25 Jahre im Heidelberger Gemeinderat  als – sozusagen – Dienstälteste war Anntette Trabold  gebeten worden, eine Abschiedsrede im Namen aller Scheidenden zu halten. Dieser Aufgabe hat sie sich mit launigem  Witz Charme und tieferer Bedeutung angenommen. Lesen Sie hier Ihre Rede im Wortlaut:

Beifall auch von den "Großkpfeten" der Stadt. Foto: Philipp Rothe

Beifall für Annette Trabold auch von den „Großkpfeten“ der Heidelberger Stadtverwaltung. Foto: Philipp Rothe

Zuerst möchte ich Ihre Neugier befriedigen und Ihnen vorneweg eine sehr häufig gestellte Frage beantworten: Nein! Ich kaufe mir keinen Hund, um die vermutete viele Freizeit sinnvoll zu füllen.
Zum Zweiten möchte ich Ihnen vor meinem Redebeitrag sagen: Ich werde die Erwartungen nicht erfüllen können. Nicht die, die ich an mich selbst bei dieser Abschiedsrede nach 25 Jahren im Gemeinderat habe und nicht die meiner Kolleginnen und Kollegen, die den Gemeinderat ebenso verlassen. Als Dienstälteste habe ich die Ehre, heute zu sprechen – und daher schrieb ich meine zehn Kolleginnen und Kollegen an, sie mögen mir einige Zeilen schicken, was sie gerne dem Gemeinderat noch mit auf den Weg geben möchten. Ich fürchte, ich werde den Anregungen und dem Engagement meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht gerecht. Zum Dritten möchte ich vorweg betonen: Schuld an allem – also an meinem Entschluss, in die FDP einzutreten, war nicht der Bossa Nova, sondern Arnulf Weiler-Lorentz. Was? Ich sehe in vielen Gesichtern ein Fragezeichen, Arnulf Lorentz und die FDP? Jawohl! Arnulf Lorentz war 1981, als ich mich entschloss, in die FDP einzutreten, als FDP-Stadtrat mit einem Infostand auf dem Bismarckplatz, und so habe ich mir das Formular besorgt, es gab ja noch kein Internet, und bin wenig später FDP-Mitglied geworden.

