Wir meinen, der Boden für die braune Brut und deren klammheimlichen Statthaltern, wurde in der Tat von vielen – nützlichen Idioten, würde Lenin gesagt haben – Politikern beackert. Derweil sie Kurs auf Europa nahmen, brachten sie das Wort Vaterland wieder in Mode. Gewohnt, noch den letzten Abfall in Energie für ihre Ziele umzusetzen, begannen sie immer beschwörender vom „Europa der Vaterländer“ zu schwadronieren. So ließ sich der anwachsende neue Nationalismus zwar bagatellisieren, nicht aber benutzen. Wer ihn zu nutzen suchte, war doch längst schon von ihm be-nutzt. Statt eines Bekenntnisses zu Europa als Vorstufe realisierbaren Weltbürgertums kam allenfalls eine Bestärkung nationalstaatlicher Eigenbrötelei heraus. Mit Rückwärtsgang. Nutznießer sind die Rechten.
Von gefühlsduseligem Nationalstolz hat deutscher Kurzschluss noch immer direkt zu rassistischer Überheblichkeit geführt. Und während die neuen analphabetisierenden Barbarengruppen ihren
Vandalismus mit dem Bekenntnis des Stolzes auf Deutschland thematisieren, treten akademische Beschwichtiger auf, nimmer müd zu erzählen, wie sehr sie „sich vorstellen könnten, mit einem jener Brandstifter befreundet zu sein“.
Wer nun freilich nur geoutete Sympathisanten, Hitlerfans und Nazi-Nostalgiker in dieser kleinbürgerlichst denkbaren Braunzone ausmacht, wie sie sich – von anderswo angereist – in Heidelberg gezeigt haben, verdeckt damit die größere, die eigentliche Gefahr: Zwar ist der Rechtsextremismus noch zersplittert, jedoch versucht er mit Pegidarismen salonfähig zu werden. Und dagegen haben Demokraten Gesicht zu zeigen: Ein Blick auf den rechten Rand von CDU/CSU und darüber hinaus zeigt: Eine Sammlungsbewegung nimmt Gestalt an. Sie ist um ein seriöses Image bemüht. Scheinbar honorige Politiker und Universitätsdozenten haben daran enormen Anteil. Die „Junge Freiheit“ mit 100.000 Exemplaren auf dem Markt, bietet ihnen ebenso eine Plattform wie ultrarechten CDU-Dissidenten, nationalistischen Professoren, Ideologen der sogenannten Neuen Rechten sowie rechtsradikalen Nachwuchspolitikern aus den Parteien. „Republikaner“ und ihrer Abspaltung „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ – wie sie neuerlich gerade heißen, oder – siehe Pappschild unten – unerwartet und beinahe schon geistreich: „DAS VOLK!“
Themen sind „Der deutsche Nationalstaat und Maastricht-Europa“, „Kampf gegen fastlinkes Verhalten“ bei den Christdemokraten“, die „Ostgebiete“ oder etwa „Asyl-und Ausländerpolitik“ („Invasion ist angebrochen“). Weiter: Die „Umerziehung des deutschen Volkes“ sowie das Ideengut der konservativen Wegbereiter Hitlers, von dessen faschistischer Terrorherrschaft sich diese Nadelstreifenfaschisten – was Wunder – natürlich distanzieren. Wer wissen wollte, wo die Broschüre „Ausländerintegration ist Völkermord“ zu beschaffen ist, konnte sich bis bislang im Anzeigenteil von „Die Junge Freiheit“ orientieren. Damit ist jetzt Schluss; dieser „Patzer“ wurde behoben.
