Es ist, sagt Jürgen Gottschling, die wirksame Denunziation des Faschismus von heute notwendig. Nicht seine zartfühlende Analyse.

Es ist, meint Jürgen Gottschling, die wirksame Denunziation des Faschismus von heute notwendig. Nicht seine zartfühlende Analyse.

Wir meinen, der Boden für die braune Brut und deren klammheimlichen Statthaltern, wurde in der Tat von vielen – nützlichen Idioten, würde Lenin gesagt haben – Politikern beackert. Derweil sie Kurs auf Europa nahmen, brachten sie das Wort Vaterland wieder in Mode. Gewohnt, noch den letzten Abfall in Energie für ihre Ziele umzusetzen, begannen sie immer beschwörender vom „Europa der Vaterländer“ zu schwadronieren. So ließ sich der anwachsende neue Nationalismus zwar bagatellisieren, nicht aber benutzen. Wer ihn zu nutzen suchte, war doch längst schon von ihm be-nutzt. Statt eines Bekenntnisses zu Europa als Vorstufe realisierbaren Weltbürgertums kam allenfalls eine Bestärkung nationalstaatlicher Eigenbrötelei heraus. Mit Rückwärtsgang. Nutznießer sind die Rechten.

Von gefühlsduseligem Nationalstolz hat deutscher Kurzschluss noch immer direkt zu rassistischer Überheblichkeit geführt. Und während die neuen analphabetisierenden Barbarengruppen ihren

Vandalismus mit dem Bekenntnis des Stolzes auf Deutschland thematisieren, treten akademische Beschwichtiger auf, nimmer müd zu erzählen, wie sehr sie „sich vorstellen könnten, mit einem jener Brandstifter befreundet zu sein“.

Drei von zweitasend Demonstranten in der ersten Reihe - Beate Weber, Jan Gradel und Christine Essig haben wohl gerade die Tafel der insgesamt etwa 20 (zwanzig!) vor dem Heidelberger Hauptbahnhof herumkaspertierenden Nazi-Demonstranten gelesen: "Wir sind das Volk" …

Drei von zweitausend Demonstranten in der ersten Reihe: Beate Weber, Jan Gradel und Christine Essig haben wohl gerade die Tafel der insgesamt etwa 20 (zwanzig!) vor dem Heidelberger Hauptbahnhof herumkaspertierenden Nazi-Demonstranten gelesen: „Wir sind das Volk“ …

Wer nun freilich nur geoutete Sympathisanten, Hitlerfans und Nazi-Nostalgiker in dieser kleinbürgerlichst denkbaren Braunzone ausmacht, wie sie sich – von anderswo angereist – in Heidelberg  gezeigt haben, verdeckt damit die größere, die eigentliche Gefahr: Zwar ist der Rechtsextremismus noch zersplittert, jedoch versucht er mit Pegidarismen salonfähig zu werden. Und dagegen haben Demokraten Gesicht zu zeigen: Ein Blick auf den rechten Rand von CDU/CSU und darüber hinaus  zeigt: Eine Sammlungsbewegung nimmt Gestalt an. Sie ist um ein seriöses Image bemüht. Scheinbar honorige Politiker und Universitätsdozenten haben daran enormen Anteil. Die „Junge Freiheit“ mit 100.000 Exemplaren auf dem Markt, bietet ihnen ebenso eine Plattform wie ultrarechten CDU-Dissidenten, nationalistischen Professoren, Ideologen der sogenannten Neuen Rechten sowie rechtsradikalen Nachwuchspolitikern aus den Parteien. „Republikaner“ und ihrer Abspaltung „Deutsche Liga für Volk und Heimat“  – wie sie neuerlich gerade heißen, oder – siehe Pappschild unten – unerwartet und beinahe schon geistreich: „DAS VOLK!“

Aber auch das wird versucht, zum Thema zu machen; hier zwar eher nur dumm, aber schon auch armseelig: Wir sind das Volk? Die? Armes Deutschländ, möchte man da nur noch dagegenhalten: Und das nächste Bild rechts:

Aber auch das wird versucht, zum Thema zu machen; hier zwar eher nur dumm, aber schon auch armseelig: Wir sind das Volk? Die? Armes Deutschland, möchte man da nur noch dagegenhalten: Und das nächste Bild rechts:

Themen sind „Der deutsche Nationalstaat und Maastricht-Europa“, „Kampf gegen fastlinkes Verhalten“ bei den Christdemokraten“, die „Ostgebiete“ oder etwa „Asyl-und Ausländerpolitik“ („Invasion ist angebrochen“). Weiter: Die „Umerziehung des deutschen Volkes“ sowie das Ideengut der konservativen Wegbereiter Hitlers, von dessen faschistischer Terrorherrschaft sich diese Nadelstreifenfaschisten – was Wunder – natürlich distanzieren. Wer wissen wollte, wo die Broschüre „Ausländerintegration ist Völkermord“ zu beschaffen ist, konnte sich bis bislang im Anzeigenteil von „Die Junge Freiheit“ orientieren. Damit ist jetzt Schluss; dieser „Patzer“ wurde behoben.

Augen geradeaus! Rechts. Raus!

Augeen! Geradeeaus! Rechts! Raus!

