chb-1Wie die New York Times meldet, ist die Zahl der Autoren, die die PEN-Ehrung für Chalie Hebdo ablehnen, mittlerweile auf 145 gestiegen. Die Schriftstellervereinigung antwortet ihnen in einem kurzen Statement: „Jeder bei PEN ist der Meinungsfreiheit verpflichtet; die Debatte über ihre Bedeutung und wie sie sich mit anderen wichtigen Werten vereinbaren lässt, ist unerlässlich. Wir haben ein offenes Onlineforum eingerichtet, in dem jeder seine Ansichten mitteilen kann, und das wir aufmerksam lesen werden. Wir betrachten diese robuste Konversation als ein Verdienst der Stärke und Vielfalt der PEN-Mitgliedschaft.“

 

In der New York Times erläutern die PEN-Chefs Andrew Solomon und Suzanne Nossel, warum sie die Ehrung für richtig und wichtig halten. Volle Zustimmung erhalten sie von Adam Gopnik, der im New Yorker schreibt: „The real social contract at the heart of liberal civilization is simple: in exchange for the freedom to be as insulting as you want about other people’s ideas, you have to give up the possibility of assaulting other people’s persons. By all means, mock and belittle, sneer and be sour. We all expect no less. But you cannot knife or shoot someone, or even threaten to do these things. If you do, you stand outside the contract, and you are no longer a citizen of our city. And those who you do knife or shoot are our martyrs to the open society, and they are to be honored as such.“Nick Cohen antwortet im Spectator in der Charlie-Hebdo-Debatte auf die Gala-Boykotteurin Francine Prose und besonders auf ihren in der Tat bodenlosen Satz: „Das Narrativ der Charlie Hebdo-Morde – weiße Europäer werden in ihren Büros von muslimischen Extremisten getötet – ist eines, das sich nahtlos in kulturelle Vorurteile einbettet, die es unserer Regierung erlaubt haben, so desaströse Fehler zu machen.“ Cohen dazu: „Achten Sie auf die Dehumanisierung. Sie macht einen Mord zu einem ‚Narrativ‘ – so muss sie ihn nicht mehr als Verbrechen betrachten. Achten Sie auf ihren Taschenspielertrick. Prose beurteilt den Mord an ihren Kollegen aus rein politischen Implikationen.“Allmählich schwappt die Debatte aus den angelsächsischen auch in die deutschen Medien über. „Dort, wo sich Satire von vornherein mit der Mehrheit im Bunde weiß, trägt sie nicht länger die Fackel der Aufklärung, sondern verkehrt sich in ein Macht- und Herrschaftsinstrument“, verteidigt Christopher Schmidt in der SZ den Boykott der Autoren: „Ihr Protest ist kein Ausweis von Schwäche, er ist vielmehr das beste Beispiel für jene Tugend, die mit dem PEN-Preis ausgezeichnet werden soll: der Mut zur eigenen Meinung.“ Im Tagesspiegel bricht (!) Christiane Peitz hingegen eine Lanze für die Satire: „Satire weiß um die Begrenztheit der Toleranz und kontert mit einem Lachen. Nur Witze über den Papst, keine über Mohammed, wie tolerant ist das denn?“
Mai 2015 | Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren