Derweil er dem Bildungsbürger – ungemach schnell – zum Outsider geworden war, schien er den Kleinbürgern alsbald ein Bourgeois zu sein – wobei er sich keines der ihm offenen Wege bediente: Er hätte schnell zugrunde gehen können, hätte ihn die materialistisch-bürgerliche Gesellschaft als unbrauchbares Glied einfach absterben lassen. Auch zum Clown und Unikum der Heidelberger Gesellschaft hätte er werden können, erlaubte die sich den Luxus solcher Existenz in ihrem Schoß. Sie tat es, auch wenn sie über ihn oft genug meinte, den Kopf schütteln zu müssen:
Banalitäten & Binsenweisheiten & eben drum: „sapere aude“ – „wage zu wissen“
Kants Forderung lautet: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Jedoch macht sich auch heute kaum mehr einer auch nur auf den Weg. Stattdessen haben wir es immer noch mit Sklaven zu tun, die sich für Herren halten und die in einer Sprache von universeller Reichweite mit den zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Fesseln eine Stütze ihrer Knechtschaft suchen und finden. Nichts ist leichter, als der Feigheit und Faulheit zu folgen und nachzureden, was vorgebetet wird. Nur zu bereitwillig gleitet „der Geist, der stets verNEINt“ in eine Banalität, die als Metamorphose – wir haben es oft genug erlebt – alsbald zur Banalität des Bösen mutieren kann.
Nur der Stachel des Denkens, die ruhige Kraft des Möglichen und die erkannte Gefahr einer nicht mehr allzufernen, doch tödlichen Verkalkung könnten uns – die wir in unserem Wohlstand eingeschlafen sind – noch aufwecken.
Heidelberger Geist: Eingeklemmt?
Dumpfbackigkeit bereitet heute wieder eine Landschaft ohne Mehrdeutigkeit vor uns aus, wo gewogen und etikettiert wird und jedes Ding seinen Platz hat. In Heidelberg – sind wir doch schließlich Universitätsstadt – bedient sich diese idiotische Apokalypse des gehobenen Tons und des radikalen Anspruchs. Doch die zwischen Heiligenberg und Königstuhl ein- und verklemmte Abziehbilder-Landschaft (die auch den „lebendigen Geist“ oft genug beschädigt hat), ist eine Welt – jedem nach seinen Bedürfnissen, jedem nach seinen Fähigkeiten – des tumben Abklatsches. Läßt sich der Kreis durchbrechen?
Können wir Blödheit in ihrer offenkundigen Eigentümlichkeit erfassen, ohne uns gleich im Besitz einer höheren Weisheit zu wähnen? Sokrates, er ist aktuell wie zu seinen Lebzeiten: Er stachelt auf, verlockt zum Nachdenken, reizt zur Ehrlichkeit, hinterfragt, erzieht zum Ungehorsam; wir tun es ihm nach und seine Epigonen werden an dieser Stelle immer und immer wieder – verlasst Euch drauf – gegen konzessionierten Stumpfsinn, kollektive Verblödung und fleischgewordene Selbstgerechtigkeit angehen! Und, wenn da vom Zusaammenschluss einiger „Inis“ (Initiativen) – bei uns generieren sie sich als der Geist, der stets verNEINt – meinen, ungestraft Blockwartdenken fordern und fördern zu dürfen, dann nennen wir das, und da mögen jene noch so sehr darüber jaulen, faschistoid.
Wehret den Anfängen? Wir jedenfalls legen den Finger in die Wunde und werden die doch längst schon wieder währenden Anfänge bekämpfen! Versprochen …
Narrenspiegel für Kleingeister
Sokrates hat erkannt, und – insofern, als er das (auch) die Jugend gelehrt hat (wir sind nicht bereit, den auch uns oft genug angebotenen Becher auch nur an – geweschweige zu uns nehmen) – darunter bis hin zum Schierlingsbecher gelitten, dass die träge Dumpfheit der Allgemeinheit sich selber auffrißt und sich in ein Gespinst von Widersprüchen verstrickt, die wir uns heute gern in bewundernswertem Optimismus als selbstzerstörerisch wünschen möchten.
Der Schluss liegt nahe, dass Sokrates, dass dessen Epigonen und deren Bewunderer stets – so das Lachen nicht im Halse steckenblieb – nur über die anderen gelacht haben, derweil die „Gesellschaft“ gegen jene „Außenseiter“ (g)eifert, sie verspottet, tadelt und straft – es jedenfalls versucht. Spottlustiger Geist aber muss sich im Umkehrschluss auch in Heidelberg jenes Kleingeistes bedienen dürfen, der nötig ist, um KleingeisterInnen und anderen so einen Spiegel vorzuhalten, sie mal schelmisch, mal polemisch – dies Recht bleibe unbenommen – als tumbkasperale Figuren zu entlarven. Aber, natürlich, dürfen Heiterkeitsausbrüche darüber jene heute nicht mehr aus dem Gemeinwesen vertreiben, zeugt doch die Lächerlichkeit einzelner Mitbürger von den Krankheiten des Gemeinwesens selbst und wird zum Indiz für die allgemeine Morbidität. Geist kann sich hier nach Herzenslust austollen und verschont weder sich selbst noch und erst recht nicht das, was ihn vergnüglich stimmt …
Was nun? Was tun?