1982 kam die bundespolitische Wende und damit auch kommunalpolitisch große Veränderungen in Heidelberg. Wer kennt die Ereignisse heute noch? Sind das alles „olle Kamellen“? In meinen Augen ist das stadtgeschichtlich noch immer interessant – aber dieses Wissen geht auch mit den Menschen verloren.
Die Reihe „Erlebte Geschichte erzählt“, die erst kürzlich zu Ende ging, wäre hier auch durch die stadtgeschichtliche Kenntnis vieler Stadträte noch wiederzubeleben. Ich möchte an dieser Stelle auch die Gründerin dieser Reihe „Erlebte Geschichte erzählt“, die ehemalige Kulturamtsleiterin der Stadt von 1992-1995, Dr. Marlise Hoff, im Publikum herzlich begrüßen.
Und ebenso herzlich begrüßen möchte ich die Frau, die mich konkret dazu veranlasst hat, mich der Kommunalpolitik zu widmen, obwohl die FDP 1982 bundespolitisch in einer tiefen Krise steckte: das ist Helga Bräutigam. Sie war von 1982-1994 Stadträtin für die FDP. Sie hatte von 1984 bis 1989 zwischen dem konservativen und dem rot-grünen Lager eine wichtige Mittlerfunktion, die nicht einfach war, denn auf ihre Stimme kam es immer an, weil die beiden „Lager“ geschlossen abstimmten. Ihre standhafte liberale Haltung, die sie trotz vieler Anfeindungen nicht aufgab, hat mich sehr beeindruckt. Ich hatte die Ehre und die Freude, dass wir von 1989-1994 zusammen im Gemeinderat saßen. Man kann als junge Stadträtin, die ich damals war, – ich war die zweitjüngste im Rat – von Glück sagen, wenn man im Politischen solche Menschen findet, die einen behutsam und ohne Angst vor eigenem Machtverlust in die politische Arbeit einführen. Ich wünsche allen neuen Kolleginnen und Kollegen, dass sie in ihrer Fraktion auch solche positiven Erlebnisse zu Beginn ihrer Tätigkeit erfahren dürfen. An dieser Stelle möchte ich auch ein – in meinen Augen – gesellschaftliches Vorurteil ansprechen: Es geht nicht um Alt oder Jung. Lasst uns alle damit aufhören, in einer Gesellschaft, die immer älter wird, die älteren Menschen auch politisch auf das
Abstellgleis zu schieben. Auch bei Listenaufstellungen. Man kann gerade im Politischen nicht auf die Erfahrung, den Überblick, das durch viele Lebenserfahrungen geschulte Urteilsvermögen verzichten. Man kann nicht auf diese „Altersweisheit“ verzichten.
Die Lebenserfahrung der Älteren mit den neuen Lebenswelten der Jüngeren zusammen zu bringen, das ist sehr sinnvoll und notwendig auch in der Kommunalpolitik. Außerdem gibt es immer auch junge Alte und alte Junge.
II.
Daher ist für mich die Frage, wann es Zeit ist, im Gemeinderat aufzuhören, nicht mit dem Lebensalter verbunden, sondern mit der Dauer der Zugehörigkeit zum Gremium. Mit Routinen und Themen die sich – wie in meinem Fall – wiederholen wie zum Beispiel – Hilfe!! – Die Straßenbahn ins Neuenheimer Feld oder das Kongresszentrum. Bringt das doch bitte einmal zu Ende.
Gerade wenn man aufhört, wird man oftmals auch gefragt, was einen denn an der Tätigkeit als Stadtrat und Stadträtin besonders beeindruckt hat, was es besonders hervorzuheben gilt. Ich sage Ihnen: Für mich ist das der Umgang und das Zusammenkommen mit den unterschiedlichsten Menschen. Das schrieben mir auch die anderen Kolleginnen und Kollegen als für sie erwähnenswert.
Man musste sich in den Fraktionen zusammenraufen, um Themen voranzubringen. Man muss über die Parteigrenzen zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele für die Stadt zu erreichen, man trifft Bürgerinnen und Bürger, die die unterschiedlichsten Anliegen an einen herantragen, und man muss sich in die unterschiedlichsten Themen einarbeiten. Man kann hier unglaublich viel lernen, neue Menschen kennenlernen, neue Erfahrungen sammeln, die man in seinen beruflichen Alltagsroutinen oder in den eigenen Lebenswelten nie erfahren würde. Man schult auch die eigene Empathie, die Distanz und die kommunikative Kompetenz.
Für mich die beeindruckendste kommunalpolitische menschliche Begegnung war im Jahr 1993. Während draußen 30 Grad herrschten, trafen wir, eine Delegation aus Heidelberg, in einem auf 18 Grad heruntergekühlten Hotel in Tel Aviv, ehemalige Heidelbergerinnen und Heidelberger. Sie mussten, weil sie jüdischen Glaubens waren, vor den Nazis aus Heidelberg, ihrer Heimatstadt, fliehen. Da Heidelberg von Anfang an leider durch und durch nationalsozialistisch war, gaben sie sich keinen Illusionen hin und flohen rechtzeitig. Das rettete sie. Dieses Erlebnis hatte – auch durch den vertrauten heimatlichen Heidelberger Zungenschlag beim Deutschsprechen – in dieser Umgebung etwas zutiefst Surreales – war aber sehr real. Hier waren die Flüchtlinge nämlich Menschen aus der eigenen Heimatstadt und somit gewann man eine ganz andere Perspektive auf diese Flüchtlingsthematik, die Deutschland oder Heidelberg besonders auch in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre bewegte. Das Flüchtlingsthema verlor an Abstraktheit.
Ich begrüße es daher sehr, dass wir es in Heidelberg dank einer Bürgerinitiative endlich auch geschafft haben, Stolpersteine zu verlegen. Wenn ich durch die Kaiserstraße laufe, sehe ich täglich fast direkt vor meiner Haustür fünf Stolpersteine und das schafft „Das Bewusstsein von der Zerbrechlichkeit der Zivilisation“, wie es Jutta Limbach in diesem Zusammenhang einmal sehr treffend formuliert hat. Weltweit sehen wir täglich in vielen Bürgerkriegen, wie zerbrechlich diese Zivilisation ist und wie unangemessen – so jedenfalls meine Meinung – wir im Zentrum Europas mit der Flchtlingsfrage umgehen.
Neben der Frage nach dem beeindruckendsten Erlebnis wird man auch oftmals darauf angesprochen, was sich denn bei der Arbeit im Gemeinderat inhaltlich verändert hat. Besonders für Dorothea Paschen und mich, die die Zeit von OB Zundel noch intensiv beziehungsweise ich nur kurz miterlebt haben, gilt es zu sagen: Der Umgang zwischen der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat hat sich massiv verändert. Zur Zeit von Oberbürgermeister Zundel wurde den Stadträtinnen und Stadträten strengstens untersagt, mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung Kontakt aufzunehmen und umgekehrt. Das kann man sich kaum noch vorstellen.
Ich möchte daher, auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung – die man im Lauf der Jahre auch in ganz unterschiedlichen Funktionen antreffen kann – sehr herzlich für die Zusammenarbeit danken. Stellvertretend möchte ich hier Andrea Bopp nennen, die unter Oberbürgermeister Zundel Mitarbeiterin im damaligen Hauptamt war, dann im neu gegründeten Kulturamt mitarbeitete und nun Verwaltungschefin im Theater ist. Danken möchte ich für uns auch den Sitzungsdiensten, dem Team um Herrn Brand, die uns stets freundlich und auch besonders bei Computerfragen kompetent zur Seite standen. Vielen Dank im Namen von uns allen!