Die Botschaften sind oft dreist, meist dumm aber hin und wieder deutlich. In einem Interview mit dem ultrakonservativen „Publizisten“ und Philosophieprofessor Günther Zehm wird untermauert: Es müsse „gelingen, neben CDU und CSU auch im parlamentarischen Raum eine seriöse Rechte zu etablieren“. Heinrich Lummer, einer der seinerzeit möglichen Kandidaten für eine solche politische Formation, profiliert sich in derselben Ausgabe: Um die Kriminalität zu bekämpfen, dürfe auch das „Ableisten des Wehrdienstes bei der Polizei kein Tabu“ sein. Von einer wehrhaften Demokratie müsse man „Härte und Entschlossenheit“ erwarten können. Der ehemalige Berliner Innensenator versteht es, sowohl senile Ritterkreuzträger und Vertriebene wie auch die modernen Kader der akademischen Rechtselite in seinen Bann zu ziehen. In den Spalten der „Jungen Freiheit“ hat er seinen Stammplatz. Dort kann er dann auch schwadronieren,
die Republikaner seien nicht rechtsextrem und undemokratisch, sondern sehr wohl koalitionsfähig. Freilich haben sich die Blattmacher nicht Bierzeltdemagogie auf ihre voranflatternde Fahne geschrieben; vielmehr wird hier einer rechten Elite zum Marsch durch die Institutionen geblasen. Die Ära Schönhuber, dessen selbstherrlicher Führungsstil bereits viele aufstrebende junge Rechtskader aus der „akademischen Elite“ verprellt hat, ist längst aus der Vorbereitungsphase in eine Konsolidierungsphase marschiert, die Krise bringt es mit sich: Populisten mit vermeintlichen Patentlösungen für Arbeitslosigkeit (die sich heutzutage nicht mehr mit autobahnbauen und Kraft durch Freude lösen läßt) sind auf dem Vormarsch. Die äußeren Bedingungen für einen Erfolg des Rechtsextremismus seien unzweifelhaft gegeben, „wenn die Szene sich eint in einem gemeinsamen Bündnis unter einem neuen Führer“, analysierte der Parteienforscher Prof. Richard Stöß in einem Interview.
Den neuen Führer haben die Nazis noch nicht, wohl aber geheime Gruppen, die sich derweil mit einer Liste von Bürgern und Gruppen beschäftigen, die sich gegen den anwachsenden Neofaschismus wenden. Hierin wird zu Gewalttaten gegen die aufgeführten Personen, Zeitungen, Zentren, Lokalen und Organisationen aufgerufen. „Versorgen“ heißt die Umschreibung der geplanten Verbrechen, die erst aufhören sollen, wenn „die endgültige Zerschlagung von Anarchos, Rot-Front und Antifa sowie die Ausschaltung aller destruktiven antideutschen und antinationalen Kräften“ erreicht ist – deren Einer ich zu sein versuche!
„Medienmacher“ werden (noch können wir damit leben) in der Liste der Neonazis pauschal bedroht: „Auch ihnen wollen wir unruhige Nächte bescheren und nicht zuletzt den gleichredenden Inquisitoren der bundesrepublikanischen Denkfabriken, dem Berufsstand der Journalisten. „Wir müssen abwarten, wie sich ihr Verhalten zukünftig entwickeln wird, wenn sie wissen werden, dass wir wissen, wo und mit wem sie arbeiten, wo sie ihren Urlaub verbringen und welche Interessen ihre Freizeit ausfüllen.“
Soweit Zitate aus jenen „Listen“. Schlenker nach Mannheim zur 6. Kammer im Landgericht: Sollten solche von Rechten erstellte Listen gar auch über Richter kursieren ? Sollte Orlet (der den NPDisten Deckert aus Weinheim Bewährung eines von ihm diagnostizierten guten Sozialverhalten wegen gewährte) vielleicht nur Angst vor den Rechten und deren Anwälten gehabt haben? Schlechter Scherz beiseite. Wir aber haben in dieser Angelegenheit Anzeige erstattet! Weil: Auch Medienmacher sollten endlich ihre (meist? ungewollte) Rolle des Mitmachens bei neonazistischer Propaganda überwinden! Und: Notwendig ist, die Auseinandersetzung mit allen Antifa-Antifa-Kampagnen; häufig erweisen die sich nämlich als Pro-Faschismus-Kampagnen, getarnt als „Auseinandersetzung mit rechts und links“ oder als „Antitotalismus“. Aber: Auch diesmal haben sie es nicht geschafft, ihren Marsch durch Heidelberg zu erzwingen. Nota bene sollten sie – weil ein „Durch-Lauf“ ja eigentlich die Lächerlichmachung dieses Haufens erst richtig deutlich gemacht hätte – ihren Gegen-Demonstranten dafür dankbar sein, für nämlich das nicht noch deutlichere Sichtbarmachen ihrer Lächerlichkeit. Die „Nazis raus Demonstranten“ jedenfalls blieben, bis auch der Letzte der braunen Horde seine Sachen packte und klammheimlich verschwand.
Alle Fotos: Jürgen Gottschling
26.Okt..2015, 02:17
Bin durch Zufall auf Reisen mal auf Ihre Rundschau gestoßen und rufe sie mittlerweile oft auf. Danke für diesen Spagat zwischen Rechte ignorieren, was diese Leute ja auf den Tod nicht ausstehen können und ihnen eins auf die Löffel zu geben. War aufschlussreich und vergnüglich.
