Grundsätzlich haben alle Völker das Recht, sich zu verteidigen. Israels Krieg im Gaza-Streifen ist weder ein Fall von Selbstverteidigung noch ist es ein Krieg zwischen benachbarten Ländern.
Israel ist eine Besatzungsmacht. Der Gaza-Streifen ist Bestandteil des Staates Palästina und wird seit 46 Jahren von Israel unter Verstoß gegen das Völkerrecht okkupiert. Seit neun Jahren wird der Gaza-Streifen von Israel belagert, so dass die Lebensbedingungen für die 1,8 Millionen Menschen unerträglich geworden sind.
Die strikten Bewegungseinschränkungen, der die Bevölkerung des Gaza-Streifens unterliegen, haben dazu geführt, dass die Menschen in einer der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde auf nur 360km² eingesperrt sind. Die momentane Situation ist unglaublich schwierig. Die israelischen Besatzungstruppen greifen die gefangene, wehrlose Bevölkerung zu Land, Wasser und Luft an.
Das internationale Recht verbietet einer Besatzungsmacht, die Anwendung von Waffengewalt gegenüber einer Bevölkerung in einem von ihr besetzten Gebiet. Deshalb kann Israel sich nicht auf Art. 51 der UN-Charta, das sog. Recht auf Selbstverteidigung, berufen. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass Israel nicht ein Gebiet besetzen kann und gleichzeitig leugnen, dass die dort lebende palästinensische Bevölkerung sich selbst regiert und sich schützt, während es diesem Gebiet zugleich den Krieg erklärt.
Immer wieder wird angeführt, dass Israels Recht auf Selbstverteidigung auf der Gewalteskalation der Hamas begründet ist. Diese Behauptung ist nicht war. Im Zuge der aktuellen Eskalation wies Israel die Schuld für die Entführung und Ermordung der drei jugendlichen Siedler in der Westbank vor rund vier Wochen der Hamas zu, blieb die Beweise dafür jedoch der Öffentlichkeit bis heute schuldig. Die Behauptung diente vielmehr als Vorwand, den Gaza-Streifen anzugreifen und eine Vergeltungsaktion zu provozieren.
Entscheidend dabei ist, dass die grundsätzliche Gewaltanwendung gegenüber Palästinensern nicht neu ist. Israel ermordet Palästinenser Jahr für Jahr. Allein in den vergangenen 10 Jahren starben so fast 5.000 palästinensische Männer, Frauen und Kinder durch die israelischen Besatzungstruppen. Israels Angriff auf den Gaza-Streifen ist eine weitere Eskalation der fortgesetzten Gewalt gegenüber Palästinensern und der damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen. Dies bedeutet, somit keinesfalls eine Selbstverteidigung.
II. Welche Motive stecken hinter der Bombardierung des Gaza-Streifens?
Die aktuelle Eskalation der Gewalt verfolgt in erster Linie zwei Ziele, die beide dazu dienen, Israels eigentliches Begehren, die Verhinderung der Zwei-Staaten-Lösung, zu festigen.
Zunächst ist es für Israel wichtig, nach dem Scheitern der 9-monatigen Verhandlungen am 29. April, das engste Verbündete kritisiert haben, die internationalen Sympathien zurückzugewinnen. Nach dem Stopp bezeichneten US-Regierungsvertreter den israelischen Siedlungsbau als Hauptgrund für das Scheitern der Verhandlungen und warnten Israel vor dem Schritt in die Apartheid.
Der zweite Grund für Israels Krieg im Gaza-Streifen ist die erst kürzlich gebildete Einheitsregierung, die es gilt zu torpedieren. Die Bildung dieser Regierung bestehend aus Technokraten wurde von der internationalen Gemeinschaft ausdrücklich begrüßt. Israel profitiert von einer Spaltung der Palästinenser; Die israelische Regierung benutzt diese als Vorwand im Zusammenhang der Erringung eines Friedens.
Die aktuelle israelische Regierung zeichnet einen klaren Widerstand gegen die Zwei-Staaten-Lösung aus. Dies belegen öffentliche Aussagen von vielen ranghohen israelischen Beamten, aber auch der fortgesetzte Siedlungsbau, der während der letzten Verhandlungsrunde noch einmal stark vorangetrieben wurde. Allein in den 9-monatigen Gesprächen wurden 14.000 neue Siedlungseinheiten angekündigt. Dies ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Israel von der Besatzung palästinensischen Landes, der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen und touristischen Sehenswürdigkeiten profitiert.
III. Hat Israel nicht versucht zivile Opfer zu vermeiden, indem es auf bestimmte Orte zielt und Zivilisten warnt?
Bis jetzt (1. August) wurden mehr als 1.500 palästinensische Männer, Frauen und Kinder ermordet. Mehr als 8.000 sind verletzt und Millionen traumatisiert. Grundlegende Infrastruktur, wie Krankenhäuser, Kraftwerk und Schulen wurden von Israel zerstört. Rund 25.000 Gebäude sind völlig zerstört, 4.500 ganz oder teilweise. Diese Zahlen sprechen für sich. Es handelt sich dabei nicht um „gezielte Angriffe“, sondern um ein wahlloses und unverhältnismäßiges Bombardement gegen eine wehrlose Bevölkerung.