III.

Ich empfand es immer als sehr umständlich, die vielen papierenen Sitzungsunterlagen aus den einzelnen Ausschüssen auf meinem Teppich (den ich natürlich hier in Deutschland gekauft habe) auszubreiten und für den Gemeinderat zu sortieren. Das fraß viel Zeit. Das Zusammenstellen von Sitzungsunterlagen läuft digital nun viel besser. Aber Hand aufs Herz: Lesen wir die digitalen Unterlagen auch so gründlich wie die auf Papier? Und es bleibt – ob digital oder nicht – dabei, dass es per se zwischen den ehrenamtlich tätigen Gemeinderäten und den hauptberuflichen Mitarbeitern der Verwaltung natürlich Informations- und Kenntnisunterschiede gibt. Zugenommen
haben auch die zusätzlichen städtischen Termine außerhalb der üblichen Sitzungen, und somit sind die Erwartungen an die Verfgbarkeit der Stadträte durch Verwaltung und Bürgerschaft gestiegen, die wir als Berufstätige, die diese Funktion als Ehrenamt ausüben, leider nicht erfüllen können. So war eine meiner letzten Mails an die Stadtverwaltung als Fraktionsvorsitzende auch eine Kritik an einem Termin am Mittwoch, dem 30. Juli, um 14:15 Uhr. Leider mitten in der Arbeitszeit zu einem so wichtigen Thema wie der Einweihung eines Mahnmals zum Gedenken an das Konzentrationslager GURS. (Anmerkung RUNDSCHAU: Begleitend zu diesem Mahnmal hat die Stadtbücherei Heidelberg eine dauerhafte Informationsausstellung zur Geschichte der Juden in Heidelberg bis zu ihrer Deportation sowie über das Lager GURS eingerichtet).
Der Gemeinderat hätte ab und an auch gerne mehr alternative Entscheidungsmöglichkeiten auf den städtischen Vorlagen zur Auswahl vorgelegt bekommen – dagegen steht aber wohl oftmals auch die Intention der politisch geführten Dezernate.
Liebe Frau Knüpfer, dass sie als unsere langjährige, freundliche Begrüßung an der Rathauspforte, heute trotz Urlaub in den Zuhörerraum gekommen sind, um uns zu verabschieden und die neuen Stadträte zu begrüßen, freut uns ganz besonders.

Mit dem digitalen Wandel haben sich natürlich auch die Medien verändert und erweitert, mit denen wir untereinander kommunizieren und auch die Medien, mit denen über die lokale Politik berichtet wird.
Ich frage mich oft, wie wir das früher ohne Mails eigentlich mit den Anfragen, Infos und Abstimmungen untereinander geschafft haben.
Durch eigene Webseiten, Facebook, Twitter, regelmäßige Veröffentlichungen, säuberlichst nach Fraktionsgrößen bemessen im Stadtblatt und auf den Seiten der Online- Zeitung „Die Stadtredaktion“ und weiteren Internetportalen, haben wir die Möglichkeit, über unsere politische Arbeit zu berichten – ab und an ergänzt durch einen Beitrag von SWR 4, dem Rhein-Neckar-Fernsehen, dem Mannheimer Morgen und der Stuttgarter Zeitung.
Aber für viele – gerade ältere und an Kommunalpolitik besonders interessierte Menschen – ist die Rhein-Neckar-Zeitung, die als Tageszeitung nach dem Heidelberger Tageblatt übrig blieb, nach wie vor das wichtigste Informationsmedium. Und daraus resultiert für die Zeitung eine große Verantwortung für den kommunalpolitischen Diskurs. Sie ist für viele das verbindliche Leitmedium –  für manche auch ein Leidmedium mit d. Wenn man Artikel aus den letzten 30 Jahren durchblättert, was ich gemacht habe, so stellt man fest, dass der Platz für Lokalpolitisches – auch ökonomischen Gründen der Presselandschaft geschuldet – immer geringer wird.

