Das internationale Musikfestival „Heidelberger Frühling“ feiert vom 2. bis zum 30. April 2016 seinen 20. Geburtstag. Dass diese Wegmarke mit einem Aufbruch verbunden ist, lässt sich nicht nur am neuen Design des gerade erschienenen Programmbuchs ablesen. Auch programmatisch wartet das Festival im kommenden Jahr mit Neuerungen auf, u.a. mit zwei hochkomprimierten Themenwochenenden, dem „Neuland.Lied“und dem Kammermusikfest „Standpunkte“. Zudem hat der „Frühling“ im Geburtstagsjahr zwei befreundete Festivals eingeladen, Heidelberg als Plattform für herausragende neue Produktionen und Projekte zu nutzen: Thomas Wördehoff von den Ludwigsburger Schlossfestspielen hat unter dem Titel „Verklärte Nacht“ einen Abend konzipiert, bei dem Schönbergs Streichsextett auf die abgeklärte Schwermut der großen Bluessongs trifft (Premiere: 8. April). In der multimedialen Konzerterzählung „Szenen der Frühe“ machen der „Heidelberger Frühling“ und das PODIUM Festival Esslingen Robert Schumann, der in Heidelberg seinen 20. Geburtstag feierte, zum Gegenstand einer Koproduktion, die als Kammermusikabend beginnt und nach und nach multimedial aus den Fugen gerät. Dabei ist die Erkrankung Schumanns Ausgangspunkt für die am Ende jedermann betreffende Frage, was ein gelungenes Leben ausmacht (Premiere: 13. April).

Damit die eingeladenen Freunde immer – wie immer – vor „vollem Haus“ spielen, stellte Frühlingsintendant Thorsten Schmidt gerade das nächste Programm vor. Bild: Philipp Rothe
Zum Geburtstag lädt man Freunde ein, und so sind beim „Heidelberger Frühling“ 2016 zahlreiche Wegbegleiter zu hören, die die Entwicklung des Festivals in den vergangenen Jahrzehnten mitgeprägt haben. Dazu zählen der Bariton Thomas Hampson, der Klarinettist und Komponist Jörg Widmann und der Pianist Igor Levit, die mit dem Cellisten Daniel Müller-Schott und dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg das Eröffnungskonzert bestreiten. Als weitere „Stammgäste“ kommen u.a. die Cellistin Sol Gabetta, der Pianist Fazıl Say, der Perkussionist Martin Grubinger und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen.
Neben der Lied Akademie und dem „Lied.Lab“ ist „Neuland.Lied“ ein weiterer Programmbaustein, mit dem der „Heidelberger Frühling“ diese Kunstform aus der Umklammerung veralteter Kategorisierungen und Rezeptionsformen lösen möchte: Zur Eröffnung singen Thomas Hampson und Stipendiaten der Lied Akademie „Des Knaben Wunderhorn“ in Vertonungen verschiedener Komponisten, zum Abschluss gibt es Jazz mit Thomas Quasthoff. Die übrigen 15 Veranstaltungen loten die Bandbreite dazwischen aus. Neben klassischen Liederabenden (Klaus Florian Vogt, Martin Mitterrutzner etc.) gibt es u.a. ein für den „Frühling“ konzipiertes Konzert der Sopranistin Chen Reiss und des Mandolinisten Avi Avital mit Kompositionen von Manuel de Falla, Gabriel Fauré, Maurice Ravel und anderen, die von unterschiedlichster Volksmusik inspiriert sind. Unter dem Titel „Songs without Words“ sind Lieder von Kurt Weill und Tom Waits zu hören, arrangiert für Posaune, Schlagzeug und Klavier. „Das neue Wunderhorn“ widmet sich zeitgenössischen Liedern – u.a. von Alumni der Heidelberger Komponisten-Akademie – mit alltäglich-volksliedhaften Texten für die Besetzung Stimme und Schlagzeug. Und bei „Black is the Colour“ treffen englische Lieder des 17. Jahrhunderts von Dowland und Purcell auf elektronische Ummantelungen und Verfremdungen.
