Die erste Schauspielpremiere in dieser Spielzeit startet am Donnerstag, 01.Oktober, um 20.00 Uhr im Zwinger1 mit dem Stück von Dea Loher „Unschuld“.
Die blinde ‚Absolut‘ tanzt jung und schön für Männer, deren Blicke sie nur spüren kann. Der Bestattungsunternehmer ‚Franz‘ liebt seine Leichen mehr als seine Frau. Deren diabeteskranke Mutter namens ‚Zucker‘ hegt ihre Amputationen und träumt davon, Tankstellen anzuzünden. ‚Frau Habersatt‘ sucht reuig Vergebung für Taten, die sie gar nicht begangen hat. Der stumme ‚Helmut‘ schweigt still, während seine Frau professionell über die Unzulänglichkeit der Welt philosophiert. Gleich in der allerersten Szene sehen ‚Elisio‘ und ‚Fadoul‘, zwei illegale Einwanderer, tatenlos zu, wie eine Frau im Meer ertrinkt. Sie alle sind sich keiner Unschuld bewusst – und eröffnen voll gesellschaftlicher Poesie die testamentarischen Fragen nach Schuld und Sühne, die Dea Loher zielsicher inmitten der glaubensarmen Unübersichtlichkeit der Gegenwart platziert.
Mit „Unschuld“ hat eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Dramatikerinnen ihrer Generation einen Theatertext geschrieben, der mit intelligenter Lust und sensibler Wucht die großen Fragen des Lebens aufwirft. Ihre schrägen und liebenswerten Figuren verfehlen gekonnt ihr eigenes Leben – und würden trotzdem niemals auf die Idee kommen, die Hoffnung aufzugeben. „Unschuld“ wurde erstmals 2003 von Andreas Kriegenburg am Hamburger Thalia Theater inszeniert.

Bei der Heidelberger Neuinszenierung führt Brit Bartkowiak, die von 2009 bis 2013 als Regieassistentin am Deutschen Theater Berlin ihre Theaterarbeit startete, Regie – wo sie u. a. mit Dimiter Gotscheff, Nicolas Stemann, Stefan Pucher, Stephan Kimmig und Tom Kühnel/Jürgen Kuttner arbeitete. Am Schauspielhaus Düsseldorf inszenierte sie 2012 die Deutschsprachige Erstaufführung von „Swchwrm“ nach Toon Tellegen und Guy Cassiers. Am Deutschen Theater Berlin führte sie u. a. bei „Arm durch Arbeit“ Regie. Ebenso inszenierte Brit Bartkowiak „Der Goldene Drache“ von Roland Schimmelpfennig, „Yellow Line“ von Juli Zeh und Charlotte Roos sowie die Uraufführung von „Muttersprache Mameloschn“ von Marianna Salzmann. Die Produktion war für den Preis der Mülheimer Theatertage 2013 nominiert und gewann den Publikumspreis. In der Spielzeit 2014│15 arbeitete Brit Bartkowiak als Regisseurin u. a. am Deutschen Theater Berlin, am Staatstheater Mainz, am Volkstheater München, am Deutschen Theater Göttingen und am Stadttheater Ingolstadt. In der Spielzeit 2015│16 ist mit „Unschuld“ zum ersten Mal eine Arbeit von ihr am Theater und Orchester Heidelberg zu sehen.

In der Heidelberger Inszenierung sind Florian Mania und Fabian Oehl als die beiden illegalen Einwanderer zu erleben. Weiterhin spielen u. a. Nicole Averkamp, Sheila Eckhardt (neu im Ensemble), Katharina Quast, Hendrik Richter – sowie Karin Nennemann, die dem Heidelberger Publikum bereits aus „These little town blues are melting away“ bekannt ist und an zahlreichen großen Häusern – wie Stuttgart, Hamburg, Darmstadt und Kassel – aktiv war.

Die Autorin Dea Loher studierte Germanistik und Philosophie in München. Anschließend verbrachte sie ein Jahr in Brasilien. 1990 absolvierte Loher den Studiengang ‚Szenisches Schreiben’ bei Heiner Müller und Yaak Karsunke, (HdK Berlin). Das Stück „Das Leben auf der Praça Roosevelt“ von ihr, 2004 Regie ebenfalls Kriegenburg, war auf Festivals in Sao Paulo, Porto Alegre und Rio de Janeiro zu erleben. Die Autorin schrieb bisher zahlreiche Stücke, wie u. a. „Tätowierung“, „Olgas Raum“, „Adams Geist“, „Klaras Verhältnisse“, „Diebe“ und „Gaunerstück“. Ebenso verfasste sie das Libretto „Licht, Oper, Musik“. Als Prosawerke erschienen von ihr „Hundskopf“ und „Bugatti taucht auf“.  Sie erhielt diverse Preise und Auszeichnungen, so u. a. den Berliner Literaturpreis der Stiftung Preußische Seehandlung (überreicht durch Klaus Wowereit), den Jakob-Michael-Reinhold-Lenz Preis, den Mülheimer Dramatikerpreis, den Bertolt-Brecht-Preis sowie den Marieluise-Fleißer-Preis. Seit 2013 ist Dea Loher Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Weitere Informationen und Tickets: www.theaterheidelberg.de

Sep 2015 | Heidelberg, Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau | Kommentieren