Die Offensive im Gazastreifen treibt Israel-Kritiker in der Bundesrepublik auf die Straßen. Dort entlädt sich wiederholt Judenhass. Besonders harsch ging es bei einem pro-palästinensischen Protestmarsch in Berlin zu. Julius Schoeps, Historiker und Vorsitzender der Moses Mendelssohn Stiftung, erkennt eine neue Qualität des Antisemitismus in Deutschland. Er befürchtet Ausschreitungen.
„Jude, Jude, feiges Schwein: Komm heraus und kämpf‘ allein“. Dieser Auswurf ertönte in der vergangenen Woche auf einer anti-israelischen Demonstration in Berlin. Laut Polizei handelt es sich nicht um Volksverhetzung. Wie sehen Sie das?
Julius H. Schoeps: (lacht) Ich möchte wissen, was das sonst sein soll. „Jude, Jude, feiges Schwein.“ Das ist eine Beleidigung mit einer deutlich antisemitischen Konnotation.
Wie erklären Sie sich, dass die Behörden diese Parole anders bewerten?
Betroffene von Antisemitismus wissen sehr genau, was solche Aussagen bedeuten: Es ist gefährlich geworden in Deutschland. Ich glaube, dass Polizei und Behörden wenige Kenntnisse von dem haben, was Antisemitismus eigentlich ist.
Wo verlaufen die Grenzen zwischen legitimer Israel-Kritik und Antisemitismus?
Es ist ja in der Tat ein Problem, dass die Grenzen zwischen einer legitimen Kritik an der Politik Israels und antisemitischen Vorurteilen verschwimmen.Aber kommen wir nochmal auf das Beispiel zurück. „Jude, Jude, feiges Schwein.“ Bei Israelkritik müsste es doch heißen: „Israeli, Israeli, feiges Schwein.“ Da sieht man ganz deutlich, dass hier ganz andere Motive eine Rolle spielen.
Ein muslimischer Prediger hat in der vergangenen Woche in einer Moschee in Neukölln über Juden gesagt: „Tötet sie bis zum letzten.“
Das ist ein Aufruf zum Pogrom und zum Mord.
Es gab noch weitere derartige Wortmeldungen seit der jüngsten Offensive Israels im Gazastreifen. Aber ist das wirklich ein neues Phänomen oder brechen da nur Dinge hervor, die seit jeher latent in der Gesellschaft schlummern?
Ich glaube nicht, dass das etwas Neues ist. In bestimmten Situationen bricht der Antisemitismus, der in Latenz vorhanden ist, auf. Der Grund kann eine Buchpublikation sein, es kann ein Film sein oder wie jetzt der Gaza-Krieg.
Wie weit verbreitet ist Antisemitismus in Deutschland?
Es gibt schon seit Jahrzehnten Untersuchungen zu diesem Thema. Ich gehe von diesen Zahlen aus: Bei 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung offener Antisemitismus, bei weiteren 30 Prozent Antisemitismus in Latenz.
Deuten die jüngsten antijüdischen Proteste auf eine neue Qualität des Antisemitismus hin?
Ja, da ist durchaus eine neue Qualität zu erkennen, die sehr gefährlich ist. Wir erleben zurzeit, dass ganz merkwürdige Bündnisse entstehen. Da gehen plötzlich linksdemokratische oder sogenannte linksdemokratische Aktivisten mit muslimischen Gewalttätern und anderen Gruppierungen auf die Straße. Und, so hat es der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland formuliert: Wir haben es jetzt mit einem gewaltbereiten Judenhass zu tun. Es ist nicht abzusehen, in welche Richtung das explodiert.
Am Freitag findet der Al-Quds-Tag statt. Ein Feiertag, den der Iran etabliert hat, und der immer wieder Anlass zu judenfeindlichen Eskapaden war. In Berlin sind bereits mehrere Demonstrationen angekündigt.
