Gute Mutter-Kind-Beziehung verlangt Müttern mit Gewalterfahrungen mehr ab als unbelasteten Frauen / Neue Studie des Zentrums für Psychosoziale Medizin Heidelberg vergleicht zwei Konzepte zur psychischen Entlastung betroffener Mütter.

Wie gehe ich mit meinem Kind richtig und vor allem liebevoll um? Diese Frage ist für Mütter, die in ihrer eigenen Kindheit oder Jugend Gewalt erfahren haben, nicht selbst­verständlich aus dem Bauch heraus zu beantworten und kann ziemlich anstrengen, wie aktuelle Ergebnisse aus der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie Heidelberg zeigen. „Um es den betroffene Müttern etwas leichter zu machen, wollen wir nun im Rahmen einer neuen Studie spezielle Unterstützungs­programme mit konkreten Tipps und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten und prüfen“, sagt Professor Dr. Sabine Herpertz, Ärztliche Direktorin der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie. Interessierte Mütter, die in ihrer Kindheit oder Jugend Gewalt erfahren mussten und nun ein Kind im Grundschulalter haben, können sich ab sofort anmelden.
Traumatische Erlebnisse in der Kindheit oder Jugend können sich nicht nur auf die eigene seelische Gesundheit, sondern auch auf die Beziehung zum Nachwuchs auswirken, wie internationale Studien der letzten Jahre sowie Erfahrungsberichte von Klinikern zeigten. Warum? Eltern nehmen kindliche Signale wie Gesten, Mimik und Laute wahr, interpretieren sie intuitiv und können so auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen. Müttern, die in ihrer eigenen Kindheit Missbrauch, Misshandlungen oder Vernachlässigung erlebt haben, fällt dies häufig schwerer als unbelasteten Eltern.

 Druck nehmen und zu mehr Sicherheit im täglichen Umgang mit dem Kind verhelfen

„Psychisch gesunde Frauen mit Gewalterfahrungen in der eigenen Kindheit unterscheiden sich in ihrer Empfänglichkeit für die Signale ihrer Kinder zunächst einmal kaum von Müttern ohne belastende Erfahrungen. Sie können sich aber, das zeigen unsere Untersuchungen, weniger auf ihre Intuition verlassen“, so die Psychiaterin. „Die Deutung der kindlichen Signale fordert ihnen viel Aufmerksamkeit ab.“ Das zeigten Messungen mit Hilfe der Magnet­resonanz­tomographie (MRT): Bei den Frauen sind die Gehirnregionen, die wichtig sind, um sich bewusst in andere Menschen hineinzuversetzen, stärker ausgeprägt als bei unbelasteten Müttern. In diesen Bereichen muss ihr Gehirn mehr Arbeit leisten.

Dazu kommt, dass viele Mütter, die in ihrer Kindheit Gewalt erlebt haben, das eigene Verhalten ständig kritisch hinterfragen. Schließlich möchten sie mit den eigenen Kindern anders umgehen und diesen eine schöne Kindheit bereiten – eben alles richtig machen. „Die Frauen stehen unter enormem Druck im täglichen Umgang mit dem Kind. Hier benötigen wir dringend Unterstützungsangebote, damit die belastenden Lebenserfahrungen der Mütter nicht in anderer Form auf die Kinder übertragen werden“, so Herpertz. Dabei gehe es darum, den Müttern Sicherheit im täglichen Umgang mit ihrem Kind zu vermitteln und sie zu entlasten. Bewährt haben sich ein spezielles Interaktionstraining sowie Methoden der Stressbewältigung. Die Wirksamkeit dieser beiden Konzepte soll nun im Rahmen der neuen Studie verglichen werden.

Wie belastende Kindheitserfahrungen das Eltern-Sein erschweren

Die Studie ist Teil des von Heidelberg aus koordinierten Verbundprojekts „Von Generation zu Generation: Den Kreislauf der Misshandlung verstehen und durchbrechen (Understanding and Breaking the Intergenerational Cycle of Abuse, UBICA)“. Koordinator ist Professor Romuald Brunner, Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Heidelberg. Ziel ist es, langfristige Auswirkungen belastender Kindheitserfahrungen besser zu verstehen – insbesondere in Hinblick auf die Elternrolle der Betroffenen – und Strategien zur Bewältigung und Prävention zu entwickeln, Eltern sinnvoll zu unterstützen und Kinder besser zu schützen. Das multizentrische Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt zwei Millionen Euro gefördert.

Weitere Informationen im Internet:

Homepage des Forschungsverbundes
Über das Forschungsprojekt in Heidelberg
Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie Heidelberg

Kontakt und Anmeldung zur Studie:
Telefon: 06221 56-34438 (Bitte hinterlassen Sie Namen und Telefonnummer auf unserem Anrufbeantworter, wir rufen Sie zurück)
E-Mail: info.ubica@med.uni-heidelberg.de

Jun 2015 | Allgemein, Gesundheit, InfoTicker aktuell | Kommentieren