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Kassel nach Athen verlegen ?

220px-DocumentaStadtKassel [1]Sie hat eine schöne sechzigjährige Vergangenheit, die Documenta in Kassel. Aber hat sie auch eine Zukunft? Oder wird sie demnächst im globalen Biennale-Zirkus untergehen? Diese Frage muss man sich schon stellen dürfen, meint  der Kunsthistoriker Christian Saehrendt angesichts der Entscheidung für den neuen Kurator Adam Szymczyk, der die Eröffnung der nächsten Documenta von Kassel nach Athen verlegen will. „Im Ergebnis führt das zu einer Zwangssegregation des Publikums und einer Zwangsprovinzialisierung des Documenta-Standortes Kassel. Es besteht also das Risiko eines selbstverschuldeten Abstiegs in die zweite Liga des Kunstbetriebs, was den Kasseler Verantwortlichen durchaus bewusst sein dürfte.“

Wie also kann das Format Documenta weiterhin spannend und innovativ gestaltet werden? Die Antwort auf diese Frage könnte zeigen, dass noch längst nicht alle Argumente, Potentiale und Ressourcen der Kunststadt Kassel erschöpft sind. Die Tagung, die Mitte Juli den Höhepunkt des Kasseler Festprogramms bildet und zu der mehrere ehemalige Documenta-Leiter erwartet werden, könnte hier Aufschluss geben.

Zudem sei allen besorgten Kritikern und Lokalpatrioten gesagt: Vielleicht sind ja alle Verlustängste auch völlig übertrieben. Denn möglicherweise sei die Documenta nach 13 erfolgreichen Ausgaben mittlerweile «unkaputtbar», «too big to fail», ganz gleich, was ein ambitionierter Chefkurator plant? Es ist wie bei der Havarie eines vollbeladenen Supertankers oder Kreuzfahrtschiffs: Selbst beim Totalausfall der Brücke, selbst bei totaler Schubumkehr bleibt ein Bremsweg von mehreren Kilometern, verfolgt von einem staunenden Publikum.

Statt nun die Sache zu diskutieren, habe die „Stadtverwaltung eine feste Wagenburg errichtet und versucht Szymczyk dem Publikum als netten Nerd schmackhaft zu machen, mit Unterstützung von gestrengen Feuilleton-Gouvernanten wie Susanne Höll (Süddeutsche Zeitung) oder Niklas Maak (FAZ), die den ‚Aufruhr‘ von ‚verstörten‘ Kasseler Politikern und empörten Bürgern als ‚AfDhaft schrill‘ geißeln und mahnen: ‚Etwas weniger Lärm wäre gut.'“ Saehrendt findet hingegen [2] (in der NZZ), lebhafte Diskussion wäre gut.

Staeck, Klaus (Hrsg.) Befragung der Documenta oder Die Kunst soll schön bleiben. Hrsg. v. Klaus Staeck. 128 Seiten mit mehreren Abbildungen. Kart.   Beiträge von John de Andrea, Joseph Beuys, Bongard, Broodthaes, Deederich, Fiebig, Gorsen, Holz, Immendorf, Jappe, Kunz, Sol Lewitt, Panamarenko, Gerhard Richter, Fritz Schwegler, Herbert Distel u.v.a. Zur documenta 5 erarbeitet. Ausgabe: Antiquarisch. Verlag: Steidl, Göttingen 1972 Lieferzeit: Sofort lieferbar.  20,00 € [3]

Staeck, Klaus (Hrsg.)
Befragung der Documenta oder Die Kunst soll schön bleiben. Hrsg. v. Klaus Staeck.
128 Seiten mit mehreren Abbildungen. Kart.
Beiträge von John de Andrea, Joseph Beuys, Bongard, Broodthaes, Deederich, Fiebig, Gorsen, Holz, Immendorf, Jappe, Kunz, Sol Lewitt, Panamarenko, Gerhard Richter, Fritz Schwegler, Herbert Distel u.v.a. Zur documenta 5 erarbeitet.
Ausgabe: Antiquarisch.
Verlag: Steidl, Göttingen 1972
Lieferzeit: Sofort lieferbar. 20,00 €

Wie alles anfing

Es war Arnold Bode, der den irrwitzig wirkenden Plan dazu entwickelte. Bode, damals Mitte fünfzig, geboren in Kassel, ein Maler mit heftigem Interesse an der Architektur, von den Nazis mit Berufsverbot belegt, dann eingezogen und bei der Wehrmacht befasst mit Barackenbau, ist ein Enthusiast von unvergleichlich energischer Dynamik gewesen und bis zu seinem Tod 1977 geblieben, kämpferisch, streitbar, unnachgiebig, durchsetzungsfähig, in jedem Fall: bestimmend.

Nur ein solcher Charakter konnte auf die Idee verfallen und sie realisieren wollen, die internationale Kunstwelt gegen alle praktische Vernunft in eine kriegsgeschädigte Provinzstadt an der innerdeutschen Grenze zu locken. Es gelang

Hat nun aber die Zukunft der documenta eine Zukunft?

Wie auch immer das Gerangel um die Zukunft der documenta ausgeht – das „Jubiläum zum 60ten“ beginnt heute (am 15. Juli 15) mit einem symbolischen Akt, in dem das zur Stadt Kassel gehörende documenta Archiv an die documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH übergeben wird. Das Archiv wurde auf Initiative Arnold Bodes bereits 1961 gegründet. Heute verfügt es über eine der bedeutendsten Spezialbibliotheken zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts und beherbergt darüber hinaus wertvolle Materialen, Fotos und Korrespondenzen aller Ausgaben der documenta. Von 2016 an wird das Archiv seine Arbeit unter dem Dach der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH fortführen, die von der Stadt Kassel und dem Land Hessen getragen wird. Die damit einhergehende bessere finanzielle Ausstattung des Archivs dient dem Ziel, der internationalen Bedeutung dieser einzigartigen Forschungsinstitution gerecht zu werden.