Ich hoffe nicht, dass das aus dem Ruder läuft. Grundsätzliche Kritik ist erlaubt. Demonstrationen ebenfalls. Aber: Keine Gewalt, keine Ausfälle gegen jüdische Einrichtungen und jüdische Bürger.
Glauben Sie, dass es friedlich bleibt?
Ich befürchte, dass es zu Ausschreitungen kommt. Ich hoffe sehr, dass die Polizei und die Behörden entsprechende Maßnahmen treffen.
Was kann die Politik grundsätzlich tun?
28.Juli.2014, 16:51
Seit Tagen finden in Deutschland und anderen Teilen Europas Demonstrationen statt. Wir verstehen die Sorgen der Menschen, die eine Verschärfung des Konflikts mit militärischen Mitteln ablehnen. Wir teilen die Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Neben sachlich geäußerter Kritik an der politischen Vorgehensweise kam es leider vielerorts zu massiven antisemitischen Anfeindungen. Wir Piraten sehen hier die Polizei in der Pflicht, sofort zu intervenieren, dies gebietet (siehe Beitrag oben) § 130 StGB. Ebenso trägt die Politik die Verantwortung, Bildungs- und Aufklärungsangebote zu schaffen, die der unreflektierten Hetze entgegen wirken. Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.«
Wie die Berliner Zeitung berichtete, kam es auf der Demonstration zum sogenannten Internationalen Jerusalemtag am 27.7. in Berlin zu Übergriffen auf Menschen, welche Israelfahnen trugen, sowie zu körperlichen Angriffen auf Gegendemonstranten. Besonders schockierend ist dabei die Zusammensetzung der Gruppe der Aggressoren. Neben schiitischen Gruppen, die die Veranstalter des 1979 von Ayatollah Chomeini eingeführten Al-Quds Tages sind, fanden sich Sunniten und Anhänger des syrischen Machthabers Assad zusammen. Sie alle hatten anscheinend keine Probleme, gemeinsam mit Anhängern der NPD und anderen rechtsextremen Gruppen zu marschieren. So war neben Sprechchören „Kindermörder Israel“ und „Israel vergasen“ auch „Sieg Heil“ zu hören, ohne dass die Polizei eingeschritten wäre.´
Kristos Thingilouthis, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland
28.Juli.2014, 16:55
Ich möchte das wie folgt ergänzen: Es ist erschreckend zu sehen, wie offensiv im Zuge der aktuellen Nahostkrise Übergriffe gegen Juden in Deutschland zugenommen haben. Waren es vor einigen Jahren noch wenige Vorfälle, bei denen es zu vereinzelten vandalistischen Angriffen auf jüdische Friedhöfe oder andere Gedenkstätten kam, so ist das Tragen einer Kippa oder einer Davidsternkette heute schon Grund genug, in Berlin und anderswo Anfeindungen ausgesetzt zu sein.
Wir Piraten stehen dafür ein, dass Menschen ihre Religion frei ausüben können. Das bedeutet, dass auch Juden ihren Glauben hier ohne Angst vor Verfolgung leben können sollen. Dies sicherzustellen ist für uns Aufgabe und Verantwortung von Politik und Gesellschaft. Denn es ist keinesfalls ein urbanes, auf Großstädte wie Berlin, begrenztes Problem. Auch auf einer kleineren, eher unbemerkten Demonstration in Göttingen, wurden Gegendemonstranten und Journalisten unter den Augen der Polizei angegriffen. Wir wollen mit diesem Statement den Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind und hoffen, dass mehr Menschen den Mut finden, für Menschenrechte einzustehen.«
Felix Elijahu Czosnowski, Attaché der Piratenpartei Deutschland für die israelische Piratenpartei
28.Juli.2014, 17:17
Mit Entsetzen verfolgen wir, wie seit Jahren Raketen aus Gaza in Israel Angst, Schrecken und Tod verbreiten und als Folge auch Leid und Elend über die Bevölkerung in Gaza bringen.
