Heidelberg, 7. August 2014. Heidelberg blickt auf eine jahrhundertealte Tradition als Ausgeh- und Studentenstadt zurück. Diese sehen die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar und der Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg (DEHOGA) nun durch die geplante Verlängerung der Sperrzeiten in der Heidelberger Altstadt gefährdet.
„Das Ausgehverhalten der Gäste hat sich in den letzten Jahren geändert“, erläutert IHK-Tourismusexpertin Petra Hörmann, „die Menschen gehen heutzutage eher später weg“. Eine „Umerziehung“ der Gäste durch eine Verkürzung der nächtlichen Öffnungszeiten hält sie für unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher sei, dass die Gäste von vornherein in andere Ortsteile oder Städte ausweichen und die Kneipen und Clubs in der Heidelberger Altstadt deutliche Umsatzeinbußen – bis hin zur Existenzgefährdung bei den Clubs – hinnehmen müssten. „Darunter würden letztlich auch die Restaurants und weitere mit dem Gastgewerbe verbundenen Branchen, wie beispielsweise der Handel, Verkehrsunternehmen, Handwerker, Lieferanten und sonstige Dienstleister leiden“, so Hörmann.
Schon seit Jahren beschränkt Heidelberg die nächtlichen Öffnungszeiten der Altstadtbetriebe, obwohl die landesweite Sperrzeitverordnung einen großzügigeren Rahmen vorgibt. „Die Altstadtwirte haben diese Beschränkung im Interesse eines guten Miteinanders mit den Anwohnern akzeptiert“, betont die Heidelberger DEHOGA Geschäftsführerin Melanie von Görtz. Weitere Einschränkungen, wie sie jetzt einige Anwohner unter Hinweis auf ein Lärmgutachten durchsetzen wollten, seien jedoch nicht verkraftbar. „Die
Gastronomie in der Altstadt könnte weitere Umsatzrückgänge wirtschaftlich nicht tragen, die steigenden Kosten für Miete, Energie, Waren und Personal lassen dies nicht zu“, warnt von Görtz.
Eine gemeinsame Umfrage von IHK und DEHOGA hat ergeben, dass 60 Prozent der befragten Altstadtwirte Umsatzverluste zwischen 20 und 90 Prozent befürchten. Die Unternehmen berichten zudem, dass sie im Falle von Umsatzeinbußen Arbeitskräfte entlassen müssten. Davon wären besonders starkdie studentischen Hilfskräfte betroffen, die häufig auf die Arbeitsplätze zur Finanzierung ihres Studiums angewiesen sind. Die Betriebe sind sich außerdem einig, dass sich die Umsatzeinbußen auch auf die Umsätze ihrer Lieferanten auswirken würden – und nicht zuletzt auf die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Heidelberg. „Im schlimmsten Fall müssten viele gastronomischen Betriebe schließen und die Inhaber würden damit ihre Existenzgrundlage verlieren“, befürchtet Hörmann. Ob die Eigentümer der Immobilien adäquate Nachmieter bzw. Pächter finden würden, sei fraglich.
Die Folge wären zunehmende Leerstände.
„Provinzielle Gastronomie-Öffnungszeiten und eine bis zur Langweiligkeit beruhigte Innenstadt passen nicht zu einer lebensfrohen, attraktiven Stadt wie Heidelberg“, ist von Görtz überzeugt. Die IHK befürchtet, dass ein mage als „Geisterstadt“ auch dem Tages-, Kongress- und Städtetourismus nicht gerade zuträglich wäre. Auch viele der Anwohner seien sicher gerade wegen des Flairs in der Altstadt und wegen der kurzen Wege zu den Lokalen in die Innenstadt gezogen.
Manche der Gastronomen seien ebenfalls seit Jahrzehnten in der Heidelberger Altstadt ansässig und haben dort nicht nur in ihr Unternehmen, sondern auch in den Standort Heidelberg investiert – und gleichzeitig Arbeitsplätze in signifikanter Höhe geschaffen. Dafür sollten die Unternehmen jetzt nicht bestraft werden, mahnen DEHOGA und IHK.