Wenige Stunden vor dem Ereignis „Empfang der Stadt aus Anlasss des Beginns der Heidelberger Schlossfestspiele“ vergoss der Himmel derart wuchtig vom Sturm gepeitschte Tränen, dass die Scheibenwischer der Autos die Wassermassen kaum von der Windschutzscheibe zu fegen in der Lage waren und man hätte mitweinen mögen über die wahrscheinlich ins Wasser fallende Premiere von Shakespeares Romeo und Julia am Abend nach dem Empfang mit geladene Gästen auf dem Schloss-Altan. Aber, vielleicht war ja, was zu guter Letzt den Himmel rechtzeitig entwölkte, der gute Draht zum Oberwettermacher, den Shakespeares Vater John zuzeiten geflochten hat, als er in der katholischen Liga gegen die protestantische Königin Elizabeth I. aktiv geworden war?
Alsdann, wer oder was auch immer für Entwarnung sorgte, im Werk Shakespeares jedenfalls finden sich keine religiösen Vorlieben. Es gibt keine Botschaft, kein Bekenntnis, keinen Leitfaden, der jenseitig ertüchtigt hätte, hingegen sind Shakespeares Figuren, wenn überhaupt, von einem großen Zweifel an Gott geprägt. War Shakespeare katholisch? Dafür spricht viel, aber nichts genaues weiß man auch darüber nicht. Das Weltbild in Shakespeares Dramen ist alles andere denn hoffnungsfroh – oder auf ein Jenseits ausgerichtet. Es gibt dort keinen metaphysischen Trost: König Lear etwa, oder Hamlet, sind gottverlassene, einsame Menschen, die am Ende allein bleiben. Von niederen Begierden wie Eifersucht, Machthunger oder Neid getrieben irren sie durch das Dasein. Und, wenn Shakespeare einen Geistlichen auf der Bühne auftauchen lässt, wie – mal eben nur zum Beispiel – Pater Lorenzo in seinem Drama Romeo und Julia, dann mag er es zwar gut mit seinen Figuren meinen, erreicht aber mit auch dessen Handeln genau das Gegenteil einer friedlichen Welt: Am Ende, wir erinnern uns, liegen Romeo und Julia, liegen zwei tote Kinder auf der Bühne.
Aber, noch sind wir und bleiben da auch erst mal, auf dem Altan zur Fête vor der Premiere. Alles, was Rang und Namen in der Stadt hat (pardon, ich hatte ja auch das Vergnügen) war gekommen zu sehen, gesehen zu werden und zu hören, was der baden-württembergsche Finanzminister Nils Schmid (der sich als „Schirmherr“ vorstellte), was Oberbürgermeister Eckart Würzner und Intendant Holger Schulze ins Micro zu sagen hatten und Gespräche zu führen über Gott und die Welt und vielleicht vorab auch schon mal über Shakespeare bei gutem Wein und hervorragendem Finngerfood; bei nachgerade hochsommerlichem Wetter mit wolkenlos-griechisch-blauem Himmel und wärmender Abendsonne durfte sich dabei das Schloss in seinem besten Licht zeigen. Dass es das tun konnte, mag – führte jedenfalls der Finanzminister in seiner Rede aus – auch geschuldet sein den „vom Land in eine der schönsten Ruinen der Welt investierten mehreren Millionen Euro pro Jahr“. Dankeschön, liebes Land für so viel Geld für (!) unser Schloß.
OB Würzner hingegen stellte „Heidelberg als Stadt der Kultur“ ins rechte Licht „mit seinen vielen großen Kulturereignissen, deren eines ja die jährlich stattfindenden Schloßfestspiele“ seien, derweil Intendant Holger Schultze noch eins drauflegte und „in diesem Sommer über 70 Veranstaltungen allein auf dem Schloß mit bereits jetzt schon dafür über 29 Tausend verkauften Karten“ ankündigte. Merken wir auf und lernen wir: Wenn schon über Geld geredet werden muss, dann kosten die Schlossfestspiele ja schließlich nicht nur welches, sondern spülen unter anderem über viele auswärtige in der Sadt Geld ausgebende Besucher ja auch einige „Mäuse“ wieder herein. Wie anagrammierte doch dereinst Reinhold Zundel – unvergessen – „Heidelberg“? (Von wem auch immer:) „Geld herbei“! Wer sagts denn … tno
Info Schloßfestspiele – Kartentelefon: 06221 / 58 20 000.
Termine „Romeo und Julia“: 1., 2., 4., 5., 12., 14., 15., 19., 23., 28. Juli sowie 1., 2. August, jeweils um 20.30 Uhr.