Mitte der Achtzigerjahre gab es ganzseitig abgedruckte Fraktionsdiskussionen zu politischen Themen und bis vor einigen Jahren auch noch Gespräche mit den gemeinderätlichen Gruppen vor den Gemeinderatssitzungen. Zugenommen haben hingegen die Stilmittel der persönlichen Wertungen des kommunalen Geschehens schon innerhalb der Berichte, und zugenommen haben die Kommentare zum politischen Handeln. Sachliche Kritik ist wichtig – aber ich empfinde die
Redaktions-Kommentare zu den politischen Positionen von uns ehrenamtlichen Stadträtinnen und -räten nicht selten als verletzend.
Hans-Joachim Friedrichs hat die berühmte Maxime geprägt: „Einen guten Journalisten erkennt man
daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“
Ich würde mir als Befürworterin einer klassischen Lokalzeitung daher wünschen, dass der neue Gemeinderat mit der Lokalredaktion intensiver ins Gespräch kommt und damit auch das Verständnis füreinander im Interesse einer transparenten Berichterstattung gefördert wird.
IV.
Im Namen von uns allen möchte ich an dieser Stelle allen Medien für die – im Regelfall – vertrauensvolle Zusammenarbeit sehr herzlich danken.
Geradezu lächerlich finde ich es angesichts der ganzen aufgedeckten tatsächlichen Skandale im Umgang mit unseren privaten Daten, dass es aus baden-württembergischen Datenschutzgründen nicht möglich ist, öffentliche Gemeinderatssitzungen per Video für die Bürgerinnen und Bürger zu übertragen.
Es bleibt für mich das zentrale Problem bestehen, wie und mit welchen Medien wir transparent für
Bürger machen können, was wir hier im Gemeinderat tun. Schließlich wurden wir von den  Bürgern gewählt und sind ihnen Rechenschaft schuldig.
Mit dem gesellschaftlichen Wandel ging auch ein Parteienwandel einher – oder auch umgekehrt. Es gab früher über gesellschaftliche Themen wie zum Beispiel die Frauenbeauftragte, das Frauenhaus,  das Frauen-Nacht-Taxi, Frauenberatungsstellen, Kinderbetreuung in freien Einrichtungen außerhalb staatlicher Stellen, der Bezuschussung der AIDS-Hilfe, der Einrichtung des Karlstorbahnhofs oder über die gesamte Ausländer- beziehungsweise Migrationsthematik erbittertste Kämpfe und
Redeschlachten im Heidelberger Gemeinderat. Unbescheiden möchte ich sagen, dass die Einrichtung aller dieser – heute Selbstverständlichkeiten – Ende der achtziger und in den neunziger Jahren aufgrund der starken Lagerbildungen im Gemeinderat ohne die Stimme oder Stimmen der FDP gescheitert wären. Die konservativen Kräfte im Rat – im Bereich der Kinderbetreuung waren das auch Teile der SPD – haben diese Themen früher alle massiv bekämpft. Heute herrscht darüber parteiübergreifender Konsens.

Der politische Dissens geht hier heute größtenteils nicht um Gesellschaftspolitisches, sondern eher um Bebauungen und Gebäude. Dies zeigt auch der Erfolg einer anfänglichen Bürgerinitiative, die zu einem ablehnenden Bürgerentscheid beim Projekt Stadthallen-Erweiterung führte. In dieser Konsensgesellschaft wird auch die Unterscheidung zwischen den einzelnen Parteien immer schwieriger. Ich nenne hier zur aktuellen politischen Analyse das Stichwort „Postdemokratie“ und die lesenswerten Thesen von Colin Crouch.
Lokalpolitisch erleichtert die Konsensorientierung eine Konzentration auf Sachthemen und auf die Personen, die diese Sachthemen voranbringen.

Personen

Die scheidenden Gemeinderäte und /Innen mit OB Würzner

Blumen für die  scheidenden Gemeinderäte und /Innen von OB Würzner Foto: Phlipp Rothe

Wie ich Ihnen, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, zu Anfang meiner Rede schon gesagt habe, habe ich die Kollegen und Kolleginnen, die mit mir den Gemeinderat verlassen, angeschrieben, damit sie mir ihre in dieser Rede einzubauenden Wünsche und Abschiedsworte mit auf den Weg geben können. Ich bemühe mich hier im Folgenden, den einzelnen gerecht zu werden – ohne zu viel von dem vom Oberbürgermeister und mir bereits Gesagten zu wiederholen.