Wir verurteilen die Unmenschlichkeit der HAMAS-Führung und ihrer Kämpfer, die unschuldige Zivilisten als Schutzschilde missbrauchen, Waffen und Raketenabschussrampen in zivilen Objekten wie in Schulen, Krankenhäusern und Moscheen verstecken.
Israel wurde dieser Kampf aufgezwungen.
Die Union progressiver Juden in Deutschland beklagt die Opfer auf allen Seiten.
Wir trauern mit der Gemeinschaft Israels und besonders mit den betroffenen Familien um die Soldatinnen und Soldaten, die ihr Leben für die Verteidigung ihrer Heimat geopfert haben.
Unser Mitgefühl gehört auch den unschuldigen zivilen Opfern unter der israelischen und palästinensischen Bevölkerung.
Wir verurteilen auf das Schärfste den Versuch, diesen Konflikt zum Anlass zu nehmen, weltweit und auch in Deutschland Judenhass und Rassismus zu schüren.
Wir respektieren das Recht auf Meinungsfreiheit, aber wir wehren uns gegen alle Versuche, die Gewalt der Nah-Ost-Konflikte auf die Straßen unserer Städte einzuschleppen.
Wir appellieren an alle Verantwortlichen in der Politik unseres Landes, die Grundsätze unseres Rechtsstaates zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass alle, auch die jüdischen Bürger, in Frieden und Sicherheit leben können.
Dankbar haben wir die mahnenden Worte aus der Politik, den Kirchen sowie einiger Vertreter der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland zur Kenntnis genommen.
Wir appellieren an alle Gutwilligen in unserem Land, die Errungenschaften eines friedlichen Zusammenlebens der Religionen und Kulturen zu verteidigen.
Berlin, 27. Juli 2014
Allgemeine Rabbinerkonferenz in Deutschland Union progressiver Juden in Deutschland
Der Vorsitzende: Landesrabbiner em. Dr. Henry G. Brandt – Die Vorsitzende: Sonja Guentner
28.Juli.2014, 17:29
„Keiner hat keine Schuld“ – ohne alle Bescheidenheit möchten wir auf unseren bereits im Oktober 2006 hier veröffentlichten Beitrag hinweisen, der (leider immer noch) von seiner Brisanz nichts verloren hat:
http://rundschau-hd.de/2006/10/keiner-hat-keine-schuld/
Klicken Sie doch bitte mal rein …
got
31.Juli.2014, 15:51
Nach meinem Eindruck aus Gesprächen mit Freunden Israels wächst unter ihnen der Kreis jener, die das Morden nicht mehr verstehen und auch nicht mehr schweigen. Mit Antisemitismus hat das nichts zu tun. Die zunehmende Kritik an Israels Militäreinsatz im Gazastreifen und an der israelischen Politik insgesamt ist keine „Judenhetze“. Die “hemmungslose Judenhetze” in Deutschland, die die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Knobloch, feststellt, kommt von anderen.
W i r werden das Kunststück fertig bringen müssen, den Widerstand gegen die Politik Israels zu stärken und gleichzeitig Widerstand gegen die von Frau Knobloch diagnostizierte Judenhetze und die damit verbundene Gewalt bei uns zu leisten.
Albrecht Müller
31.Juli.2014, 16:00
„Die meisten Konflikte, welche die Welt im Laufe der letzten Jahrzehnten gesehen hat, sind nicht hervorgerufen worden durch fürstliche Ambitionen oder ministerielle Umtriebe, sondern durch leidenschaftliche Erregung der öffentlichen Meinung, die durch Presse und Parlament die Exekutive mit sich fortriss“.
