Zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern in der EU ist ein Kleinkrieg ausgebrochen. Griechenlands Finanzminister kämpft dabei darum, als Verhandlungspartner überhaupt anerkannt zu werden. Die EU-Kommission zeigt sich kompromissbereit. Doch die deutsche Bundesregierung stellt klar: Griechenland ist Befehlsempfänger. Der deutsche Europa-Kurs aus Kürzungen und Lohnsenkungen ist nicht verhandelbar.
Seit einigen Wochen verhandelt das griechische Linksbündnis Syriza mit den Regierungen der Euro-Zone um Griechenlands finanzielle Zukunft. Athen braucht neue Kredite von Europa – nicht, um den Griechen ein schönes Leben zu machen, sondern um seine Schulden bei EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) zu bedienen. Neue Schulden also für alte Schulden.
Der Forderung Syrizas nach einem Schuldenschnitt hat die Bundesregierung eine Abfuhr erteilt. Syriza kämpft nun um Erleichterungen und die Erlaubnis, eine andere Wirtschaftspolitik zu machen, die das Land nach Jahren des erzwungenen Sparens wieder in die Lage bringen soll, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Doch die Bundesregierung lehnt das ab: Athen erhält keinerlei Spielraum und soll die Spar-Auflagen eins zu eins umsetzen, ganz egal, was das für die griechische Wirtschaft bedeutet.
Wie die Bundesregierung die vollständige Unterwerfung Athens betreibt, wird deutlich auf der Ebene politischer Symbole: Syriza trat im Januar an mit dem Versprechen, das Kürzungs-Diktat der „Troika“ (EU-Kommission, IWF, Europäische Zentralbank) zu brechen. Jahrelang hatten die Troika-Technokraten in Griechenland ein Kürzungs-Programm durchgesetzt, wie es kein Industrieland bisher gesehen hat. Allein die Sozialausgaben fielen in nur vier Jahren um ein Drittel – während die Arbeitslosigkeit auf 26 Prozent stieg.
Syriza forderte daher ein Ende der Kontrolle durch die Troika-Beamten und politische Verhandlungen. Das sieht sogar EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein: „Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Premierminister mit Beamten über Reformen verhandeln muss“, sagte er. Doch die Bundesregierung bleibt hart und besteht auf der Troika. Um den Griechen einen kleinen Erfolg zu gönnen, einigte man sich in der Eurogruppe darauf, nicht mehr von „Troika“ zu sprechen, sondern von den „Institutionen“.
Dann forderte die griechische Regierung, dass die „Institutionen“ ihre Kontrollen zumindest nicht mehr in Athen durchführen, sondern dass man sich in Brüssel trifft. Auch das lehnte die Bundesregierung ab. Dann forderte die griechische Regierung, dass die Abgesandten von EZB, IWF und EU-Kommission wenigstens nicht gemeinsam, sondern getrennt nach Athen reisen.
Auch das gönnte die Bundesregierung Griechenland nicht. Die Vertreter von EZB, IWF und EU-Kommission kamen vergangene Woche gemeinsam in Athen an. Und als Demonstration dafür, wie wenig man sich um griechische Wünsche schert, spricht Finanzminister Wolfgang Schäuble munter weiter von der „Troika“, genauso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bewertet werde Athens Politik von den „drei Institutionen – der Troika“, sagte sie auf einer Pressekonferenz Anfang März.
Die Bundesregierung stellt damit klar: Sie bleibt bei ihrem Kurs, aus Europa etwas zu machen, was der britische Ökonom Mark Blyth ein „Paradies der Gläubiger“ nennt. In diesem Paradies wird alles der Schuldenbedienung und „Wettbewerbsfähigkeit“ untergeordnet. Hier sind Wünsche von Investoren heilig. Für sie werden Staatsausgaben zusammengestrichen und die Beschäftigten verbilligt. Wie derzeit wieder in Italien, wo mit dem „Jobs Act“ der Kündigungsschutz massiv eingeschränkt worden ist. In diesem Paradies ist kein Platz für Sozialprogramme zur Linderung der Armut – und absurderweise auch nicht für staatliche Investitionsprogramme zur Ankurbelung der Konjunktur. Muss doch mal gefragt werden dürfen: Wie lautet der Slogan der IG Metall dieses Jahr? „Sie wollen Profit, wir wollen Zukunft.“
22.März.2015, 07:05
Die Bundesregierung gerät mit ihrer strikten Ablehnung von Kriegsentschädigungen für Griechenland aus der Zeit des Nationalsozialismus zunehmend in die Kritik. „Wir sollten die Frage der Entschädigungen nicht mit der aktuellen Debatte über die Euro-Krise verknüpfen. Aber unabhängig davon bin ich der Meinung, dass wir die Entschädigungsdiskussion führen müssen“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner. Das gehöre zum Umgang „mit unserer eigenen Geschichte“.
Griechenlands Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos hatte Anfang der Woche auf deutsche Reparationszahlungen für die erlittenen Schäden im Zweiten Weltkrieg gepocht. Die Forderungen nach Reparationen wie auch nach Rückzahlung einer Zwangsanleihe Griechenlands von 1942 seien nach wie vor gültig und berechtigt. Er werde deshalb alle rechtlichen Mittel ausschöpfen.
Damals verübte die SS schlimme Massaker in Griechenland, etwa im Juni 1944 im Ort Distomo. „Wir sollten auf die Opfer und deren Angehörige finanziell zugehen“, sagte die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, bei „Spiegel Online“. „Es geht darum anzuerkennen, dass wir in Griechenland schlimmes Unrecht begangen haben.“ Die SPD-Spitze um den Vorsitzenden Sigmar Gabriel äußerte sich auf Anfrage nicht dazu.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nannte die Reparationsforderungen der griechischen Regierung hingegen ein „billiges Ablenkungsmanöver“. Sie sieht wie die Bundesregierung die Forderungen durch die Vereinbarungen zur deutschen Einheit als erledigt an. Historiker wie Völkerrechtler betonen, dass besonders die Forderungen auf Rückzahlung eines Zwangskredits für das Deutsche Reich während der Besatzungszeit aussichtsreich seien.
Athen will hier elf Milliarden Euro, zudem noch hohe Reparationen für Kriegsschäden. Im einzigen Abkommen zu dieser Frage mit Griechenland wurde vor 55 Jahren, am 18. März 1960, eine Zahlung von 115 Millionen Mark vereinbart, um unter anderem jüdische Opfer und deren Angehörige zu entschädigen.
Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke betonte mit Blick auf SPD und Grüne am Dienstag: „Es ist gut, dass die Front der Entschädigungsverweigerer zu bröckeln beginnt.“