Die umstrittene Karikatur in Charlie Hebdo

Die umstrittene Karikatur in Charlie Hebdo

Der Chefredakteur des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ hat Karikaturen seiner Zeitung zum Tod des Flüchtlingsjungen Aylan verteidigt. Ein Bild zeigt auf der Rückseite des Magazins das ertrunkene Kind neben einer McDonalds-Werbung für Kindermenüs unter der Überschrift: „So nah am Ziel …“

Zeichnungen machten sich nicht über den Tod des Kindes lustig, sagte Gérard Biard bei der Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium in Potsdam. „Satire muss einen Schock provozieren.“ Ansonsten sei es keine gute Karikatur.

Die Veröffentlichung der Karikaturen zu dem ertrunkenen Flüchtlingsjungen aus Syrien hatte eine Kontroverse hervorgerufen. Vor allem in sozialen Netzwerken gab es viel Kritik. Biard sagte, man müsse mit Karikaturen nicht einverstanden sein. Er verurteilte aber Hass-Kommentare: Man könne anderer Meinung sein, aber zu Mord aufzurufen sei ein Verbrechen.

Im Tagesspiegel-Interview Joachim Huber und Christiane Peitz spricht Gérard Biard über das Lachen angesichts des Monströsen und stellt mehr als klar, dass sich die jüngst angefeindete Karikatur nicht gegen den Flüchtlingsjungen Aylan richte, sondern gegen Europas Gleichgültigkeit: „Ich würde mir gerne erklären lassen, was an dem Bild rassistisch ist. Ich kann verstehen, dass es schockiert, wie jede gute Satire. Tausende Menschen suchen Zuflucht in Europa, wir sehen hunderte Fotos mit Flüchtlingen, und es ist uns egal. Und dann sehen wir dieses eine Foto, ein perfektes Bild, ohne Gewalt, als schlafe der Junge. Ein Symbol der Gesamtsituation: Auch angesichts der Flüchtlingstragödie machen wir weiter wie bisher, stellen unsere Fast-Food-Reklame auf.“

Im Anschluss wurde die Zeitschrift mit dem Potsdamer M100 Media Award ausgezeichnet. Mit dem Preis wird das Recht der freien Meinungsäußerung gewürdigt. Auf die Zeitschrift war im Januar ein islamistischer Anschlag verübt worden, bei dem zwölf Menschen starben. Die Potsdamer Konferenz fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt.

Biard machte sich in seiner Dankesrede leidenschaftlich für die Meinungsfreiheit stark. „Charlie Hebdo“ sei zu einem weltweiten Symbol der Meinungs- und Gewissensfreiheit geworden, sagte er. „Wir wurden zu Helden.“ Aber niemand bei „Charlie Hebdo“ habe sich darum beworben, ein Held zu sein.

Es sei nicht die Rolle einer Zeitschrift und insbesondere nicht die einer Satirezeitschrift, ein Symbol zu sein, sagte Biard. „Die Überzeugungen und Werte, für die wir eintreten, sind universelle Werte und als solche gehören sie allen Bürgern dieser Welt.“ Daher sollten alle Bürger dieser Welt für sie eintreten.

Die Welt druckt die Dankesrede Gérard Biards, Chefredakteur von Charlie Hebdo, zur Verleihung des M100 Media Award in Potsdam. Respekt und Blasphemie sind sein Thema: „In einer Demokratie muss das Recht auf Blasphemie geschützt und unantastbar sein, so wie alle anderen Formen der friedlichen Anfechtung der Macht. Sie ist eine der vielen Formen der Meinungs- und Gedankenfreiheit. Sie ist ein universelles Prinzip.“

Sep 2015 | Allgemein, Junge Rundschau, Zeitgeschehen | Kommentieren