Reichskanzler Bernhard von Bülow im März 1909 vor dem deutschen Parlament (got)
30.Aug..2014, 22:52
Das Beste im Interview ist noch das Zitat einer juristischen Definition von „Volksverhetzung“, das uns zeigt, dass die radikalzionistischen Israeli, die die Macht im Nahen Osten ausüben, samt und sonders mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen müssten, wären sie der deutschen Rechtsprechung unterworfen (abgesehen davon gehören sie sowieso alle vor ein internationales Kriegsverbrechertribunal). Sie sind es nicht, wohl aber diejenigen Deutschen, die sich mit diesem Israel und seinen Verbrechern identifizieren, wie zum Beispiel der Zentralrat der Juden in Deutschland (soweit seine Mitglieder überhaupt, trotz des fragwürdigen Namens ihres Vereins, Deutsche sind), insbesondere Herr Graumann, oder Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ähnliche Personen, Henrik Broder zum Beispiel.
Prof. Julius Schoeps) hätte auf die Fragen ganz anders reagieren können. Er hätte zum Beispiel auf den Grund der jetzigen Demonstrationen und deren Berechtigung expressis verbis hinweisen können, oder darauf, dass bei den großen Demonstrationen in Berlin und anderswo ganz andere Äußerungen zu hören waren als die von n.tv behaupteten und nicht nachgewiesenen. Wir kennen viele Demonstranten und deren e-mails aus Berlin. Kein Teilnehmer an den Demos berichtet von derartigen Äußerungen. In Hamburg habe ich selbst teilgenommen. Das Wort „Jude“ fiel kein einziges Mal, wohl aber die Parole „Kindermörder Israel“. Und diese Parole stimmt, leider tausendfach. Ich selbst allerdings zitierte zwei Texte eines engagierten Juden, die schon über dreißig Jahre alt sind, aber, was furchtbar ist, sich immer mehr bewahrheitet haben. Ich meine zwei Gedichte des Juden Erich Fried, der volksverhetzend und stupide als „Selbsthasser“ beschimpft wurde. Ich zitiere die beiden Gedichte am Ende meines Kommentares.
Auf der Demo in Berlin am 9.August war anderes zu hören. Z.B. sagte das Vorstandsmitglied der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden“ Iris Hefets unter anderem: „Wir, hier lebende Juden, schämen uns, dass so ein Verbrechen, wie die jüngste Invasion der israelischen Armee und der Massenmord an Zivilisten und Kindern, die in Gaza zur Welt gekommen sind, im Namen des Judentums begangen worden ist. Wir erklären uns mit allen Opfern des israelischen Militärschlags auf den Gazastreifen solidarisch.“ Es hätte Julius Schoeps gut angestanden, sich ähnlich zu äußern. Ich erinnere daran, dass wir Deutschen dazu verpflichtet sind, uns für Menschenrechte und Völkerrecht weltweit einzusetzen (Art.1 und 25 GG).
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Politik des Zentralrats, aber auch der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, den Staat Israel als den Repräsentanten des Judentums zu feiern – entgegen der Meinung vermutlich der Mehrheit der Juden weltweit, nicht zuletzt der orthodoxen Juden – , sich also zur „Propagandazentrale der israelischen Regierung“ (Zitat nach Uri Avnery) zu erniedrigen, eigentlich ein antisemitischer Akt ist. Denn damit fallt Ihr den friedenswilligen und sich den Menschenrechten und dem Völkerrecht verpflichtenden Juden in den Rücken und sorgt mit dafür, dass Judenfeindschaft entsteht, je mehr Ihr damit Erfolg habt, Judentum und Zionismus gleichzusetzen. Schöps´s beleidigende Behauptung, 20 Prozent aller Deutschen seien akut, weitere 30 Prozent latent Antisemiten (was meint er damit?), d.h. jeder zweite Deutsche neige zum Antisemitismus, wäre nur dann glaubwürdig, wenn er als Antisemiten auch solche Deutschen beschimpft, die nicht die Juden schlechthin, sondern die Zionisten und Philozionisten ablehnen. Die ganze unsägliche Antisemitismusdebatte hatte und hat ja die Funktion, Israel vor Kritik zu schützen, deshalb wird der Begriff Antisemitismus absichtlich unklar verwendet.Lässt sich überhaupt eine seriöse Untersuchung zum Antisemitismus in Deutschland nennen? Die entsprechenden Behauptungen von Julius Schöps sind, wie im hier diskutierten Text, bisher immer unqualifiziert gewesen, soweit ich sie kennenlernen konnte. Sicher, es gibt auch bei uns ein Rassismusproblem. Aber der Rassismus hat ganz andere Objekte im Visier als die in Deutschland in ihrer Zahl nicht relevanten Juden. Selbst die Neonazis sind vor allem gegen Türken gewaltsam tätig geworden. Und die Rechtsextremen anderer Länder, Wilders z.B., verhalten sich zu Israel positiv, weil es araberfeindlich ist.