Mit freundlichen Grüßen
KH
27.Okt..2015, 22:35
Ich sehe Nachrichten in der Tagesschau und im ZDF und weine und kann nichts dagegen tun, wenn ich sehe, dass da vor Krieg und Widerlingen von der Islamischen Front fliehende Menschen mit Kleinkindern in bitterer Kälte und im Schlamm übernachten müssen, jenen Islamisten übrigens, die sich kaum unterscheiden von den (könnten die, wie sie wollen) Rechten hierzulande, die sich so darstellen, wie sie sich vor dem Bahnhof gezeigt haben:
Kleinkariertest, um aus dem Artikel zu zitieren. Ja, ich war am Samstag zwangspausig auf der Demonstration vor dem Heidelberger Hauptbahnhof gegen die von außerhalb angereisten Nazis, die hier eine Demonstration angemeldet haben. Erfreulicherweise sind wir (noch) weit davon entfernt, Angst haben zu müssen davor, dass wir ein neues von diesen „wir sind das Volk“ papptafelnd und skandierenden herumstehenden wenig mehr als zwei dutzenden Irren oder doch zumindest irregeleiteten Menschen wirklich befürchten müssen, die wahrscheinlich schon gerne ein „Neues 1000jähriges Reich“ installieren wollen würdenden. Ich denke zudem, dass Pegida Demonstranten nicht (nicht nur) der Rechten zuzuordnen sind, sondern auch zu Menschen, die durchaus berechtigte Ängste haben. Volk – schreien sie, wach auf und wenn jetzt aber auch die Politik endlich aufwachen würde, dann schafften wir das vielleicht „in der Tat“.
Merkel hätte da anfangs vorsichtiger agieren müssen. Jetzt passiert, was sie damit ganz sicher nicht erreichen wollte. Sie verliert Wählerstimmen nach rechts. Dennoch: Wacker, Frau Kanzlerin! Und danke auch für diesen schlüssig illustrierten und sachlichen Artikel. Und für den Link auf die beiden filmenden youtube-Jungs.
Michael Witt, Schleswig
Grüße aus HH
Michael Witt
28.Okt..2015, 12:27
Danke für diesen Bericht mit Hintergrund. Ist, als wäre ich dabei gewesen, was ich aber leider nicht sein konnte.
Bei der Gelegenheit auch in andere Beiträge reingelesen. Wow! Bitte, weiter so.
Max
28.Okt..2015, 14:57
Auf einer Kundgebung der Pegida in München, die der „Pflege der deutschen Sprache“ galt, wurde das Deutsche als „phonetische“ Sprache gefeiert, als eine Sprache, die sich schreibt, wie sie sich ausspricht: Hier schafft sich die Polemik gegen die „Lügenpresse“ ihren metaphysischen Grund – das Deutsche erscheint als Medium der Wahrheit, als die Sprache, in der die Dinge beim Namen genannt werden können. Der Verdacht des Landesverrats, der sich gegen Staats- und Presseorgane richtet, wird auf den Befund des Sprachverrats gestützt.
Sie haben mit diesem Beitrag „demonstriert“, dass allemal auch Nichtpegidianer sich unserer Sprache zu bedienen in der Lage sind und dazu keines „Sprachverrats“ bedürfen. Ich sags weiter.
Beste Grüße
Helmut Fricke, München
28.Okt..2015, 18:33
Hallo Tenno,
hast Du das Bild für Deine „in vino veritates“ geändert? Oder nur als Warnung gegen die „Faschos“? Zwar sind Gorillas gutmütige Geschöpfe, der „Stinkefinger“ soll wohl zeigen, dass sowohl er als auch Du anders kann? Und neue Mitarbeiter hast Du wohl auch. Auf „bewegte Bilder“ musstest Du ja bisher verzichten – Matthes haben eben diese nämlich auf youtube auch gut gefallen.
Gruß, Cornelius
29.Okt..2015, 14:03
Wahre Worte – diesen Artikel sollten doch die Kultusministerien als Pflichtlektüre in ihr Repertoire aufnehmen. Aber davor schrecken sie dann am Ende doch zurück („zu einseitig“).
Und zurückschrecken wird gleichermaßen die Frau Merkel, wenn ihr nun der Stoiber ungemütlich wird. Denn ansonsten räumt der noch die Stimmen am halbrechten Rand ab …….
Sven aus HH