kunsthausgraz_quer_2Corporate ist eine Ausstellung über Vorurteile und Normen, über Definitionen von Identität in Verbindung mit Kulturgut, über kulturelles Erbe und Aufarbeitung unter den Bedingungen einer sich angleichenden, globalen und vor allem konsumorientierten Gesellschaft. Zu sehen  ist eine nicht nur ironische Auseinandersetzung mit den Bildern des Westens vom Osten.

Xu Zhen gilt seit einigen Jahren als einer der kritischsten und gleichzeitig virtuosesten Leitfiguren einer jüngeren Generation von chinesischen Kunstschaffenden. Zweimal war er bereits in Gruppenausstellungen im Kunsthaus Graz beteiligt:

 China Welcomes You(2007) und Leben?
Biomorphe Formen in der Skulptur (2008).
Eternity-Soldat-of-MarathonSeine Personale – als sein erstes größeres, für den Ort adaptiertes Ausstellungsprojekt in Europa – ist das Ergebnis einer kontinuierlichen Beschäftigung mit seinem künstlerischen Schaffen. Seine künstlerischen Strategien sind dabei ein Spiegel einer sich rasant entwickelnden, chinesischen Kunstszene. Sie agieren mit einer „Kunst der Anpassung“ und schwanken zwischen einer partiellen Verwertung von Konzeptkunst
bis Reenactment, ironischer Systemkritik und handwerklicher Präzision. Die oft theatralischen, hochprovokanten Skulpturen, Bilder, käuflichen Gadgets, Performances und Filme konfrontieren
das zeitgenössische China mit – nicht nur – sozialpolitischen und kulturellen Tabus. Auch die in Graz gezeigten Arbeiten, die in seiner „MadeIn Company“ seriell produziert werden, kommentieren eine kurzlebige und weltumspannende Konsumgesellschaft. Sie fragen, wohin unser Verhalten in der Zukunft führen kann und schaffen mögliche Systeme einer kulturellen und spirituellen Versöhnung.
Die ausgestellten Arbeiten sind Grenzgänger. Sie durchschreiten nicht nur politische und kulturelle, sondern auch institutionelle Ebenen. Skulpturale amalgamierte Kopien präsentieren sich als Neuschöpfungen einer globalen Kultur, die den Markt und seine Regeln als das bestimmende Gefäß des Kunstgeschehens aufdecken, auf dem Xu Zhen mit seiner „MadeIn Company“ virtuos agiert. Der Begriff „MadeIn“ ist zweideutig: Einerseits steht er sinngemäß für „Made in China“, andererseits bedeuten die Laute „madein“ im Chinesischen das Wort „Firma“.

 

Sujet_Eternity-Poseidon(2014) zeigt einen vermeintlich bronzenen Poseidon, der mit der Pekingente gekrönt wird. Die Skulptur Eternity – The Soldier of Marathon Announcing Victory, A Wounded Galatian (2014) vereint eine antike griechische Skulptur des sterbenden Spartaners mit dem verwundeten Galater über Zeiten und Standorte, über politische und stilistische Grenzen hinweg zu einer marmornen Skulptur und wird so ewiger Zeuge einer – nicht nur bildlich dem Himmel zugewandten – Menschheitsgeschichte, die von Eroberung geprägt ist.

 Die Ausstellung wird als quasi-militärische Stellung serieller Objekte im Space01 des Kunsthauses Graz präsentiert, doch sie enthält auch sehr lustige, freche und gleichzeitig leisere Töne: Eine der Eternity – Serie zugeordnete und damit Kulturen verbindende Skulptur vermählt im Kopfstand die ewigen Schönheiten eines Buddhas mit der Venus de Vienne aus dem Pariser Louvre.
Die vier Videoarbeiten
Shouting 1998),
Rainbow (1998),
Physique of Consciousness (2011) und
Twenty (2015),
Sphynxxxxxxxxdie wie die Skulpturen Objektstatus erhalten und in der mehrfachen Reproduktion ihre Stellung im Raum wahren, sind Verweise auf Xu Zhens provokanten und gleichzeitig performativen Ansatz, der den Umgang mit der Serie, aber auch jenen mit der Fälschung bzw. dem „Fake“ im Westen und Osten thematisiert. In gleicher Weise ist auch der ShanghART Supermarket (2007/2015) zu lesen – der als Einstieg in die Ausstellung das Publikum nicht nur in ein stereotypisiertes China des Handels entführt, sondern sich im Kunstkontext bei Vorbildern wie Warhols seriellen.
Campell‘s Soup Cans (1962) oder
Damien Hirsts Installation Pharmacy (1992)
bedient und dabei gnadenlos den populistischen Ruf nach konsumierbarer zeitgenössischer Kunst überspitzt, indem er die Plattform der Institution zum Marktplatz der Waren macht.
„Als“ ist Corporate gewissermaßen ein triumphierender Einmarsch „des Chinesischen“ in Europa. Xu Zhens Produktionsfirma „MadeIn Company“, die in allen Gattungen mit höchster Präzision und Perfektion produziert, tritt dabei im Stil der „neuen Generation“ asiatischer Künstlerproduzenten auf. Indem Xu Zhen das Publikum mit der Überzeugungskraft der Stereotypen umgarnt, spielt er augenzwinkernd mit dem künstlerischen Kolonialismus.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Philippe Tinari, Bart de Baere, Petra Pölzl
und einem Interview zwischen Xu Zhen und Katrin Bucher Trantow
logo_see_1Kunsthaus Graz, Space01, Lendkai 1, 8020 Graz
Eröffnung: 26. September.2015, 18 Uhr
Laufzeit: 27.August .2015 – 10. Januar 2016
Kuratiert von Peter Pakesch und Katrin Bucher Trantow
Information: +43-316/8017-9200
In Kooperation mit dem
steirischen herbst
Aug. 2015 | Allgemein, Feuilleton | 1 Kommentar