Kommunalpolitik sollte repräsentativ sein, effektiv und vor allem demokratisch – die Wirklichkeit jedoch sieht oft anders aus. So sinkt seit Jahren das öffentliche Interesse an der kommunalen Politik und den damit verbundenen Wahlen. Viele Bürger fühlen sich oft nicht genügend beachtet und entwickeln eine zunehmende Politikverdrossenheit. Dies wirkt sich negativ auf die Qualität der örtlichen Politik aus.


Auf dieser Seite können Sie bis zur Kommunalwahl am 25. Mai 2014 Allgemeines über die Strukturmerkmale kommunaler Demokratie lesen, sowie aber auch konkrete Einblicke ins kommunalpolitische Geschehen der Stadt Heidelberg und Analysen lokalpolitischen Geschehens erhalten. Interviews werden hier ebenso gebloggt wie Kommentare zur Lokalpolitik, den Strippenziehern im Hintergrund und den „Machern“ im Vordergrund. Womit wir Ursachen und Folgen des mangelnden Interesses an kommunaler Politik darzustellen versuchen – und Interesse an alledem wecken wollen. Und noch und immer mal wieder: Meine im Jahr 2009 gestellte Prognose, wie der Heidelberger Gemeinderat mit den Mehrheitsverhältnissen, die es nach der letzten Kommunalwahl gibt, agieren würde, das ist von der Wirklichkeit längst überholt. Weshalb ich auf dem Listen-Platz 14 der Freien Wähler Heidelberg für den Gemeinderat kandidiere. Ich werbe um drei kumulierte oder panaschierte Stimmen auf egal welcher Liste (wobei das natürlich sehr gerne auch auf der FWV Liste geschehen mag). Über meinen „Werdegang“ werde ich hier noch schreiben, wie ich „ticke“ wissen Sie als Leser der vormals „Heidelberger Rundschau“  und seit einigen Jahren der „Neue Rundschau“ ja zu Genüge!  Sie werden nach der Wahl in der Neuen Rundschau lesen können, was Sie davon haben, mich gewählt – oder nicht gewählt – zu haben! Denken Sie daran, dass Kommunalwahl – wesentlich jedenfalls – eine Persönlichkeitswahl ist. Und dass Fraktionszwang bei Entscheidungen nichts zu suchen hat und nicht ohne Grund strafbewehrt ist. Jürgen Tenno Gottschling

„Vorentscheider

Faktische Entscheidungsprozesse in der Kommunalpolitik sind – was Wunder auch in Heidelberg – oft durch Herrschaftsverhältnisse und Prozeduren gekennzeichnet, die den Normen der Demokratie und der Gewaltenteilung diametral widersprechen. Eine Schlüsselrolle haben dabei die so genannten „Vorentscheider“.
Der Ablauf eines kommunalen Entscheidungsprozesses tritt kaum in seiner Reinform auf: Problem – Vorlage – Beschluss. Vielmehr bestehen in der Praxis zwischen führenden Personen vielfältige informelle Beziehungen. Diese „Vorentscheider“ sind nicht nur Bürgermeister und Verwaltungschef, sondern auch Fraktions- und Ausschussvorsitzende, Dezernenten und Amtsleiter, Verbands- und ähnliche Funktionäre sowie Experten auf bestimmten Sachgebieten wie etwa – und da wären wir in Heidelberg ja noch gut bedient – Architekten.

Diese Gruppe übt wie in einer Oligarchie Herrschaft aus. Sie schließt bestimmte Gruppen und Personen vom politischen Einfluss aus. Sie schirmt die Vorbereitungen solange ab, bis ein Konzept der öffentlichen Kritik standhalten kann. Das passiert in Großstädten strukturell nicht anders als in Heidelberg. Die Struktur solcher „informellen kommunalen Entscheidungsprozesse“ scheint auch vom Typ der Gemeindeverfassung weitgehend (na ja, sagen wirs mal durch die Blume) unabhängig zu sein.

