Zu diesem Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2015, veröffentlichen die „Grenzgänger“ ihr sechstes Album „Und weil der Mensch ein Mensch ist“ – mit Liedern aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern der nationalsozialistischen Diktatur.
In nur 3 1/2 Tagen live im Studio eingespielt, entzaubern die Grenzgänger – Annette Rettich (Cello), Felix Kroll (Akkordeon), Frederic Drobnjak (Konzertgitarre, E-Gitarre) und Michael Zachcial (Gesang, Westerngitarre) – auch auf ihren neuen Album den romantischen Volksliedbegriff ganz im Sinne Peter Rohlands, der Mitte der 60er Jahre die Waldeck-Festivals mit begründete: „Ich glaube, es ist an der Zeit, den Nebel auseinander zu blasen, mit dem die Romantiker und die völkischen Ideologen unsere Volkslieder umgeben haben. Deutsche Volkslieder‘ haben weder mit ‚Volksseele‘ noch mit ‚ewigen Werten‘ etwas zu tun. Es sind einfach Lieder, die den ganzen Aspekt menschlichen Lebens umfassen, von der äußersten Sentimentalität bis zur harten oder derben Darstellung“. (Peter Rohland, 1966)
Die Lieder aus den faschistischen Konzentrationslagern zählte Peter Rohland ausdrücklich dazu! Das 40-seitige Booklet enthält zahlreiche Fotos und sorgfältig recherchierte Hintergrund-Informationen zu den 15 Liedern.
Zum reinhören, exclusiv in der NR vor dem Erscheinen der CD:
Schließ Aug und Ohr für eine Weil
vor dem Getös der Zeit.
Du heilst es nicht und hast kein Heil
als wo dein Herz sich weit´
Die Stunde kommt da man dich braucht
Da sei du ganz bereit
und in das Feuer das verraucht
wirf dich als letztes Scheit
Dein Amt ist Hüten, Harren, Sehen
In die Ewigkeit.
So bist du schon im Weltgeschehen
Befangen und befreit.
Text: Friedrich Gundolf
Musik: Vertont von Alfred Zschiesche (1933)
„Schließ Aug und Ohr“ galt während der NS-Zeit als eine Art „Besinnungslied“ unter den verbotenen und damit illegalen Jugendgruppen. Der Text stammt von dem jüdischen Dichter und Literaturwissenschaftler Friedrich Gundolf , zu dessen Studenten 1921 pikanterweise auch der berüchtigte spätere NS-Propagandaminister Goebbels zählte, der Gundolf verehrt haben soll. Gundolf selbst gehörte – wie etwa auch Rainer Maria Rilke – zum Kreis um den populären Dichter Stefan George, dessen Lyrik und Weltbild die Jugendbewegung stark beeinflussten. Gedruckt wurde das Lied erstmals in der Zeitschrift „Jugendland“ im Wolff-Verlag, fand seine größte Verbreitung dann aber durch die Aufnahme in das 1933 erschienene und überaus populäre Heft „Lieder der Südlegion“.
Das Stück wirkt abgehoben und vergeistigt, ja in Teilen sogar esoterisch, was aber in der damaligen Zeit nicht ungewöhnlich und für den George-Kreis durchaus typisch war. Das Lied galt auch als Lieblingslied des „Grauen Ordens“, dessen Leiter Willi Graf später der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ angehörte. Hier wiederum war es insbesondere Sophie Scholl, die „Schließ Aug und Ohr“ so populär machte, dass es schließlich als „Lied der Weißen Rose“ galt.