Rund 40 000 Besucher zählte Baden-Württembergs – größtes Musikfestival in seiner 19. Saison. Mit einem ausverkauften Konzert des WDR Sinfonieorchesters und des französischen Cellisten Gautier Capuçon beendet das internationale Musikfestival „Heidelberger Frühling“ morgen (Samstag) die erfolgreichste Saison seiner 19jährigen Geschichte. Rund 40 000 Besucher bei weit über 100 Veranstaltungen machten das Musikfestival erneut zum größten in Baden-Württemberg. National gehört der „Frühling“ ebenfalls längst zu den führenden Festivals, das belegen die steigenden Zahlen bei den auswärtigen Besuchern, die unter anderem aus Finnland und den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich und Belgien kommen.
„Vor allem diejenigen Projekte, die es exklusiv in Heidelberg zu hören gibt, sind für Kulturtouristen hoch attraktiv“, so Intendant Thorsten Schmidt.
So gehörten zu den Besuchermagneten unter anderem die ersten gemeinsamen Konzerte der Pianisten András Schiff und Igor Levit sowie der Sänger Thomas Hampson und Thomas Quasthoff. Großes Interesse fand auch die Kammermusik Akademie unter Levits Leitung. Mit Frederic Rzewski stand dort einer der großen amerikanischen Künstler der Moderne im Zentrum. Fast zwei Wochen lang war der Komponist und Pianist bei der dichten, jeweils ganztägigen Abfolge von moderierten Workshops und Konzerten als Mentor, Interpret und streitbarer Diskussionspartner zu Gast.
Sowohl bei der Festival Akademie als auch zu den großen Konzertabenden in der Stadt-halle bewies sich das neue Festivalzentrum im Meriansaal als durchschlagender Erfolg. In loungiger Atmosphäre fand man hier vor und nach dem Konzert ein ansprechendes gastronomisches Angebot, so dass sich der Ort schnell als Treffpunkt für anregende Gespräche zwischen Künstlern, Publikum und Festivalmachern entwickelte. „Mit dem Festivalzentrum verfügt der ‘Frühling’ endlich über eine adäquate zentrale Anlaufstelle für Künstler und Gäste vor und nach den Konzerten. Zum Wir-Gefühl während des diesjährigen Festivals hat dies ungemein viel beigetragen“, so Thorsten Schmidt.
Unter den zahlreichen Erst- und Uraufführungen in diesem Festivaljahrgang stach besonders das Rzewskis Werk „Dreams II“ hervor, das der „Heidelberger Frühling“ gemeinsam mit der New Yorker Carnegie Hall und der Londoner Wigmore Hall in Auftrag gegeben hatte. Igor Levit stellte es in einem Solorezital Bachs „Goldbergvariationen“ voran, die er in Heidelberg erstmals öffentlich aufführte und im Dezember in einem gemeinsamen Projekt mit der Aktionskünstlerin Marina Abramović nochmal in New York spielen wird.
Mit der Akademie für Musikjournalismus unter der Leitung von Eleonore Büning (Frankfurter Allgemeine Zeitung) feierte ein neuer Bereich der Festival Akademie Premiere. Büning und die Mentoren Manuel Brug (Die Welt) und Sophie Diesselhorst (nachtkritik.de) arbeiteten sechs Tage lang intensiv mit vier herausragenden Nachwuchsjournalisten. Diese hatten die Möglichkeit, das Festival und insbesondere die Kammermusik Akademie hautnah zu begleiten und darüber zu berichten, Gespräche mit Künstlern und Programmmachern zu führen und über Musik und ihre Wirkung, aber auch über die sich verändernde Kultur- und Medienlandschaft zu diskutieren. Die während der Akademie entstandenen journalistischen Beiträge – unter anderem ein Porträt von Markus Hinterhäuser, dem diesjährigen Musikpreisträger des „Heidelberger Frühlings“ – finden sich in einem eigenen Blog: www.musik-journalismus.com
Heidelbergs Tradition als Stadt des Liedes würdigte das Festival einmal mehr mit der Lied Akademie unter der Leitung von Thomas Hampson, die einen Schwerpunkt auf kammer-musikalische Lied-Bearbeitungen legte. Als Dozenten waren neben Hampson Thomas Quasthoff, Ian Bostridge und Wolfram Rieger zu Gast. Hinzu kamen zahlreiche Liederabende und ein Spaziergang durch die Liedstadt Heidelberg mit Amarcord und der Germanistin Veronika Haas. Neue Wege ging der „Heidelberger Frühling“ mit dem Format „Lied.Lab“, bei dem junge Sängerinnen und Sänger an vier Abenden mit der Gattung experimentierten. Hierfür hatte u.a. Andrè Schuen gemeinsam mit seinen Eltern und dem Schwester-Cousinen-Trio Ganes einen Abend konzipiert, dessen Spektrum vom ladinischen Volkslied über das Kunstlied bis hin zum ladinischen Ethno-Pop reichte. Anna-Lucia Richter beschäftigte sich gemeinsam mit der Tänzerin Yael Schnell mit Kurt Weills „Die Sieben Todsünden“.