Die Botschaften sind oft dreist, meist dumm aber hin und wieder deutlich. In einem Interview mit dem ultrakonservativen „Publizisten“ und Philosophieprofessor Günther Zehm wird untermauert: Es müsse „gelingen, neben CDU und CSU auch im parlamentarischen Raum eine seriöse Rechte zu etablieren“. Heinrich Lummer, einer der seinerzeit möglichen Kandidaten für eine solche politische Formation, profiliert sich in derselben Ausgabe: Um die Kriminalität zu bekämpfen, dürfe auch das „Ableisten des Wehrdienstes bei der Polizei kein Tabu“ sein. Von einer wehrhaften Demokratie müsse man „Härte und Entschlossenheit“ erwarten können. Der ehemalige Berliner Innensenator versteht es, sowohl senile Ritterkreuzträger und Vertriebene wie auch die modernen Kader der akademischen Rechtselite in seinen Bann zu ziehen. In den Spalten der „Jungen Freiheit“ hat er seinen Stammplatz. Dort kann er dann auch schwadronieren,

"Botschaften deutlich"? Auf der Demo heute (24. Oktober) gegen Nazis in Heidelberg jedenfalls war deutlich unter anderem diese Botschaft.

„Botschaften deutlich“? Auf der Demo heute (24. Oktober) gegen Nazis in Heidelberg jedenfalls war deutlich unter anderem diese Botschaft.

die Republikaner seien nicht rechtsextrem und undemokratisch, sondern sehr wohl koalitionsfähig. Freilich haben sich die Blattmacher nicht Bierzeltdemagogie auf ihre voranflatternde Fahne geschrieben; vielmehr wird hier einer rechten Elite zum Marsch durch die Institutionen geblasen. Die Ära Schönhuber, dessen selbstherrlicher Führungsstil bereits viele aufstrebende junge Rechtskader aus der „akademischen Elite“ verprellt hat, ist längst aus der Vorbereitungsphase in eine Konsolidierungsphase marschiert, die Krise bringt es mit sich: Populisten mit vermeintlichen Patentlösungen für Arbeitslosigkeit (die sich heutzutage nicht mehr mit autobahnbauen und Kraft durch Freude lösen läßt) sind auf dem Vormarsch. Die äußeren Bedingungen für einen Erfolg des Rechtsextremismus seien unzweifelhaft gegeben, „wenn die Szene sich eint in einem gemeinsamen Bündnis unter einem neuen Führer“, analysierte der Parteienforscher Prof. Richard Stöß in einem Interview.

Demonstrieren und - früh übt sich - dokumentieren. Felix mit Kollegen beim nazifilmen für you tube …

Demonstrieren und – früh übt sich – dokumentieren: Finn und Benjamin beim Anti-Nazi-Demo-Filmen für „you tube

Den neuen Führer haben die Nazis noch nicht, wohl aber geheime Gruppen, die sich derweil mit einer Liste von Bürgern und Gruppen beschäftigen, die sich gegen den anwachsenden Neofaschismus wenden. Hierin wird zu Gewalttaten gegen die aufgeführten Personen, Zeitungen, Zentren, Lokalen und Organisationen aufgerufen. „Versorgen“ heißt die Umschreibung der geplanten Verbrechen, die erst aufhören sollen, wenn „die endgültige Zerschlagung von Anarchos, Rot-Front und Antifa sowie die Ausschaltung aller destruktiven antideutschen und antinationalen Kräften“ erreicht ist – deren Einer ich zu sein versuche!

Die "scharzen Blocks haben sich erfreulicherweise überlebt. So kam es weder zu Steine oder Flaschenschmeißereien aus der fünften Reihe, noch zum Geschrei: "Deutsche Poliziiiisten, schüzen die Faschiisten"

Die „scharzen Blocks“ haben sich erfreulicherweise überlebt. So kam es weder zu Stein- oder Flaschenschmeißereien aus der fünften Reihe, noch zum Geschrei: „Deutsche Poliziisten, schützen die Faschiisten“

„Medienmacher“ werden (noch können wir damit leben) in der Liste der Neonazis pauschal bedroht: „Auch ihnen wollen wir unruhige Nächte bescheren und nicht zuletzt den gleichredenden Inquisitoren der bundesrepublikanischen Denkfabriken, dem Berufsstand der Journalisten. „Wir müssen abwarten, wie sich ihr Verhalten zukünftig entwickeln wird, wenn sie wissen werden, dass wir wissen, wo und mit wem sie arbeiten, wo sie ihren Urlaub verbringen und welche Interessen ihre Freizeit ausfüllen.“

Soweit Zitate aus jenen „Listen“. Schlenker nach Mannheim zur 6. Kammer im Landgericht: Sollten solche von Rechten erstellte Listen gar auch über Richter kursieren ? Sollte Orlet (der den NPDisten Deckert aus Weinheim Bewährung eines von ihm diagnostizierten guten Sozialverhalten wegen gewährte) vielleicht nur Angst vor den Rechten und deren Anwälten gehabt haben? Schlechter Scherz beiseite. Wir aber haben in dieser Angelegenheit Anzeige erstattet! Weil: Auch Medienmacher sollten endlich ihre (meist? ungewollte) Rolle des Mitmachens bei neonazistischer Propaganda überwinden! Und: Notwendig ist, die Auseinandersetzung mit allen Antifa-Antifa-Kampagnen; häufig erweisen die sich nämlich als Pro-Faschismus-Kampagnen, getarnt als „Auseinandersetzung mit rechts und links“ oder als „Antitotalismus“. Aber: Auch diesmal haben sie es nicht geschafft, ihren Marsch durch Heidelberg zu erzwingen. Nota bene sollten sie – weil ein „Durch-Lauf“  ja eigentlich die Lächerlichmachung dieses Haufens erst richtig deutlich gemacht hätte – ihren Gegen-Demonstranten dafür dankbar sein,  für nämlich das nicht noch deutlichere Sichtbarmachen ihrer Lächerlichkeit. Die „Nazis raus Demonstranten“ jedenfalls blieben, bis auch der Letzte der braunen Horde seine Sachen packte und klammheimlich verschwand.

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Alle Fotos:  Jürgen Gottschling

Okt. 2015 | Allgemein, Essay, Junge Rundschau, Politik, Zeitgeschehen | 6 Kommentare