Der Schwerpunkt unserer Rassismusbekämpfung sollte nicht beim Popanz Antisemitismus, sondern vor allem bei dem latenten und akuten „Antiziganismus“ liegen, denn das Problem der Integration der Roma in Europa wird nicht durch Sonntagsreden (z.B. bei der Gedenkstätten-Einweihung in Berlin) einer unfähigen Bundeskanzlerin gelöst, sondern fordert uns alle heraus. Die deutschen Türken haben starke Verbündete, die Türkei und den Islam, die Roma nicht. Da haben wir eine große Verpflichtung.
Das Gejammer über die Lebensgefahr, in der Juden in Deutschland angeblich schweben, hat den durchsichtigen Zweck, die Wirksamkeit der Demonstrationen gegen Israel durch ihre Diskreditierung als antisemitisch zu verringern. Ich hoffe sehr, dass trotzdem nicht nur die Hälfte, sondern die Mehrheit der Deutschen antizionistisch denkt und dass der antisemitische Versuch, den Deutschen einzutrichtern, dass dieser radikalzionistische Staat Israel (der von einigen Israelis „Faschistan“ genannt wird) das Judentum verkörpere, misslingt. Daran arbeite ich.
Zum Beispiel habe ich vor kurzem unserer unsäglichen Bundeskanzlerin, deren Verfassungstreue höchst fragwürdig ist, folgende Fragen gestellt, die ich hiermit auch Dir stelle:
„Sehr geehrte Frau Dr. Merkel!
Von der Pressekonferenz am 17.7. war zum Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung, vor allem des Gazastreifens, in den Fernsehnachrichten nur zu erfahren, dass Sie vor allem betonten: “Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung.“
Vielleicht haben Sie ja noch mehr gesagt, das dann aber nicht gesendet wurde. Vielleicht hat ja auch der eine oder andere Journalist an Sie die Fragen gestellt, die ich Ihnen stellen möchte. Ich bitte Sie um eine klare Antwort auf meine klaren Fragen:
Haben auch die Palästinenser, hat auch die von den Palästinensern demokratisch gewählte Volksvertretung, die Hamas, das Recht auf Selbstverteidigung?
Ist die Hamas in die Vorgespräche über einen Waffenstillstand einbezogen worden? Hat Ihr Außenminister direkt mit Vertretern der Hamas gesprochen? Haben die Bedingungen der Hamas für einen Waffenstillstand, die alle dem Völkerrecht entsprechen, ein offenes Ohr bei Ihnen gefunden?
Gehört nach Ihrer Auffassung die massive Zerstörung von Wohnhäusern, vor allem im Gazastreifen, gehört die Ausweitung von illegalen zionistischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, gehört die Ermordung von nun schon über 300 Menschen,(Anm.: die Zahlen haben sich inzwischen leider versechsfacht!) darunter vielen Kindern, und Tausenden von physischen und psychischen Verletzungen und Verstümmelungen weiterer Bewohner des Gazastreifens, gehört die Zerstörung der Infrastruktur der Bevölkerung, von Schulen, Krankenhäusern und Kindergärten, von Straßen, der Versorgung mit Strom und Wasser, der Entsorgung von Abwasser, gehört das alles zu der Ausübung des Rechts Israels auf Selbstverteidigung?