Selbstverständlich handelt es sich bei den Charakteristiken der Personen um meine Worte und nich um die gemailten. Gemailt wurden Statements und Wünsche.
Ich orientiere mich in der Reihenfolge an der Zeitdauer im Gemeinderat.
Karin Werner-Jensen, die 20 Jahre im Gemeinderat tätig war und vielen als leidenschaftliche Kämpferin, als „LindA“ für die Altstadt, ein Begriff ist, hat im sozialen Bereich einiges auf den Weg gebracht, was vom Oberbürgermeister bereits gewürdigt wurde (die Elternberatung im Kindergarten, ein Euro Mittagessen für bedürftige Kinder, Erhalt des Kinderschutzzentrums der AWO). Besonders erwähnen möchte ich persönlich aber noch, dass ohne ihr Beharrungsvermögen Cornelius Meister seines jugendlichen Alters wegen gar nicht zu einem Probedirigat für die Stelle als GMD eingeladen worden wäre. Sie hat uns in der Personalfindungskommission dazu überredet
und das war sehr gut so.
Ihr liegt die „erlebte erzählte Stadtgeschichte“ am Herzen. Sie hat ebenso stets leidenschaftlich für die Kultur gefochten und gibt dem Gemeinderat auf den Weg „Vergesst uns die Kultur nicht“.
V.
Da der halbe bisherige Kulturausschuss ausscheidet (sechs von uns) und mir das Thema persönlich auch sehr am Herzen liegt, werde ich zum Thema Kultur später noch etwas mehr sagen.
Dorothea Paschen war 19 Jahre im Gemeinderat. Wie wir aber schon gehört haben, seit 1984 und dann nach einer Unterbrechung von 11 Jahren seit 2009. Besonders der Kultur- und Umweltpolitik galt ihre Leidenschaft.
Außerdem hat sie die große Gabe, mit Charme und Stil die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen und zum Gespräch anzuregen. Dorothea Paschen war aber auch gewissermaßen die FDP-Beauftragte der GAL und Grünen seit 1984.Wenn Doro dienstags morgens in mein Telefon säuselte wusste ich, es galt nicht mir persönlich, sie hatte einen Fraktions-Auftrag, den ich leider nicht so oft positiv beantworten konnte.
Abschiede hat sie nie gemocht, schon gar keine endgültigen, schreibt sie. Sie blickt positiv auf die vielen Jahre im Gemeinderat zurück und gibt dem Gemeinderat einen Spruch des Dichters Otto Heuschele für den zukünftigen Umgang mit auf den Weg: „Das uns Widersprechende zu achten und zu beachten ist ein Zeichen wahrer Freiheit und echter Bereitschaft zum Gespräch.“

Ernst Gund, der 17 Jahre im Gemeinderat weilte und dessen Vorname gar nicht seiner Lebensart entspricht, trägt auch ein Stück Heidelberger Stadtgeschichte – aber auch klassische Bildungsgeschichte – mit sich, die dem Gemeinderat fehlen wird.
Ernst hat schon im Griechisch-Unterricht am KFG den Heraklit´schen Ausspruch „panta rhei“ (alles fließt) als Maxime für die Politik gelernt: Alles ändert sich und unsere Aufgabe ist es, das Neue so zu gestalten, dass es das Alte nicht zerstört. Das passt auch zum Begriff „Nachverdichtung“, zu dem unbedingt das Adjektiv „behutsam“ hinzugenommen werden muss, wie er schreibt.
Außerdem ist Ernst – wie ich erfahren durfte – ein Fabianer, nach der Fabian Society von George Bernhard Shaw, der den Sozialismus „behutsam“ einführen wollte (ich rufe der CDU zu:
Aufgemerkt!), nach dem römischen Feldherrn Quintus Fabius Maximus Cunctator, der Zauderer, der durch sein behutsames Ausweichen vor dem kriegerischen Hannibal diesen schließlich besiegte. Wie Vergil schreibt: „qui cunctando restituit rem“, der durch sein Zaudern den Staat gerettet hat.
Kompromiss ist für Ernst kein Schimpfwort, sondern Lebensprinzip.

