
In einem Interview hat Latchinian nun angekündigt, gegen die Entlassung zu klagen. Jeder wisse, dass sein IS-Vergleich „nur ein Vorwand“ für seine Kündigung gewesen sei. Denn es „störe natürlich, wenn ganz schnell zwei Sparten abgeschafft werden sollen und jemand sagt: Das finde ich so nicht umsetzbar“.
Der Intendant des Rostocker Volkstheaters, Sewan Latchinian, ist fristlos entlassen worden. Diese Entscheidung traf der Hauptausschuss der Rostocker Bürgerschaft mit 6 Ja- und 5 Nein-Stimmen. Latchinian hatte bei einer Demonstration Anfang März die Theaterpolitik in Mecklenburg-Vorpommern mit den Kulturzerstörungen durch die Terrormiliz Islamischer Staat verglichen. „Ich kann leider nichts mehr für die Hansestadt tun. Ich bedanke mich sehr für die Solidarität und Unterstützung“, sagte Latchinian nach seiner Entlassung.
Diese Gleichsetzung hatte Latchinian später als so nicht beabsichtigt bezeichnet. Hingegen wolle er an die Verantwortung erinnern, behutsam mit dem Kulturerbe umzugehen. Allerdings machte er als Künstler sein Recht auf poetische und satirische Zuspitzung geltend: „Falls“ – betonte Latchinian jedoch – „sich jemand persönlich angegangen fühlt“, tue ihm dies leid.
In einem offenen Brief an den Rostocker OB sprachen sich nun gegen diese Kündigung aus „im Namen des Vorsitzenden der Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins und Intendanten des Deutschen Theaters Berlin, Ulrich Khuon, sowie auch im Namen des Vorsitzenden des Künstlerischen Ausschusses des Deutschen Bühnenvereins und Intendanten des Theaters und Orchesters der Stadt Heidelberg, Holger Schultze“.
… lesen Sie hier: Offener Brief Methling
17.Apr..2015, 17:08
Nach der Wende ging es mit dem Volkstheater bergab. Künstlerische Fehlentscheidungen, lieblose Behandlung durch die Politik und ein Provisorium als Spielstätte vertrieben die Zuschauer. Das hatte sich nun gerade geändert. Unter dem Intendanten Sewan Latchinian begann sich neues Leben zu regen.
Diese Entwicklung wird nun möglicherweise durch eine der absurdesten Affären abgebrochen, die die deutsche Kulturpolitik je erlebt hat. Bürgermeister und Bürgerschaft stehen sich im Kampf um das Schicksal des Intendanten gegenüber. Anfang der Woche hoben die Abgeordneten die Entlassung Latchinians auf, die der Hauptausschuss zuvor beschlossen hatte – wobei die Stimme des parteilosen Stadtoberhaupts Roland Methling ausschlaggebend war. Grund für die Kündigung war eine (eingeräumt) dämliche Äußerung Latchinians, in der er die geplante Schließung von zwei Sparten (Oper und Tanz) seines Vierspartenhauses mit den Kulturzerstörungen des IS verglich. Auf der nach oben offenen Peymann-Skala, mit der Intendantenblödsinn gemessen wird, hatte der Spruch einen höchstens mittleren Ausschlag, sodass man ihn anderswo allenfalls genervt schulterzuckend abgetan hätte.
Aber für den Bürgermeister war der Vergleich ein willkommener Anlass, den Intendanten loszuwerden, der die Halbierung seines Theaters nicht einfach hinnehmen wollte. Die Entscheidung in der Bürgerschaft für die Rücknahme der Kündigung war nun ebenfalls recht knapp. Offenbar stehen sich in Rostock zwei etwa gleich starke Lager gegenüber. Doch eine Verlängerung der Fehde schadet Stadt und Theater. Dessen kaufmännischer Direktor plant zurzeit die kommende Spielzeit, weiß aber gar nicht, ob Latchinian seine Entscheidungen gutheißen wird, wenn er denn zurückkommt.
Irgendeiner müsste jetzt nachgeben. Es sieht nicht so aus, als ob das der Bürgermeister wäre. Der hat nun zwei Wochen Zeit, Widerspruch gegen den Bürgerschaftsentscheid einzulegen, und kündigt an, die volle Frist zu nutzen, obwohl jeder verrinnende Tag ein Desaster ist. Aber des Bürgermeister Methlings Logik ist nachvollziehbar: Natürlich ist es ihm egal, ob an einem Theater, dass er sowieso schrumpfen möchte, ab Herbst noch jemand inszeniert. Im Grunde kann ihm alles, was das Publikum vertreibt und die Genervtheit der an der ganzen Affäre eher desinteressierten Steuerzahler steigert, nur recht sein.