Mit welchen Mitteln können und dürfen nach Ihrer Meinung die Palästinenser ihr Recht auf Selbstverteidigung ausüben, vorausgesetzt, Sie billigen auch ihnen dieses Recht zu?
Unterstützen Sie die Propagandalüge Israels, die zivilen palästinensischen Opfer des israelischen Terrorangriffs seien von der Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht worden?
Würden die Palästinenser nach Ihrer Meinung ihren (unwirksamen) Raketenbeschuss einstellen, wenn Israel seine seit vielen Jahren permanent ausgeübte strukturelle und personale Gewalt gegen den Gazastreifen beendet und die Blockade des Gazastreifens zu Lande, zu Wasser und in der Luft aufhebt?
Gibt es einen Beschluss des Bundestags oder anderer Gremien, den Export von Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu verbieten, und wurde nicht gerade jetzt, in den Tagen exzessiver Gewalt Israels gegen den Gazastreifen, ein U-Boot an Israel ausgeliefert, das zu einem Drittel von uns Steuerzahlern mitfinanziert wurde und das mit atomar bestückten Raketen bewaffnet werden kann?
Sind Sie unserer Verfassung, vor allem Artikel 1 und 25 GG, in Ihrem Handeln und Denken unbedingt verpflichtet? Was haben Sie bisher gegenüber Israel gesagt und vor allem getan, um Ihrer Verpflichtung nachzukommen, das Völkerrecht, Ihrem Einfluss gemäß, weltweit, also auch im Handeln Israels, durchzusetzen?“
Ich habe natürlich, wie immer, von dieser Kanzlerdarstellerin keine Antwort bekommen. Zum Schluss schreibe ich die beiden angekündigten Gedichte von Erich Fried (Quelle: „Höre Israel, Gedichte gegen das Unrecht“ Neu-Isenburg 2010):
Worauf es ankommt
Es kommt im Augenblick / nicht darauf an /wann es wa / dass die Unterdrückerregierung / in Israel / sich verwandelt hat
/ in eine Verbrecherregierung
Aber es kommt darauf an / zu erkennen / dass sie jetzt eine / Verbrecherregierung ist.
Es kommt auch nicht mehr
darauf an
darüber zu streiten
nach welchem Vorbild
sie ihre Verbrechen begeht
Diese Verbrechen selbst
tragen sichtbar die Spur ihres Vorbilds
Aber es kommt darauf an
nicht nur klagend oder erstaunt
den Kopf zu schütteln
über diese Verbrechen
sondern endlich
etwas dagegen zu tun
Es kommt nicht darauf an
was man ist
Moslem, Christ, Jude, Freigeist:
Ein Mensch
der ein Mensch ist
kann nicht schweigen
zu dem was geschieht
Ein Jude an die zionistischen Kämpfer
Was wollt ihr eigentlich?
Wollt ihr wirklich die übertreffen
die euch niedergetreten haben
vor einem Menschenalter
in euer eigenes Blut
und in euren Kot?
Wollt ihr die alten Foltern
jetzt an andere weitergeben
mit allen blutigen dreckigen Einzelheiten
mit allem brutalen Genuss der Folterknechte
Wie eure Väter sie erlitten haben?
Wollt jetzt wirklich ihr die neue Gestapo sein
die neue Wehrmacht
die neue SA und SS
und aus den Palästinensern
die neuen Juden machen?
Aber dann will auch ich
weil ich damals vor fünfzig Jahren
selbst als ein Judenkind gepeinigt wurde
von euren Peinigern
ein neuer Jude sein mit diesen neuen Juden
zu denen ihr die Palästinenser macht
Und ich will sie zurückführen helfen als freie Menschen
in ihr eigenes Land Palästina
aus dem ihr sie vertrieben habt
oder in dem ihr sie quält
ihr Hakenkreuzlehrlinge
Ihr Narren und Wechselbälge der Weltgeschichte
denen der Davidstern auf euren Fahnen
sich immer schneller verwandelt
in das verfluchte Zeichen mit den vier Füßen
das ihr nur nicht sehen wollt
aber dessen Weg ihr heute geht
Ich finde es sehr bemerkenswert, dass dieses Gedicht bereits 1988 geschrieben wurde, als noch kein Netanjahu und kein Lieberman an der Macht waren und der radikale Rechtsruck der israelischen Gesellschaft nach der Ermordung Rabins durch einen rechtsextremen Zionisten noch nicht vollzogen war.