Diese sog. „Warnungen“, wenn sie denn stattfinden, erlauben den betreffenden Palästinensern innerhalb von rund ein bis drei Minuten, sich aus dem Haus zu entfernen. Ganze Familien, darunter Frauen, Kinder, Babys, ältere Menschen und Behinderte haben diese Zeit zur Verfügung, um sich gegenseitig zu benachrichtigen und zu fliehen, bevor ihre Häuser und Eigentümer zerstört werden.
Gem. der Vierten Genfer Konvention hat Israel die Aufgabe und die Pflicht unter seiner Besatzung die Zivilbevölkerung zu schützen – eine Pflicht, die ganz anders zu erfüllen ist. Wir aber, hier in der sicheren Bundesrepublik, die wir angewiesen sind auf eine (nein, jetzt kommt nicht „Lügen“) Presse, die oft genug ausschließlich durch ihre sehr eigene Brille schaut.
Was meinen w i r zu alledem? W i r meinen 2006 in der Rundschau: „Keiner hat keine Schuld“
IV. Benutzt die Hamas Menschen als menschliche Schutzschilde?
Das ist ein Mythos, den Israel verbreitet, um die hohe Anzahl von Tötungen unschuldiger Zivilisten zu rechtfertigen. Diese falschen Äußerungen kamen auch von israelischen Beamten während der Angriffe auf Gaza im Jahr 2008. Internationale Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Behauptungen unwahr sind.
Im Rahmen der jüngsten Gewalteskalation gegen den Gaza-Streifen sind viele, unbestrittene Fälle von Tötungen palästinensischen Zivilisten dokumentiert, die nicht in der Lage waren, sog. „menschliche Schutzschilde“ zu sein. Dazu gehören auch die vier Kinder, die am Strand beim Fußballspielen am 16. Juli von Israel getötet wurden. Dazu gehören auch die 15 Zivilisten in einer UN-Schule, die in dieser Notunterkunft am 24. Juli durch Bombardements ermordet wurden. Dazu gehören auch die acht Kinder, die am 28. Juli, dem ersten Feiertag Eid Al-Fitr, auf dem Spielplatz getötet wurden.
Der Versuch einer Rechtfertigung mittels „humaner Abschirmung“ ist eine tückische Formulierung, die darauf zielt, die Palästinenser zu entmenschlichen und den unschuldigen Menschen zu suggerieren, quasi für ihren eigenen Tod verantwortlich zu sein.
V. Was kann die Internationale Gemeinschaft tun?
Die internationale Gemeinschaft muss ihrer Verantwortung gerecht werden und sicherstellen, dass auf der soliden Grundlage von Verantwortlichkeit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit, der Frieden in der Region aufgebaut werden kann.
Die beinhaltet die Unterstützung einer sofortigen Waffenruhe und ernsthafte politische Anstrengungen zur Beendigung der israelischen Belagerung des Gaza-Streifens und der umfassenden Okkupation Palästinas. Dies sind die Ursachen dieser schrecklichen Eskalation und deren Beseitigung ist der einzige Weg zu vermeiden, dass sich diese Tragödie wiederholt.
Israels langjährige Besatzung palästinensischen Landes, einschließlich der Blockade des Gaza-Streifens, beraubt Millionen von Palästinensern ihrer grundlegenden Menschenrechte und vereitelt zudem die Zwei-Staaten-Lösung. Im Angesicht der tiefen Asymmetrie zwischen Besatzer und besetzten Menschen ist die internationale Unterstützung der einzige Weg, einen dauerhaften Waffenstillstand und einen gerechten, umfassenden Frieden für Palästinenser und Israelis gleichermaßen zu erreichen.
Egal, wie Ihr ihn jeweils nennt – Jaweh, Allah oder Gott Sebaoth: ER möge sich erbarmen!
22.Aug..2014, 10:37
In der aktuellen Debatte über den Krieg in Gaza argumentieren viele Intellektuelle äußerst voreingenommen und vorurteilsbeladen zu Gunsten der einen oder anderen Seite. Der Konflikt im Nahen Osten ist wohl das Gesprächsthema, bei dem meine liberal und humanistisch gesinnten Bekannten zurzeit am meisten aus der Haut fahren – unabhängig davon, ob sie den Israelis oder den Palästinensern die Stange halten. Während sie ihrem Gesprächspartner Voreingenommenheit vorwerfen, sind sie mit der eigenen Voreingenommenheit nachsichtig. Das Problem liegt nicht darin, dass jemand Stellung bezieht, sondern darin, dass menschliches Leid offensichtlich nicht mehr imstande ist, Mitgefühl hervorzurufen. Reflexartig wird es dem Leid anderer gegenübergestellt und relativiert … Gerade auf Facebook können wir derzeit beobachten, wie sich die martialischen Lager der Voreingenommenen gegenseitig bekämpfen.