Angelus Novus ist eine von Paul Klee 1920 geschaffene aquarellierte Zeichnung aus Tusche und Ölkreide auf bräunlichem Papier. Das Blatt befindet sich seit 1989 im Israel-Museum in Jerusalem. Es ist insbesondere durch Walter Benjamin bekannt geworden, der mehrere seiner Schriften auf das Bild bezog.

Angelus Novus ist eine von Paul Klee 1920 geschaffene aquarellierte Zeichnung aus Tusche und Ölkreide auf bräunlichem Papier. Das Blatt befindet sich seit 1989 im Israel-Museum in Jerusalem. Es ist insbesondere durch Walter Benjamin bekannt geworden, der mehrere seiner Schriften auf das Bild bezog.

Der katholische Pfarrer der beiden Heidelberger Gemeinden St. Raphael und St. Vitus war schon immer für außergewöhnliche Predigten zu aktuellen Ereignissen gut. Am  Sonntag (27. September) kommt er über Paul Klees Zeichnung „Angelus Novus“ und Walter Benjamins Deutung des Bildes „Neuer Engel“ hin zum derzeit brennenden Thema „Geflüchtete Menschen“ – das ja in der Tat sich durch die Bibel wie ein roter Faden zieht. Steigen wir ein mit der Benjaminschen Bilddeutung aus: „Über den Begriff Geschichte,“ die Josef  Mohr inmitten seiner Predigt wörtlich zitiert:

„Es gibt ein Bild von Paul Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flägel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber der Sturm weht vom

Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann.. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“

Gilt das nicht auch für den Sturm, den manche „Flüchtlingswelle, Flüchtlingsschwemme, Flüchtlingskatastrphe nennen? Ich bringe diesen Sturm in diesem Jahr mit Paul Klee und Walter Benjam in und mit dem Erzengel Raphael – unserem Kirchenpatron – in Verbindung. Immer wieder werde ich darauf angesprochen, ob ich dazu nichts zu sagen hätte, wo doch die Bibel voll ist von Flüchtlingsgeschichten und unmissverständlichen Handlungsanweisungen diesbezüglich.

Ich muss gestehen, dass ich bislang hilflos und vor allem ratlos und darum froh darüber war, dass sich die „Profis“ von Caritas und Diakonie hierin Heidelberg im Namen derr Kirche der Flächtlinge annehmen, und sich auch viele Christen ehrenamtlich dieser Not annehmen. Hier bei uns in Neuenheim, auf einer „Insel der Seligen“, sind wir bislang verschont geblieben; umso größer scheinen die Ängste und Befürchtungen zu sein, die ich durchaus verstehen, besser: nachempfinden kann.

41z4nFzCNiLUnd da macht mich ein „Gläubiger Atheist“ (sic: got), mit dem ich befreundet bin, auf ein schmales Büchlein aufmerksam, das sich bei näherem Hinsehen als ein geradezu prophetischer Weckruf erweist. Verfasst von einem gläubigen katholischen Journalisten von der Süddeutschen Zeitung, dem vormaligen Juristen und Richter Heribert Prantl:

„Im Namen der Gerechtigkeit: Rettet die Flüchtlinge“ heißt sein leidenschaftliches Plädoyer:

„Es ist Zeit, die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu beenden!“ heißt es da. Heribert Prantl ist kein ideologischer Vereinfacher, aber ein glühender, durchaus parteiischer, eben prophetischer Verfechter christlicher, kirchlicher Einmischung und verweist immer wieder auf die Bibel, die „ein Flüchtlingsbuch“ sei: „Die Aufnahme von Flüchtlingen ist in biblischen Erfahrungen tief verwurzelt. Eine der ältesten Rechtsnormen, das alttestamentliche Fremdenrecht ist bei den europäischen Regierungen in Vergessenheit geraten.“ Ich würde gern noch mehr daraus zitieren, belasse es aber bei der Zusammenfassung auf dem Umschlag:

„Es ist Zeit, die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu beenden. Menschen fliehen, weil in ihrer Heimat die Hölle los ist. Und Europa schützt seine Grenzen, aber nicht die Flüchtlinge. Das Mittelmeer ist ein Friedhof geworden. Heribert Prantl hat ein leidenschaftliches Plädoyer geschrieben – gegen die Abschottung Europas und für ein radikales Umdenken in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik.

Im dritten Teil stellt Josef Mohr das „Raphaelswerk“ vor, das 1871 als „Verein zum Schutz Katholischer Auswanderer“ gegründet worden war und merkt an, dass sich mittlerweile diese Einrichtung auch um jene Menschen kümmere, die aus dem Ausland zu uns (!) fliehen. Am Ende zitiert der Pfarrer das (auch von Heribert Prantl aufgenommene) 1944 geschriebene Gedicht von Werner Bergengruen unter der Überschrift „Die letzte Epiphanie“ – das wir Ihnen (zwar) nicht vorenthalten mögen, was Sie (aber) nicht daran hindern möchte, dies Büchlein zu erwerben, zu lesen und in Ihrem Herzen zu bewegen!

Ich hatte dies Land in mein Herz genommen,
ich habe ihm Boten um Boten gesandt.
In vielen Gestalten bin ich gekommen.
Ihr aber habt mich in keiner erkannt.

Ich klopfte bei Nacht, ein bleicher Hebräer,
ein Flüchtling, gejagt, mit zerrissenen Schuh‘n.
Ihr riefet dem Schergen, ihr winktet dem Späher
und meintet noch, Gott einen Dienst zu tun.

Ich kam als zitternde, geistesgeschwächte
Greisin mit stummen Angstgeschrei.
Ihr aber spracht vom Zukunftsgeschlechte
und nur meine Asche gabt ihr frei.

Verwaister Knabe auf östlichen Flächen,
ich fiel euch zu Füßen und flehte um Brot.
Ihr aber scheutet ein künftiges Rächen,
ihr zucktet die Achseln und gabt mir den Tod.

Ich kam, ein Gefangener, als Tagelöhner,
verschleppt und verkauft, von der Peitsche zerfetzt.
Ihr wandtet den Blick von dem struppigen Fröner.
Nun komm ich als Richter. Erkennt ihr mich jetzt?

„Die letzte Epiphanie“ wurde der folgenden Gedichtsammlung entnommen: Werner Bergengruen – Meines Vaters Haus © Arche Literatur Verlag AG, Zürich ISBN 978-3-7160-2336-5

Sep. 2015 | Allgemein, Buchempfehlungen, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, €uropa | Kommentieren