Vernunft und Gesellschaftskritik sind miteinander verwoben, es war die Kritik an einer starren Begriffs- und Handlungspraxis der Polis und des Einzelnen bereits zu Anfang der europäischen Vernunftgeschichte (nicht nur) von Sokrates geübt worden. Es gilt, diese Gedanken mit Hirn und Bauch, mit Herz und Hand weiter zu spinnen und dabei gelassen zu unterscheiden, was in unserer Hand liegt. Und was nicht, das natürlich auch! Und verweisen auf die von der Rundschau gegründete „Veritanische Akademie“
28.Sep..2015, 14:42
Im „in vino veritanischen Beitrag“ wird ein merkwürdiger Zusammenhang konstruiert: Ich lese da, dass „der Geist, der stets verNEINt in eine Banalität, die als Metamorphose – wir haben es oft genug erlebt – alsbald zur Banalität des Bösen mutieren kann“.
„Banalität des Bösen“ ist bekanntlich ein Terminus der Faschismusforscherin Hannah Arendt, und der Begriff war gemünzt auf Adolf Eichmann, den so „normalen“ Bürokraten des Todes. Was für ein Satz also.
Ist es vielmehr nicht doch so, dass es deutsche geschichtliche Erfahrung ist, dass der Geist der stets bejaht, die Tendenz hat, Unheil heraufzubeschwören?
Ich glaube, es ist kaum von der Hand zu weisen, dass die Deutschen, das deutsche Volk, mehrheitlich ja gesagt hat zum Ersten Weltkrieg, zum Zweiten Weltkrieg und auch zur sichtbaren Ausgrenzung oder gar Vernichtung von Juden und anderen Menschen, die damals als „minderwertig“ angesehen wurden (Roma, Behinderte, Intellektuelle, Asiaten, Latinos, Schwarze, usw.).
Über die Gründe der Zustimmung (Hass, Desinteresse, Angst usw.) mag man ja sinnieren, aber phänomenologisch ist dies doch wohl ziemlich klar.
Niemand hat uns am Anfang Hitler aufgezwungen! Es wurde ja gesagt. „Mein Kampf“ war ziemlich bekannt. Der Nein-Sager waren es zu wenige. Das war unsere Crux! Auch bei Beginn des ersten Weltkriegs stimmten nur wenige Abgeordnete gegen die Bewilligung der Krigeskredite, das deutsche Volk jubelte im bellizistischen Rausch Kaiser Wilhelms II.
Wenn nun also im deutschen bzw. sogar Heidelberger Kontext plötzlich die (steten) Verneiner in den Windschatten des Faschistoiden und gar Faschistischen gestellt werden, so erinnert mich das ein bisschen an den unseligen Ausspruch des frühen Heiner Geißler, wonach die Pazifisten Auschwitz erst möglich gemacht hätten. Gott sei Dank hat der Mann im Alter dazu gelernt.
Wehret den Anfängen? Ja d´accord, natürlich, aber mit etwas mehr Fairness, Augenmaß und Sokrates bitte. Sonst macht man es sich auf fatale Weise zu einfach.
Aber vielleicht sollte ja auch nur provoziert werden.
Beste Grüße
Fritz Feder
28.Sep..2015, 14:51
Ja doch, Fritz Feder: Provzieren“ – wenn es denn der Wahrheitsfindung dient? Aber doch immer!
Und, ist es nicht aber doch eigentlich so, dass es mehr als keinen Unterschied ausmacht, ob eben jene Heidelberger NEIN-Sager gemeint sind, die – obgleich sie („natürlich auch für die Stadt am Fluss“) mit „Ja“ kokettieren – jedoch mit sowohl fadenscheinigen als auch verlogenen „Argumenten“ dennoch gegen den unabdingbar dafür nötigen Tunnel zu Felde ziehen – weil „die Bürgerlichen“ dafür sind? Zudem schrieb ich: „Mutieren kann“!
Der Neinsager gegen den Faschismus (das war für diesmal nicht mein Thema) gab es in der Tat zu wenige. Gebetsmühlenartigen alles Verweigernde NEINsager hingegen, die haben wir hier in Heidelberg zum Kotzen zu viel!
Ja, zwar polemisiere ich, aber in der Regel jedenfalls nicht n u r, um zu provozieren – das läßt sich hier oft genug lesen.
Aber auch der Erbauung sei hin und wieder das Panier, es sei hier mit einer passenden wie ich meine Sequenz aus Goethe’s Faust getan:
Gruß mit Goethe,
Jürgen Tenno Gottschling
Nun gut, wer bist du denn?
Ich bin ein Teil von jener Kraft,
die stets das Gute will und stets das Böse schafft.
Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
mein eigentliches Element.
Nun gut, wer bist du denn?
Ich bin ein Teil von jener Kraft,
die stets das Böse will und stets das Gute schafft. (Letzters glaubt die sogenannte Linke im Gemeinderat ja auch, das wir glauben sollen …)
Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
mein eigentliches Element.