Die große Tradition Heidelbergs als Liedstadt soll das Projekt „Lieder in den Häusern der Stadt“ ins Bewusstsein rücken. Zeitgleich zu einem öffentlichen Wandelkonzert in den schönsten Salons Heidelbergs laden Privatleute in ganz Heidelberg zu Hauskonzerten ein, bei denen gesungen werden kann, was Freude macht. Fortgesetzt werden außerdem die Lied Akademie unter Leitung von Thomas Hampson, diesmal mit den weiteren Dozenten Brigitte Fassbaender, Wolfram Rieger und Graham Johnson, sowie das „Lied.Lab“. Bei dieser vom Kulturhaus Karlstorbahnhof kuratierten Reihe machen die einsamen Künste des Liedermachens und des literarischen Schreibens gemeinsame Sache. Zu Gast sind u.a. die Schriftsteller Michael Kolain, Carolin Callies und Julia Wolf sowie der Songwriter Marcel Gein.
Mit dem Bariton Christian Gerhaher wird 2016 ein Sänger auch mit dem Musikpreis des „Heidelberger Frühling“ ausgezeichnet. Dieser ist mit 10 000 Euro dotiert – gestiftet vom Gründungspartner HeidelbergCement – und geht jährlich an eine Persönlichkeit, die sich substanziell und nachhaltig für die Vermittlung von klassischer Musik einsetzt. Übergeben wird die Auszeichnung zum Abschluss der mittlerweile vierten Heidelberg Music Conference, die am 27. und 28. April als Branchentreffpunkt wieder eine Plattform für Festivalmacher und Konzertveranstalter bietet.
Die Kammermusik ist – neben dem Lied – als intime, gesellige, emotional dichte Ausdrucksform die musikalische Gattung der Romantik und gehört somit zum Kern des „Frühling“ in Heidelberg. Neben Konzerten mit Größen wie dem Fauré Quartett (Uraufführung eines Klavierquartetts von Toshio Hosokawa), dem Pianisten Arcadi Volodos und der Geigerin Tianwa Yang gibt es erstmals das Kammermusikfest „Standpunkte“. Das lange Wochenende mit 13 Veranstaltungen vom 21. bis 24. April dreht sich um das Thema des Meisterwerks: Wie inspirieren zukunftsweisende Kompositionen der Vergangenheit die musikalische Gegenwart? Außerdem kommen Werke der drei Kompositionsstipendiaten der Festival Akademie zur Uraufführung. Als Interpreten sind auch Mentoren der Kammermusik Akademie zu hören: die Cellisten Daniel Müller-Schott und Isang Enders, der Geiger Marc Bouchkov, der Klarinettist Julian Bliss und der Pianist und Künstlerische Leiter der Kammermusik Akademie Igor Levit.
Die Kammermusik Akademie direkt vor dem Kammermusikfest „Standpunkte“ behandelt an drei Tagen drei unterschiedliche Themen in Konzerten und musikalischen Workshops. Auch hier kann sich das Publikum mit der Frage nach wesentlichen, unverzichtbaren Meisterwerken beschäftigen. Der erste Tag widmet sich Bachs Goldberg-Variationen und seiner „Kunst der Fuge“ (Mentor: Marc-André Hamelin), der zweite Olivier Messiaen und seinem „Quatuor pour la fin du temps“, der dritte Tag der Kammermusikliteratur für Klarinette, darunter die Trios und Quintette von Mozart, Weber, Brahms und Rihm.
Vernetzt mit dem Akademiebereich Kammermusik findet nicht nur der Akademiebereich Komposition, sondern auch die Akademie für Musikjournalismus statt, die von FAZ-Redakteurin Eleonore Büning geleitet wird. Im Zentrum steht dabei der Austausch zwischen Autoren, Künstlern und Programmmachern über Musik, aber auch über die sich verändernde Kultur- und Medienlandschaft. Darüber hinaus bilden sich die jungen Profijournalisten weiter in journalistischen Online-Techniken, besuchen eine „Schreibwerkstatt“ und lernen die spezifischen Anforderungen des Lokaljournalismus sowie des Schreibens über Neue Musik kennen. Öffentlich tritt dieser Akademiebereich durch Journale in Erscheinung, die während des Festivals bei den Konzerten ausliegen, sowie durch eine öffentliche Aufzeichnung der Radiosendung „SWR2 Forum“, eine Diskussionsrunde zum Thema „Gute Noten – schlechte Noten … Wer braucht noch die Musikkritik?“, die von Ursula Nusser geleitet wird, und ein „Quartett der Kritiker“.
