärkung der Geisteswissenschaften in den Universitäten“ sei sein „zentrales Anliegen“, ändert daran aber nichts. Sie bleibt ein Lippenbekenntnis.
Leistungs- oder Matthäusprinzip?
Handelt es sich nun beim Exzellenz-Wettbewerb wirklich um einen fairen Leistungswettbewerb? Und wie sehen die Folgen für die soziale Zugänglichkeit der deutschen Hochschulen aus? Angesichts der eindeutigen Resultate der ersten Runde verzichtet Winnacker hier auf die zuvor stets obligatorische Bemerkung, dass selbstverständlich jede Universität eine Chance habe, und räumt eine gravierende Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen ein. Die unterschiedliche finanzielle Ausgangslage in den einzelnen Bundesländern sorge dafür, dass „kein wirklicher Wettbewerb um Ressourcen aller Art, auch nicht um Ressourcen für die Forschung stattfinden“ könne und die Universitäten im Süden der Republik einen entscheidenden Vorteil besäßen. Nachdem die Exzellenzinitiative politisch durchgesetzt ist, kann man jetzt offensichtlich realistischere Aussagen treffen.
Die Exzellenzinitiative stellt auf der Ebene der kompletten Universitäten grundsätzliche Unterschiede fest zwischen „exzellent“ auf der einen und „durchschnittlich“ auf der anderen Seite, sprich zwischen Elite und Masse, zementiert sie in einem Ranking und weitet sie auf Dauer weiter aus. Etwa 20 Universitäten werden also im Rahmen der Initiative nicht nur fast die Hälfte, sondern vermutlich über 90 Prozent der zu vergebenden Mittel auf sich vereinigen. Zudem, und das ist der wichtigere Punkt, wird der Exzellenzwettbewerb die Rangfolge verewigen. Er schafft erst jene grundlegenden Unterschiede, die zu messen er vorgibt.
Die Hochschulen, die jetzt nicht zu den Gewinnern zählen, werden sich auch in Zukunft unwiderruflich im Hintertreffen befinden. Das gilt zunächst ganz unmittelbar finanziell, denn die Länder werden ja nicht nur ihren 25prozentigen Anteil an den Kosten der Exzellenzinitiative, sollten Universitäten aus ihrem Bundesland erfolgreich sein, finanzieren müssen, sie müssen nach dem Rückzug des Bundes aus dem Hochschulbau auch an diesem Punkt eine größere finanzielle Last tragen als bislang. Außerdem müssen die im Wettbewerb siegreichen Universitäten ab 2012 wieder mit den eigenen Mitteln haushalten, weil dann die Finanzierung über die Exzellenzinitiative ausläuft. Um das Niveau halten zu können, werden sie ab diesem Zeitpunkt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mehr Landesmittel bekommen. Bei realistischer Betrachtung bedeutet das: Um diese zusätzlichen Gelder aufbringen zu können, müssen die Länder woanders sparen. Allen augenblicklichen Verlautbarungen zum Trotz dürfte das auf Kosten der Verlierer des Wettbewerbs gehen.
Die Sieger des Exzellenz-Wettbewerbs werden in den nächsten Jahren ihre überlegene Position auch bei der Konkurrenz um die guten Wissenschaftler und die guten Studierenden ausbauen können. Dank ihrer spürbar besseren finanziellen Ausstattung und des beträchtlichen Imagegewinns werden sie bei beiden Gruppen deutlich an Attraktivität zulegen. Sie haben die besten Chancen, sich bei den jetzt üblich gewordenen hochschulinternen Auswahlverfahren die leistungsstärksten Studierenden herauszufiltern. Auf diesem Wege können sie gleichzeitig noch ein zweites Ziel erreichen, die Zahl der Studienplätze spürbar zu reduzieren. Sollte es zudem gelingen, die Kapazitätsverordnung abzuschaffen, wäre es ihnen sogar möglich, exklusive Elitestudiengänge mit einer ganz kleinen Zahl von Studierenden einzurichten, ohne die bisherigen Beschränkungen beachten zu müssen. Klein und fein, so heißt die neue Devise. Der Rektor der Universität Mannheim, der Jurist Wolfgang Arndt, hält konsequenterweise die Forderung, die Hochschulkapazitäten wegen des zu erwartenden drastischen Anstiegs der Studierendenzahl auszubauen, für unsinnig und überflüssig, weil sich die Massenuniversität „völlig überlebt“ habe. Kurt von Figura, der Präsident der Universität Göttingen, will die Zahl der Studierenden an seiner Hochschule mittelfristig sogar sogleich um ein Drittel reduzieren, um ihr Profil als forschungsintensive und medizinisch-naturwissenschaftlich ausgerichtete Universität schärfen zu können.