Das „Lied.Lab“ ist nur eines der Formate, durch die sich der „Heidelberger Frühling“ mit unkonventionellen Präsentationsformen beschäftigt – ein Thema, das das Festival seit jeher prägt. Auch mit der „MLP Late Night Lounge“ und den „After Work Concerts“ in einem ehemaligen Hallenbad wurde die ritualisierte Atmosphäre klassischer Konzerthäuser bewusst aufgebrochen und dem Besucher ein neuer Rezeptionskontext eröffnet.
Parallel zum Festivalprogramm organisierte der „Heidelberger Frühling“ die dritte Heidel-berg Music Conference. Unter dem Titel „Die Kunst ist frei – aber wie lange noch?“ ging es um Fragen, die sich im Spannungsfeld von Ökonomisierungsdruck auf Künstler, Veranstalter, Verlage und Distributoren auf der einen Seite und künstlerischer Freiheit auf der anderen bewegen. Nach Gerard Mortier 2013 und Daniel Libeskind 2014 eröffnete dieses Jahr Peter Gelb, General Manager der Metropolitan Opera New York, die Fachtagung mit rund 150 Teilnehmern.
Mitschnitte und Live-Übertragungen der Sender SWR2, Deutschlandradio Kultur, Deutsche Welle und ARTE Concert sorgten auch in diesem Jahr dafür, dass zahlreiche Höhepunkte des „Heidelberger Frühlings“ auch weit über die Grenzen Heidelbergs hinaus eine breite Zuhörerschaft fanden. Sendetermine finden sich auf der Festival-Homepage www.heidelberger-fruehling.de.
Finanziert wurde der „Heidelberger Frühling“ erneut durch eine ausgewogene Mischung aus Förderungen durch Privatpersonen und Unternehmen, Zuschüssen der Stadt Heidel-berg und erstmals des Landes Baden-Württemberg sowie durch Karteneinnahmen. Unter den Förderern sind zuvorderst der Freundeskreis Heidelberger Frühling e.V., der Hauptförderer und Gründungspartner HeidelbergCement sowie als weitere Hauptförderer der Finanz- und Vermögensberater MLP und das Biotechnologieunternehmen Octapharma zu nennen. Neu als Unternehmenspartner hinzugekommen sind Fuchs Petrolub SE, das Medizintechnologie-Unternehmen Becton Dickinson und die Volksbank Kurpfalz H+G Bank. Größter privater Mäzen ist Dr. Manfred Lautenschläger mit seiner gleichnamigen Stiftung, hinzu kommen die dem „Heidelberger Frühling“ seit langem verbundene Klaus Tschira-Stiftung, die Athenaeum Stiftung, die Viktor und Sigrid Dulger Stiftung und die Baden-Württemberg Stiftung sowie musikliebende Privatpersonen wie Dr. Renate Keysser-Götze und Dr. Dietrich Götze, Dr. Jobst Wellensiek, Dr. Manfred Lamy, Dr. Manfred Fuchs und die Familie Bruder. Der Europäische Hof Heidelberg war auch 2015 das Künstlerhotel des „Heidelberger Frühling“. Für das Jugendprojekt „Classic Scouts“ setzte sich bereits im siebten Jahr das SAS Institute ein, und die Festival Akademie wird von der Stiftung Heidelberger Frühling ermöglicht. Die Festival Akademie und das Streichquartettfest, Kernprojekte des Heidelberger Frühling, verdankten ihre Realisierung der Kooperation mit der Universität Heidelberg und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Medienpartner waren erneut die Rhein-Neckar-Zeitung, SWR2 und Deutschlandradio Kultur.
Der 20. „Heidelberger Frühling“ findet vom 2. bis zum 30. April 2016 statt. Das Programm wird im Oktober veröffentlicht.