Margret Hommelhoff, die 15 Jahre im Gemeinderat war, möchte ich meinen besonderen Dank für die ausgezeichnete Zusammenarbeit aussprechen. Wir sind zwei sehr unterschiedliche Menschen und haben uns 1999 im ersten Jahr unserer Zusammenarbeit etwas schwergetan – aber dann ganz schnell ein ausgezeichnetes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Wir haben beide verschiedene Strömungen und Elemente des liberalen Spektrums vertreten. Immer waren wir darum bemüht, uns
mit den Anliegen der  Bürger gründlich zu befassen. Viele Flächen in der Stadt haben wir gemeinsam befahren und begangen, um genau zu wissen, über welche Gebiete und
Gebäude wir reden.
Wenn wir in der einen oder anderen Baufrage zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, konnten wir das den Bürgern immer inhaltlich begründen, und daher hat sich niemand daran gestört, wenn wir auch unterschiedlich beim „Neckarufertunnel“ oder der „Straßenbahn nach Kirchheim“ abgestimmt haben – ganz im Gegenteil, das wurde anerkannt. Die letzten Jahre haben uns ganz besonders zusammengeschweißt. Margret Hommelhoff war und ist es immer ein wichtiges Anliegen, so schreibt sie, bei der Stadtentwicklung und Verkehrsplanung die Forderungen von Universität und Klinikum als den größten Imageträgern und Arbeitgebern Heidelbergs angemessen zu berücksichtigen.
Sie zweifelt allerdings daran, ob ihr das gelungen ist. Ich persönlich denke: Es ist.
Mit unserem Aufhören wird zum ersten Mal seit 1947 nach Hannah Walz, Dr. Margarete Massias, Hertha Tudor-Wallner, Helga Bräutigam und uns beiden, keine Frau aus einer liberalen Partei mehr im Gemeinderat sein. Aber wir haben uns ja ganz bewusst dazu entschlossen, nicht mehr zu
kandidieren.

VI:

Unseren beiden übrig gebliebenen Fraktions-Kollegen wünschen wir in der Arbeitsgemeinschaft mit den Freien Wählern alles Gute und viel Erfolg. Für das Thema „Freiheit“ gibt es – ganz gegenteilig zum Wortgebrauch im so genannten „Freihandelsabkommen“ und bei „Freedom of speech“ als Handy-Tarif-Werbung – für Liberale viel zu tun.
Barbara Greven-Aschoff ist die Stimme der Berg-Stadtteile Boxberg und Emmertsgrund. Auch sie wird daher nach 15 Jahren im Gemeinderat eine Lücke hinterlassen. Sehr kundig in allen Fragen des Bauausschusses und immer sehr sachorientiert argumentierend, gibt sie einen Wunsch zur Bürgerbeteiligung mit auf den Weg, die ihr sehr am Herzen liegt.
Ihr ist wichtig, dass von Verwaltungsseite sehr transparent und offen mit den Informationen über Entscheidungsfaktoren bei einer Bürgerbeteiligung umgegangen werden muss. Sie legt Wert darauf, dass den sich beteiligenden Bürgern klar sein muss, dass ihre Positionen im Beteiligungsprozess in der öffentlichen Diskussion kritisierbar bleiben werden und dass Beteiligung eben nicht entscheiden heißt, sonst entstehen Missverständnisse.

Margret Dotter war „nur“ 15 Jahre im Gemeinderat, aber schon viel länger in der Stadtpolitik als Vorsitzende des Ausländerrats als Pionierin und Wegbereiterin für das Thema „Integration“ in allen Politikbereichen tätig. In den neunziger Jahren – ich bin bereits in meiner Rede kurz darauf eingegangen, – die von fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Deutschland geprägt waren, hat die Schwedin Margret Dotter für die Interessen der ausländischen Bevölkerung in Heidelberg gekämpft
und für Toleranz und Akzeptanz geworben.
Ich war als Stadträtin oftmals bei den Aktionen dabei. Auch bei dem einen oder anderen Ouzo – ich sage nur „Arme in de Winkel“ hej hej“ – den wir in der griechischen Taverne nach anstrengenden Sitzungen und Terminen getrunken haben. Alter Schwede …
Margret hat viele Aufklärungskampagnen in Schulen, Kirchen und Verbänden abgehalten und die zwei km lange Lichterkette in Heidelberg war legendär. Und Heidelberg hat heute ein eigenes Dezernat für diese Fragen der Integration.
Margret Dotter ruft dem Gemeinderat zu: – Verbringen Sie bitte weniger Zeit damit, Fehler beim politischen Gegner und dessen Ideen zu suchen!
– Lassen Sie die Entscheidungsfindungen weniger von Parteiprofilierung und mehr von Sachpolitik geprägt sein!
– Arbeiten Sie in respektvollem Umgang und gegenseitiger Wertschätzung an einer zeitnahen
Umsetzung unserer Leuchtprojekte „Stadt an den Fluss“, „die fünfte Neckarbrücke“ und „das
neue Konferenzzentrum“, so Margret Dotter.

