Es gab Redaktionen, die sich der Solidarität enthielten, weil sie Inhalt und oder Ästhetik der Zeichnungen „albern“ fanden. Aber, wie „albern“ waren diese Karikaturen denn?
Die Zeitungen sind so stolz auf ihre unverzichtbare Funktion in einer freien Öffentlichkeit und bringen sie so gerne gegenüber dem unartigen und stets nur sekundären Internet ins Spiel. Aber als es darauf ankam, haben sie gekniffen. Zum Glück gab es das Internet! Nicht um ihren Mut zu beweisen, sondern aus Informationspflicht und um dem riesigen Interesse ihrer Leserschaft zu genügen, hätten sie die Karikaturen drucken müssen, alle Karikaturen – Lesern der Neuen Rundschau jedenfalls wurden sie nicht vorenthalten …
Tatsächlich ist auch in dieser Phase der Eskalation, in der wir seit der erzwungenen Entschuldigung der dänischen Zeitung stehen, nicht Kuschen, sondern Publizieren der gebotene Schritt zur Deeskalation. Nur wenn man in dieser Sache europaweit zu den Selbstverständlichkeiten der demokratischen Öffentlichkeit steht, nimmt man die Brisanz von dem einzelnen Presseorgan, dem einzelnen Land, das gerade erpresst werden soll – und das diesem Druck naturgemäß nicht lange gewachsen ist. Nur in europaweiter Solidarität wird klar: Religiöse Fundamentalisten, die die Unterscheidung zwischen Satire und Gotteslästerung nicht respektieren, haben nicht nur mit Dänemark ein Problem, sondern mit der gesamten westlichen Welt.
Man mag die Karikaturen albern gefunden haben dürfen – allerdings sollte man den Lesern erlauben, sich ein Bild zu machen, bevor man sie abtut. Wir finden die Karikaturen nicht albern. Sie sind witzige, durchdachte Zeichnungen, die sich ironisch mit dem durchaus beängstigenden Auftrag auseinandersetzen. Viele der Zeichner zeichnen über die eigene Angst.
Keine der Zeichnungen überschreitet eine Grenze der Auseinandersetzung, keine Zeichnung ist beleidigend. Sie nicht zu veröffentlichen, setzte sie in ein falsches Licht und ließ sie als einen Akt der Aggression erscheinen, den sie gar nicht meinten. Es war Verrat an den Zeichnern, die eine ganz gewöhnliche journalistische Arbeit machten. Ein Redakteur, der diese Zeichnungen (als Begründung, diese nicht zu drucken) albern nennt, hat im Grunde nur seine Meinung übers eigene Metier publik gemacht.