Salam,
Gomo
31.Aug..2014, 00:12
Wir möchten darauf hinweisen, dass die Wilhelm-Fraenger-Gesellschaft e.V. eine Internatinale Konferenz vom 30. November bis 2. Dezember 2014 zum Thema „Wohin treibt der Nahe Osten“ veraanstaltet? Where ist die Middle East heading hinzuweisen (Flyer siehe Anlage)
Tagungsort: Europäische Akademie Berlin, Bismarckallee 46/48, 14193 Berlin-Grunewald
31.Aug..2014, 08:03
Es ist gut, wenn so viele andere Nationen und Völker das für uns tun: Sich einmischen in das Leid vor allem der Palästinenser/innen. Aber auch im Sinne des Existenzrechts der Juden/Jüdinnen. Wir Deutsche sollten im Nahostkonflikt nicht mehr Partei ergreifen. Halt´s Maul, hässlicher Deutscher! Du hast Deine „Mundbühne“ (E. Jammal) längst verwirkt.
Nahostaufnahme 2014
2000 plus 70
Ich trau´re um die Toten,
70 plus 2000
Um die Toten trau´re ich.
Gaza, Rafah, Cholon,
Chan Yunis, Sderot, Ashkelon.
Die Gemetzelten von da und dort:
Sie ruh´n nun in derselben Erde,
Dem letzten sich´ren Ort.
Ein letzter sich´rer Schrein.
Und die Verletzten, die Versehrten,
ja alle die bislang am Leben,
sie zagen und warten geeint,
ach, gemartert von der Pein.
Beste Grüße
Fritz Feder
05.Sep..2014, 14:59
Mit großer Sorge sieht das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die alarmierende Zunahme antisemitischer Vorkommnisse weltweit. Auch aus Deutschland erhalten wir von vielen jüdischen Freundinnen und Freunde Berichte über Droh- und Schmähanrufe bei jüdischen Gemeinden. Jüdische Menschen werden wiederholt zum Ziel antisemitisch motivierter Angriffe.
Das alles ist unerträglich. Gleiches gilt für eine allzu oft mit Judenfeindschaft vermischte Kritik an der Politik des Staates Israel. Selbst wenn man über die Politik Israels empört ist, rechtfertigt dies niemals antisemitische Parolen und aggressives Verhalten gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.
Wir alle sind aufgerufen, wachsam zu sein und Position zu beziehen. Rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Propaganda und Aktionen sind mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen. Für uns alle gilt: wehret den Anfängen, keine Verharmlosung solchen Verhaltens! Wir alle müssen zusammenstehen, um unser Land vor diesem Ungeist zu schützen.
Gleichzeitig rufe ich dazu auf, die Bemühungen um eine Vertiefung des Dialogs der Religionen zu intensivieren. Gemeinsam können und müssen wir die Werte der Toleranz, der Achtung und Würde des Lebens, die allen großen Religionen eigen ist, denen entgegenstellen, die Religion als Instrument des Krieges und des Hasses missbrauchen.
Ich erinnere daran, dass Katholiken vor allem durch das Zweite Vatikanische Konzil neu erfahren haben, wie sehr die Kirche auf dem Fundament der Synagoge aufgebaut ist. Das außerordentliche Engagement der Päpste seit dem Konzil für den jüdisch-christlichen Dialog lehrt uns, wie eng wir geschwisterlich verbunden sind. Christen dürfen daher im Angesicht judenfeindlicher Angriffe nicht schweigend abseits stehen.
Alois Glück