Spektakuläre Entwicklung in Sachen Hausausweise: Der Bundestag muss nach einer Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Freitag die Identitäten von Lobbyisten nennen, die regelmäßigen Zugang zum Parlament
haben. Damit ist die abgeordnetenwatch.de-Klage auf Offenlegung der Lobbykontakte aber dennoch nicht vom Tisch. Welchen Lobbyisten haben dieFraktionen einen Hausausweis zum Bundestag verschafft? Linke, Grüne und zuletzt auch die SPD hatten dies im Zuge von abgeordnetenwatch.de-Recherchen freiwillig mitgeteilt – nur die Union weigerte sich beharrlich. Doch nun kann die CDU/CSU nicht weiter geheim halten, welchen Unternehmen, Verbänden und Organisationen sie Zugang zum Bundestag ermöglichen.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am Freitag überraschend einer Informationsklage („Eilklage“) des Berliner Tagesspiegel stattgegeben. Die Zeitung hatte – gestützt auf das Presserecht – argumentiert, es gebe angesichts der abgeordnetenwatch.de-Klage und der damit einhergehenden Berichterstattung ein gesteigertes öffentliches Interesse an einem in der Öffentlichkeit intensiv diskutierten Thema. Dies sahen auch die Richter so; ihr Eilbeschluss ist unanfechtbar.
Was bedeutet das?
Darum hat diese Klage weiter Bestand
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts heißt nicht, dass sämtliche Lobbykontakte der CDU/CSU-Fraktion auch tatsächlich veröffentlicht werden. Der Bundestag muss die Namen der Verbände, Unternehmen und Organisationen, die über die Union einen Hausausweis erhalten haben, lediglich dem Tagesspiegel mitteilen. Ob dieser die vollständige Liste veröffentlicht oder nur einzelne Hausausweisinhaber im Rahmen seiner Berichterstattung nennt, bleibt der Zeitung überlassen.
Auch aus diesem Grund hat sich die abgeordnetenwatch.de-Klage gegen den Bundestag noch nicht erledigt. Damit verfolgen wir zum einen das Ziel, dass die Lobbykontakte der Fraktionen allgemein zugänglich werden. Zum anderen wollen wir aber auch erreichen, dass künftig jede und jeder Informationen über die von den Fraktionen bewilligten Hausausweise einholen kann. Das ist bislang nicht der Fall und daran ändert auch die Eilentscheidung vom Freitag erst einmal nichts. Denn anders als eine Bürgerin oder ein Bürger konnte sich der Tagesspiegel auf das Presserecht berufen. Deswegen streben wir ein Grundsatzurteil an, das ein für allemal klarstellt: Jede Bürgerin und jeder Bürger muss jederzeit in Erfahrung bringen können, welche Lobbyisten über einen Hausausweis Zugang zu unseren Abgeordneten haben – und zwar per formloser Anfrage über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). (Am Besten wäre natürlich, wenn der Bundestag diese und andere Informationen in einem verbindlichen Lobbyregister von sich aus öffentlich machen würde, doch das wird in absehbarer Zeit nicht passieren.)
Eilentscheid ist die nächste Niederlage für den Bundestag

Die Anwälte hatten stets behauptet, es verletze das freie Mandat der Parlamentarier wenn bekannt würde, welche Lobbyvertreter Zugang zum Bundestag – und damit zu den Abgeordnetenbüros – haben. Dies sei aber keineswegs der Fall, so die OVG-Richter. Denn Rückschlüsse darauf, ob bzw. wie häufig einzelne Abgeordnete mit Interessenvertretern zusammenkommen, ließen sich mit den Informationen nicht ziehen. Dies gelte auch für die Parlamentarischen Geschäftsführer, die lediglich stellvertretend für ihre Fraktion die Anträge auf Erteilung von Hausausweisen befürworten. Daher sei nicht ersichtlich, dass die Auskunftserteilung das Kommunikationsverhalten einzelner Abgeordneter beeinträchtigen könnte. Die OVG-Richter vermochten auch nicht zu erkennen, dass hierdurch das Recht der Lobbyisten auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein könnte.