Europäische Presseschau vom 24/06/2014
USA stellen Bedingungen für Einsatz im Irak
US-Außenminister John Kerry hat am Montag in Bagdad erneut die Bereitschaft Washingtons zu Militärschlägen gegen die Isil-Milizen signalisiert. Gleichzeitig forderte er Premier Nuri al-Maliki auf, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Damit verlangen die USA sehr viel, analysieren einige Kommentatoren und erinnern aber daran, dass es einst der Irak war, der den Abzug der US-Truppen forciert hat.
Diário de Notícias – Portugal
Bagdad zahlt hohen Preis für Hilfe
Mit der Forderung, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, verlangen die USA von den derzeitigen Machthabern im Irak sehr viel, analysiert die liberal-konservative Tageszeitung Diário de Notícias: „Washington hat erkannt, dass der Irak tatsächlich vom Zerfall bedroht ist. Daher ist auch der US-Chefdiplomat nach Bagdad gereist. In seiner Tasche hat er Zusagen, aber auch Bedingungen. … Die USA – wie auch die EU – verlangen, dass der derzeitige Premier Nuri al-Maliki eine Regierung bildet, in der Schiiten, Sunniten und Kurden vertreten sind. Eine schwere Entscheidung für den Schiiten Maliki, der seit vier Jahren an der Macht ist und sich ausschließlich auf Schiiten verlässt. Aber er wird dies tun müssen (und das so schnell wie möglich), wenn er das Land und die Region vor den sunnitischen Extremisten retten will. Es sieht danach aus, dass Saudi-Arabien diese nicht mehr unterstützen wird, wenn Iran seinerseits seinen Einfluss auf Bagdad begrenzt – all dies sozusagen im Tausch für die Unterstützung der USA.“ (24.06.2014)
Der Standard – Österreich
Abzug aus dem Irak war nicht Obamas Fehler
Der Vormarsch der radikal-islamischen Isil-Rebellen hat nach Ansicht der linksliberalen Tageszeitung Der Standard zu Unrecht eine Diskussion darüber ausgelöst, ob Obama mit dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak einen Fehler gemacht hat: „Es ist erstaunlich, wie sich – bewusst platzierte – falsche Geschichtsversionen festsetzen. Obama hat es als erfülltes Wahlversprechen verkauft, als die US-Truppen den Irak verließen. Tatsächlich wäre Washington gerne mit einer gewissen militärischen Stärke im Irak verblieben – aber die Verhandlungen über die Verlängerung des von Präsident George Bush 2008 abgeschlossenen ‚Status of Forces Agreement‘, das den Abzug 2011 vorsah, scheiterten. Damals verweigerte Premier Nuri al-Maliki, auch nach Zuruf aus Teheran, den USA die Immunität für ihre Truppen. Heute würde er sie mit Handkuss gewähren, wenn die Amerikaner zu mehr Engagement bereit wären.“ (24.06.2014)
Avvenire – Italien
Der verlockende Traum vom Kalifat
US-Außenminister Kerry hat in Bagdad Geschlossenheit im Kampf gegen die Isil-Milizen gefordert und betont, dass die USA notfalls auch vor der Bildung einer Einheitsregierung militärisch eingreifen würden. Eine Regierungsbildung setzt einen Staat voraus und genau den bekämpfen die Dschihadisten, analysiert die katholische Tageszeitung Avvenire: „Die nationale Dimension ist eindeutig kontraproduktiv, da die Dschihadisten jede westliche Kontaminierung ablehnen und einen totalen Kampf gegen alle Feinde des Islams fordern. Die alte Idee eines Kalifats bietet für sie eine einfache politische Lösung, ohne ihrer Bewegung zu schaden. Denn so können sie den Machthabern, die diese Idee bekämpfen, die Legitimität absprechen. … Als Doktrin kommt das Kalifat perfekt dem zwanghaften Verlangen der verschiedenen Ideologen des Dschihadismus entgegen, zu den wahren Wurzeln des Islam zurückzukehren.“ (24.06.2014)