Die Einführung von Studiengebühren unterstützt diese Entwicklung, weil sie auf Dauer zu einer Differenzierung der Gebühren je nach Hochschule führen wird. Wohin die weitere Entwicklung gehen wird, deutet der erste Gesetzesentwurf zum Studienbeitragsgesetz aus Hessen an. Er sah vor, dass die Hochschulen ab dem WS 2007/08 für alle nichtkonsekutiven Masterstudiengänge (ab dem WS 2010/11 auch für die konsekutiven), alle Promotionsstudiengänge und alle Nicht-EU-Ausländer bis zu 1.500 Euro verlangen können. Zwar haben die massiven Proteste an den hessischen Hochschulen im endgültigen Gesetzentwurf eine direkte Umsetzung dieser Vorstellungen verhindern können, die Pläne bleiben aber in den Schubladen der Ministerien. Eine zukünftige Eliteuniversität wird in Zukunft erheblich höhere Gebühren verlangen können als eine „normale“ Massenuniversität [3] und nach dem Vorbild der USA dafür günstigere Studienbedingungen bieten. Die Massenuniversitäten dagegen müssten mit noch schlechteren Bedingungen als schon heute aufwarten, wären dafür aber auch preisgünstiger als die Topadressen. Die Aufspaltung der Hochschullandschaft würde noch weiter vorangetrieben.
Verhältnis zwischen Gewinnern und Verlierern
Die Verlierer des Exzellenzwettbewerbs werden in jeder Hinsicht an Boden einbüßen. Von einer neuen Chance „beim nächsten Mal“ kann deshalb keine Rede sein. Wenn Politiker und Vertreter der federführenden Wissenschaftsorganisationen (Wissenschaftsrat und DFG) immer wieder betonen, dass – da ausschließlich die Leistung entscheide – eine Hochschule, die jetzt nicht unter den Gewinnern sei, durch eigene Anstrengung das Ziel durchaus noch erreichen könne, so hat das mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Von einer möglichen Umkehrung des Verhältnisses zwischen Gewinnern und Verlierern kann keine Rede sein. Wer einmal oben ist, wird in der Regel oben bleiben. Die Eliteuniversitäten in den anderen führenden Industrieländern zeigen das sehr deutlich (Hartmann 2004: 109 ff.).
Kriterien des Exzellenzwettbewerbs
Dasselbe gilt auch mit Blick auf die einzelnen Fachdisziplinen. Von gleichen Chancen kann auch hier nicht die Rede sein. Dafür haben die Kriterien des Exzellenzwettbewerbs schon gesorgt. Die in der Bund-Länder-Vereinbarung als entscheidend geforderte „internationale Sichtbarkeit“ lässt sich in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Medizin, in denen internationale Großprojekte alltäglich sind, in denen weltweit bekannte Preise (wie vor allem der Nobelpreis) vergeben werden und in denen die nationale Sprache und Kultur keine oder allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle spielen, sehr viel leichter herstellen als in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Auch lässt sich die in derselben Vereinbarung als wichtige Voraussetzung angeführte „wirtschaftliche Relevanz“ von ihnen ungleich einfacher nachweisen. Dass der DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker schon vor der Antragstellung davon sprach, die Exzellenzcluster sollten „weitgehend dem Modell der DFG-Forschungszentren“ entsprechen, hätte hellhörig machen können. Von den derzeit geförderten Zentren kommt nämlich kein einziges aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften.
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Eliteuniversitäten – ein Weg zu höherer wissenschaftlicher Leistung oder ein Irrweg?
Selbst wenn man sich ausschließlich auf das Argument konzentriert, das die Befürworter der Exzellenzinitiative als wesentlich für die Etablierung von Eliteuniversitäten anführen – die versprochene Steigerung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit des Hochschulsystems – offenbart der Blick „über den großen Teich“ gravierende Schwächen des Konzepts. Das Vorbild der US-Spitzenuniversitäten ist nämlich auch in dieser Hinsicht nicht so glänzend, wie es dargestellt wird, und, was noch wichtiger ist, auch nicht so einfach kopierbar.
Wissenschaftliche Konkurrenz ist nicht vergleichbar mit der Konkurrenz zwischen Unternehmen und wissenschaftliche Erkenntnisse sind keine Waren, die sich wie Autos oder Fernseher auf einem Markt verkaufen lassen müssen. Als generelles Fazit bleibt: Die Exzellenzinitiative kann die realen Probleme an den Hochschulen durch die ihr zuteil werdende mediale Aufmerksamkeit allenfalls kaschieren, einen Beitrag zu ihrer Lösung bietet sie nicht. Sie wird diese Probleme vielmehr ganz im Gegenteil sogar noch verschärfen.