Konsequent setzt der „Heidelberger Frühling“ auch seine Beschäftigung mit unkonventionellen Präsentationsformen, Formaten und Genre-Grenzgängen fort. Neben dem Projekt „Szenen der Frühe“ stehen hierfür die „MLP Late Night Lounge“, und die „After Work Concerts“, die die ritualisierte Atmosphäre klassischer Konzerthäuser bewusst aufbrechen, sowie die Reihe „Off-spring“, die Künstler einlädt, Räume abseits des klassischen „Frühling“ auszuloten. Zu hören sind in dieser Reihe unter anderem das Taksim Trio, das vision string quartet und ein Composer Slam.
Im Educationbereich ist schließlich ein neues Großprojekt der mit einem ECHO Klassik ausgezeichneten „Classic Scouts“ bemerkenswert: Die jugendlichen Botschafter der Klassik gehen gemeinsam mit dem Londoner Vokalensemble Voces8 in die Schulen in und um Heidelberg und möchten rund 200 Schüler für Musik und das Singen begeistern. Die Ergebnisse des mehrtägigen Workshops werden dann in einem Konzert im großen Saal der Stadthalle der Öffentlichkeit präsentiert.
Bereits vom 28. bis zum 31. Januar findet das Streichquartettfest in Heidelberg statt. Seit über zehn Jahren schafft das kleine Festival eine Atmosphäre der konzentrierten Entschleunigung, des Miteinanders von Künstlern und Besuchern, des Eintauchens in die Beschäftigung mit der Gattung Streichquartett. Auf dem Programm stehen acht Konzerte, drei Workshops sowie drei Vorträge und Gesprächsrunden, die von den Quartetten Hermès, Schumann, Minetti, Aris und Escher, vom Geiger Oliver Wille, dem Cellisten Eberhard Feltz und dem Journalisten Jörg Tröger gestaltet werden. Dabei geht es 2016 um die Phänomene des Früh- und Spätwerks. Live vom Streichquartettfest sendet das Musikmagazin „SWR2 Cluster“.
Finanziert wird der „Heidelberger Frühling“ erneut durch eine ausgewogene Mischung aus Förderungen durch Privatpersonen und Unternehmen, Zuschüssen der Stadt Heidelberg und des Landes Baden-Württemberg und Einnahmen aus dem Kartenverkauf. Unter den Förderern sind zuvorderst der Freundeskreis Heidelberger Frühling e.V., der Haupt- und Gründungspartner HeidelbergCement sowie als weitere Hauptpartner der Finanz- und Vermögensberater MLP und das Biotechnologieunternehmen Octapharma zu nennen. Neu als Förderer hinzugekommen sind das Bauunternehmen Goldbeck, die Epple Holding GmbH, Heidelberg Engineering GmbH, die Evangelische Stiftung Pflege Schönau und der Landtechnikhersteller John Deere. Größter privater Mäzen ist Dr. Manfred Lautenschläger mit seiner gleichnamigen Stiftung, hinzu kommen die dem „Heidelberger Frühling“ seit langem verbundene Klaus Tschira-Stiftung, die Athenaeum Stiftung und die Viktor und Sigrid Dulger Stiftung sowie musikliebende Privatpersonen wie Dr. Renate Keysser-Götze und Dr. Dietrich Götze, Dr. Jobst Wellensiek, Dr. Manfred Lamy, die Familie Bruder, Drs. Karin und Peter Koepff sowie Dr. Manfred Fuchs. Der Europäische Hof Heidelberg ist auch 2016 das Künstlerhotel des „Heidelberger Frühling“. Für das mit dem ECHO Klassik ausgezeichnete Jugendprojekt „Classic Scouts“ setzt sich bereits im achten Jahr SAS Institute ein, und die Festival Akademie wird von der Stiftung Heidelberger Frühling ermöglicht. Die Festival Akademie und das Streichquartettfest verdanken ihre Realisierung der Kooperation mit der Universität Heidelberg und der pädagogischen Hochschule Heidelberg. Eine begleitende Berichterstattung ist auch im kommenden Jahr durch die langjährigen Medienpartner Rhein-Neckar-Zeitung, SWR2 und Deutschlandradio Kultur gesichert.
Karten sind ab Montag, den 19. Oktober 2015 unter Tel. (06221) 584 00 44 und deutschlandweit an allen bekannten Vorverkaufskassen erhältlich, unter anderem bei allen Geschäftsstellen der Rhein-Neckar-Zeitung. Das komplette Programm und Online-Kartenbuchungen