Ein Film als radikale und künstlerisch überzeugende Anklage gegen religiösen Fundamentalismus.
Dietrich Brüggemanns Film „Kreuzweg“ stand als der künstlerisch eigenwilligste von drei deutschen Filmen im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. Zusammen mit seiner Schwester Anna Brüggemann wurde er mit dem Silbernen Bären für das Beste Drehbuch ausgezeichnet. Damit würdigte die internationale Jury ein ungemein konsequent erzähltes und gefilmtes Drama, das über den Opfergang der 14-jährigen Maria (Lea van Acken) in 14 ungeschnittenen und bis zu 15 Minuten langen Szenen erzählt. In höchster Konzentration und Intensität gestalten herausragende Darsteller vor ruhiger Kamera einen modernen Kreuzweg Jesu. Maria geht ihn, um als wahre Glaubenskriegerin ihren stummen kleinen Bruder zu heilen.
Anklage gegen religiösen Fundamentalismus
Der Film ist eine radikale und künstlerisch überzeugende Anklage gegen religiösen Fundamentalismus nicht irgendwo in der islamischen Welt, sondern hier bei uns, in einer kleinen Stadt im Südwesten Deutschlands.
Im Firmunterricht einer Priesterbruderschaft, die den Piusbrüdern nachempfunden ist, wird Maria auf die Konfirmation vorbereitet, was vor allem bedeutet, dass der Priester (Florian Stettner) den Kindern jegliche natürliche, dem Leben in ihrer normalen Welt zugewandte Neigung austreiben will. Er macht so besonders Kinder wie Maria zu Außenseitern, was von der fanatisch strenggläubigen Mutter (Franziska Weisz) noch verschärft wird. Sie bestraft ihre Tochter mit Liebesentzug, als sie den Wunsch äußert, in einem Kirchenchor auch Gospel und Soul zu singen, und hintertreibt auf peinigende Weise die sich anbahnende Freundschaft mit einem Klassenkameraden. Damit wird Maria in einen tiefen Konflikt gestoßen, aus dem sie sich mit einer radikalen Entscheidung befreit. Sie bedeutet ihr Todesurteil und kann auch von der besorgten Umwelt – von Lehrern, Eltern und Ärzten – nicht aufgehalten werden.
Pervertierung eines Glaubensbekenntnisses
Anna und Dietrich Brüggemann, die mit Filmen zur Jugendkultur („Renn wenn Du kannst“, „3 Zimmer, Küche, Bad“) glänzten, schöpfen aus eigener Erfahrung in einem katholischen Internat. Aber mit Maria haben sie eine so reine und wahrhaftige Heldin geschaffen, dass man ihren Film nicht einfach als Kirchenkritik abtun kann. Ihnen geht es um die Pervertierung eines ja auf das Heil der Menschen gerichteten Glaubensbekenntnisses, das ein junges Leben zerstört. Die zu den Dreharbeiten 14-jährige Lea van Acken ist einfach grandios, Franziska Weisz spielt die erbarmungslose Mutter und Florian Stetter den Priester, der seine Zöglinge auf perfide Art in ein untaugliches Lebenskonzept presst.