Es ist bedauerlich, dass Derek Cofie-Nunoo aus gesundheitlichen Gründen nach zehn Jahren im Gemeinderat nicht mehr kandidiert hat und hoffentlich nur eine politische Pause einlegen muss. Wir Kolleginnen und Kollegen wünschen Dir alle eine gute Genesung und danken Dir und Pascal
Baumgärtner, der nach fünf Jahren leider nicht mehr gewählt wurde, für viele anregende Impulse aus der Generation HD, die oftmals – ich nehme mich da nicht aus – aufgrund ihrer Neuheit auf Skepsis stießen. Sie werden sich aber sicherlich – ich nehme hier die Kreativwirtschaft oder das Urban Gardening als Beispiel – mit dem Wandel der Gesellschaft genauso durchsetzen wie sich andere neue Themen nach anfänglicher Skepsis allgemein durchgesetzt haben
Pascal Baumgärtner dankt für sehr viele wichtige Erfahrungen, die er sammeln konnte. Allerdings stellt er fest, dass es für jemandem in seinem Alter nicht leicht ist, ein solches Ehrenamt auszuüben.
Die Zeit sollte, so Baumgärtner, eher in die berufliche Laufbahn investiert werden. Oft fühle man sich befangen und sollte eigentlich auf Seiten der Antragsteller sitzen als über deren Belange abzustimmen. Er wünscht dem neuen Gemeinderat viel Erfolg bei dem Versuch – ohne Zerrissenheit und mit Toleranz gegenüber neuen, kreativen Ideen – , die Bedürfnisse der der Stadt und deren Bürger, positiv umzusetzen.

Ich erlaube mir eine ganz persönliche Bemerkung an dieser Stelle: Ich bedauere zutiefst, dass der engagierte Vertreter im Ausländerrat, Waseem Butt, sich nicht vor der Wahl überlegt hat, auf welcher Liste er kandidiert, und als Spitzenkandidat der Generation Heidelberg vor der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates zur CDU übergewechselt ist. Wechsel aufgrund von politischen oder persönlichen Differenzen gab es natürlich immer schon im Gemeinderat, aber ein solcher – ich nenne es einmal im Verwaltungsdeutsch „Vorgang“ – ist mir in der von mir erlebten Stadtgeschichte neu, und ich finde die Art und Weise auch nicht gut.

Derek Cofie-Nunoo schrieb sichtlich enttäuscht über die Vorfälle als sein persönliches Statement für diese Rede: Zitat „Wer nimmt zukünftig Bürgerbeteiligung noch ernst, wenn Wählerentscheidungen gekippt werden und eine große, sich christlich, demokratisch nennende Partei sich aus machtpolitischen Motiven das Motto gibt: ‚Moral? Egal, Hauptsache legal!‘ Der Vertrauensschaden bei den Wählern unserer Stadt wird enorm sein. Doch das spielt bei dieser Entscheidung keine Rolle. Frei nach der Devise: „auch die Kommunalpolitik ist halt ein schmutziges Geschäft“. Eine Haltung, die ich mit meinem politischen Wirken immer zu widerlegen versucht habe“, Zitatende Cofie-Nunoo.

Bedauerlich finde ich auch, dass die gerade auch in sozialen Fragen und Fragen der Stadtentwicklung engagierte Stadträtin Gabriele Faust-Exarchos nach fünf Jahren der Gemeinderatsarbeit für die GAL leider nicht mehr gewählt wurde. Das Thema, das sie gerne weiter verfolgt sehen möchte, ist ein gleichberechtigtes Zusammenleben in unserer Stadt, eine neue Gesellschaftspolitik, die Offenheit für Alternativen schafft und nicht unumstößliche Prioritäten. Sie propagiert: Transparenz, Toleranz und Teilhabe, damit auch die kleinen Projekte und die kleinen Leute zum Zuge kommen. Bürgerbeteiligung darf nicht Selbstzweck oder gar Alibi sein, sondern muss als ergebnisoffener und bereichernder gesellschaftlicher Dialog begriffen werden.
Außerdem liegen ihr die Belange der Altstadt besonders am Herzen.

Last but not least hat Claudia Hollinger, die fünf Jahre für die Grünen im Gemeinderat saß, leider nicht mehr kandidiert und ist von ihrem Fraktionsvorsitz auch schon länger zurückgetreten, weil sie als berufstätige Frau mit zwei kleinen Kindern das Ehrenamt leider zeitlich nicht mehr ausüben konnte. Sie hat zwar für diese Rede kein Statement verfasst, aber ich finde, diese zeitliche Unvereinbarkeit der Lebenssituation mit einem Gemeinderatsmandat sollte uns für die Repräsentativität und für die Zusammensetzung des Gemeinderates zu denken geben. Für Claudia Hollinger wird es natürlich in Zukunft schwierig, weiterhin die Anerkennung ihrer beiden kleinen
Söhne zu erhalten. Sie konnte bei ihren Kindern nämlich bisher damit punkten, dass die Mama die
Müllautos für die Stadt kauft. Jetzt muss sie sich etwas Neues einfallen lassen.

