Schlaganfall: Mit einem Stent-Retriever kann ein Thrombus via Katheter aus einer Gehirnarterie mechanisch entfernt werden. (c) Covidien

Schlaganfall: Mit einem Stent-Retriever kann ein Thrombus via Katheter aus einer Gehirnarterie mechanisch entfernt werden. (c) Covidien

Computertomographie und Kathetereingriff im selben Raum bringt 20 Minuten Zeitersparnis: Neue Kombinationslösung der Firma Siemens Healthcare weltweit erstmals am Universitätsklinikum Heidelberg im Einsatz. Bei der Behandlung des Schlaganfalls zählt jede Minute. Im Universitätsklinikum Heidelberg ist nun erstmals eine Gerätekombination in Betrieb, die bei schweren Schlaganfällen die Zeit von der Diagnostik bis zum Beginn der Behandlung deutlich verkürzt. Auf Initiative der Heidelberger Neuroradiologen um Professor Dr. Martin Bendszus entwickelte die Firma Siemens Healthcare eine kombinierte Behandlungseinheit aus einem  Computertomographen (CT), an den ein mobiler C-Bogen zur Darstellung der Blutgefäße im Gehirn angeschlossen werden kann.

So ist es möglich, an Ort und Stelle einen Katheter-Eingriff vorzunehmen, um Blutgerinnsel aus den Hirngefäßen zu entfernen (Thrombektomie). Der für die Patienten mitunter belastende Transport vom CT-Raum ins Katheterlabor entfällt. Bei den ersten an dieser Gerätekombination behandelten Patienten konnten die Ärzte rund 20 Minuten Zeit einsparen – eine derzeit laufende Studie soll bald genauere Zahlen liefern.

Bei einem schweren Schlaganfall ist die Zeit bis zur effektiven Behandlung entscheidend (time is brain), da ohne Wiedereröffnung des Gefäßes pro Minute mehrere Millionen von Nervenzellen zugrunde gehen. „20 Minuten können dann schon entscheidend beeinflussen, ob der Patient schwere Behinderungen zurück behält oder weiterhin selbständig leben kann“, sagt Professor Bendszus, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuroradiologie an der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. „Wir gehen davon aus, dass diese Zeiteinsparung die Behandlungsergebnisse bei den besonders schwer betroffenen Schlaganfall-Patienten verbessert. Dies prüfen wir in der aktuell laufenden Studie mit 50 Patienten.“ Die Kosten für die Umrüstung beschränkten sich auf die Anschaffung der einzelnen Geräte, größere Umbaumaßnahmen oder zusätzlicher Raumbedarf waren nicht erforderlich. Das CT kann mit dieser Installation im normalen Routinebetrieb ohne Einschränkungen genutzt werden.

Prof. Dr. Martin Bendszus, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuroradiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, und Dr. Johannes Pfaff am neuen CT-Gerät von Siemens. Foto: Carsten Buell

Prof. Dr. Martin Bendszus, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuroradiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, und Dr. Johannes Pfaff am neuen CT-Gerät von Siemens.
Foto: Carsten Buell

„Als Universitätsklinikum sind wir immer daran interessiert, Innovationen in der Patientenversorgung voranzutreiben und möglichst schnell für die Patienten zugänglich zu machen“, sagt die Kaufmännische Direktorin Irmtraut Gürkan. „Wir freuen uns sehr, dass Siemens Healthcare uns für die klinische Praxis eine so konkrete Verbesserung ausarbeiten konnte.“ Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Wolfgang Wick) gehört dank herausragender Forschung zu Vorbeugung und Behandlung des Schlaganfalls zu den führenden Zentren auf diesem Gebiet. Die Heidelberger Schlaganfallstation ist mit rund 700 Patienten pro Jahr die größte „Stroke Unit“ Europas.

 Rund 200 Patienten in Heidelberg profitieren pro Jahr von neuer System-Kombination

Rund 30 Prozent der Heidelberger Schlaganfall-Patienten werden von dem gestrafften Behandlungsablauf profitieren. Das sind pro Jahr mehr als 200 Patienten mit schwerem Schlaganfall, Tendenz steigend. Die Behandlungsabläufe und -zeiten der ersten fünf Patienten veröffentlichte das Team um Professor Bendszus im Juli 2015 im „Journal of NeuroInterventional Surgery“. Demnach vergingen durchschnittlich 35 Minuten von der diagnostischen Bildgebung mittels CT bis zum Start des Katheter-Eingriffs. Vor Anschaffung des neuen CTs waren es im Mittel 57 Minuten, da der Patient zurück auf die Transport­liege und ins Katheterlabor gebracht werden musste und ein dort möglicherweise gerade vorgenommener Routineeingriff erst noch unterbrochen werden musste. Nun bleibt der Patient im selben Raum, sogar auf derselben Liege. Das mobile digitale Durchleuchtungsgerät (C-Bogen), mit dem die Neuroradiologen den Verlauf des Kathetereingriffs kontrollieren, wird in den CT-Raum gebracht, angeschlossen und der Eingriff kann beginnen.

Neu eingeführtes Katheterverfahren hilft, wo Blutverdünnung nicht ausreicht

Jedes Jahr erleiden rund 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Ursache ist bei den meisten Patienten ein akuter Durchblutungs­stopp im Gehirn, weil ein Blutgerinnsel eine Hirnarterie verstopft. Standardtherapie, die innerhalb der ersten viereinhalb Stunden wirksam ist, ist dann die sogenannte Thrombolyse mit einem Medikament, das Blutgerinnsel auflöst. Bei Patienten mit Verschluss eines der großen Hirngefäße reicht das häufig nicht aus. Sie profitieren von einem neuen Verfahren, der Thrombektomie, bei dem Neuro­radiologen über einen Katheter und unter Röntgenkontrolle das Gerinnsel aus dem Gefäß herausziehen. Diese Therapie ist bis zu sechs Stunden, selten länger, nach Auftreten der Schlaganfall-Symptome sinnvoll. Insgesamt gilt: Je später die Patienten behandelt werden, desto schlechter sind die Chancen auf ein späteres Leben ohne Behinderung.

Literatur:

Pfaff J, Herweh C, Pham M, et al. J NeuroIntervent Surg; Published Online on July 8, 2015, doi:10.1136/neurintsurg-2015-011744

 Weitere Informationen im Internet

Informationen zum neuen Verfahren der Thrombektomie / Pressemitteilung der DGN zum Thema

Aug 2015 | Heidelberg, Allgemein, Gesundheit | Kommentieren