Wie bereits erwähnt, gehen mit uns auch sechs so genannte „ordentliche“ – so heißt das im Verwaltungsdeutsch (ohne, dass die anderen unordentlich wären) – Mitglieder des derzeitigen Kulturausschusses. Daher wollen wir eine gemeinsame Bitte an den neuen Gemeinderat und natürlich auch an die Verwaltung richten, die Kultur – obwohl sie verwaltungstechnisch zu den so genannten Freiwilligen Leistungen zählt – künftig nicht zu vernachlässigen.

Ich wiederhole etwas abgewandelt aus meiner Haushaltsrede vom 18. Dezember 2012:
Das Wort Kultur stammt vom Lateinischen „colere“: „pflegen, urbar machen“, das sich zunächst auf den Acker bezog und dann aber auch „die Pflege der geistigen Güter“ meinte. Und gerade in einer Gesellschaft, in der der Materialismus bei manchem den einzigen Sinn des Daseins ausmacht, ist die Pflege der geistigen Güter wichtiger denn je. Seit Aristoteles spricht man davon, dass der Theaterzuschauer bei einer Tragödie seine Seele von gewissen Affekten reinigt (Katharsis).
Kulturelles und Geistiges hat daher seit jeher in unseren Augen immer etwas mit der menschlichen Seele zu tun, die durch das Dargebotene berührt wird. Die Ästhetik wird angesprochen, das Nachdenken über sich und die Gesellschaft kann angeregt werden, man muss sich auch mit Themen
auseinandersetzen, die auf den ersten Blick etwas sperrig und nicht so leicht konsumierbar wirken.

VIII.

Das Individuum in diesen Dingen zu schulen und zu bilden, ist eigentlich ein zutiefst liberaler Gedanke – es ist ein Gedanke der Aufklärung. Mit Bildung meinen wir aber nicht: „Wer wird Millionär“. Der „Wert“ der Kultur lässt sich nicht messen. Das ist vielleicht das Problem in unserer heutigen Zeit und ein Problem für die Akzeptanz.
Es geht bei der Kulturförderung also nicht um die Förderung von netten persönlichen Hobbys von irgendwelchen netten Leuten, sondern um die Förderung von Qualität zur Förderung der geistigen Güter der Gesellschaft und zur Bildung der Menschen.

Danken möchten wir an dieser Stelle den Heidelberger Kultureinrichtungen für die schöne Abschieds- bzw. Begrüßungsfeier.
Wir möchten Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die gute Zusammenarbeit danken und ich persönlich auch noch ganz besonders den Fraktionsvorsitzenden für den vertrauensvollen und fairen Umgang in vielen gemeinsamen Runden und Ältestenratssitzungen.

Zum Abschluss habe ich noch eine große Bitte an den Gemeinderat, die ich mit einem jetzt auf der Leinwand erscheinenden Bild unterstreichen möchte: Vergessen Sie nicht, dass die Arbeit auch Spaß machen muss und dass man auch miteinander ab und zu über Parteigrenzen hinweg feiern sollte – wie die Gemeinderäte das seit 1992 mit ihren legendären Hexentreffen tun. Die Idee dazu hatte Margrit Nissen, die ich als „Alt-Stadträtin“ der SPD im Publikum herzlich begrüße. Von unserem 20-jährigen Hexenjubiläum im Jahr 2012 mit vielen Altstadträtinnen und netten Gästen stammt dieses Foto, das Sie dazu anregen soll, auch künftig miteinander in geselligen Runden Spaß zu haben und zu lachen.
In diesem Sinne möchte ich schließen mit den unglaublich tiefschürfenden Refrainzeilen des Sängers Mark Forster, die ich im Folgenden originalgetreu zitieren werde und die für alle den Gemeinderat verlassenden Kolleginnen und Kollegen gelten. Diese Zeilen sind extra für uns in diesem Jahr auf den Musikmarkt gekommen, und vielleicht können sie im Gemeinderat die Kult- Nachfolge von Cindy und Bert antreten:
„Es wird nie mehr sein wie es war
ich bin weg Oh Oh (Oh Oh) Au Revoir
(Oh Oh) Au Revoir aaah
(Oh Oh) Au Revoir
(Oh Oh) Au Revoir aaah aaah aaah“
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Juli 2014 | Heidelberg, Allgemein, Politik | Kommentieren