Die Vorentscheider verfügen über eine zentrale Stellung im Informationsfluss, über Zeit, soziale Techniken, Informationen, nützliche berufliche Kenntnisse. Ihre informelle Struktur verfestigt sich im Laufe der Zeit zu Klientelbeziehungen: Ressortegoismus deckt sich mit gruppenegoistischen Interessen.
Diese Praxis illustriert ein faktisches Strukturelement der Kommunalpolitik: Die relevanten, zu Entscheidungen führenden Debatten werden nicht-öffentlich geführt. Die politischen Weichenstellungen, der Fahrplan werden jedoch nicht nur nichtöffentlich in den zuständigen Gremien, sondern „im Geheimen“, im Fraktionsvorstand, in der Partei jeweils mit den Vertretern der Verwaltung „abgekaspert“, und man kann hinterher überhaupt nicht mehr unterscheiden, was der originäre Anteil der Verwaltung und was Parteipolitik ist. Nicht nur werden in einem solchen Prozess nicht nur „normale“ Ratsmitglieder, sondern und erst recht die jeweilige Partei-Basis.

Eine Zuspitzung ist in Städten mit langjähriger Mehrheit einer Partei (auch wenn diese wie hier in Heidelberg durch – ja ich beliebe das so zu nennen – Wählerbetrug zustande gekommen ist: >Da werden dann schon auch mal Verwaltungsbeamte vorab in ihrer Tätigkeit unterdrückt, und zwar von Gremien, die nach der Gemeindeordnung überhaupt nichts zu sagen hätten. Oft ist die Verwaltung schon vorher „auf Linie“, und wenn etwas in den Ausschuss oder Rat kommt, in denen eigentlich zu entscheiden wäre, gibt es nichts mehr zu entscheiden. Die Verwaltung muss so tun, als sei ihre Meinung, was auf dem Tisch liegt. ,,Herr Stadtrat/In Ix Ypsilom legt Wert darauf, dass den Arbeitsaufträgen der XY-Planungsfraktion umgehend nachgegangen wird.“ Diese Mitteilung war protokolliert in einem verwaltungsinternen Papier, das eines Tages morgens kursierte, als nachmittags der zuständige Ausschuss das erste Mal über diese Angelegenheit reden sollte. Damit wird nicht nur die gesamte Ausschussarbeit ad absurdum geführt – die im Heielberger Gemeinderat sowieso oft genug als Ausschuss behandelt wird

Im Grunde kommt die Mehrheitspartei ihrer Verpflichtung nicht nach, gegenüber der Öffentlichkeit ihre politische Auffassung zu zeigen. Wenn nötig, kann sie immer so tun, als sei das Präsentierte Verwaltungsmeinung, die von der Partei allenfalls untertützt werde. Folge davon ist, dass man die Partei überhaupt nicht mehr politisch verantwortlich machen kann. Wenn, was dann beschlossen wird, schief geht, ist es immer die Verwaltung gewesen, oder die Partei kann sich sogar schützend vor die Verwaltung stellen gegen die angeblich unsachlichen Angriffe von der Rathausopposition.

Mit politischer Courage könnten die Auseinandersetzungen viel rationaler und demokratischer laufen. Dann würde ein gewählter Verwaltungsbeamter seine fachliche Meinung sagen und Vertreter der Fraktionen auffordern, andere Positionen ins öffentliche Verfahren einzubringen, um sie dann zu diskutieren.

Andersherum funktioniert es natürlich auch. Eine vom Parteieinfluss relativ unabhängige oder zur Mehrheit politisch konträr stehende Verwaltung geht mit Vorlagen und Papieren in die Sitzung, die bei „vernünftiger“ Würdigung nur eine „vernünftige“ Entscheidung zulassen. So kommt es denn auch, und hinterher freut sich (zwar verständlicherweise, aber …) der Amtsleiter, dass das gewünschte Ergebnis zustande gekommen ist: Die Berichterstattung ist oft nicht ehrlich, das Vorbereiten der Sitzung bestand darin, Unterlagen zu frisieren und auszudünnen, nur das in die Vorlage zu geben, was die gewünschte Entscheidung stützt. Misstrauen und Verweigerung der Verwaltung geschehen nicht unbedingt aus einem politischen Interesse heraus, oft genügen Motive wie Pragmatismus, Einfachheit, reibungsloser Verwaltungsablauf und so weiter, woraus sich schon vor langer Zeit die ,,ehernen Verwaltungsgrundsätze“ destillieren ließen: ,,Das haben wir schon immer so gemacht. Wo kämen wir denn hin, wenn … Da könnte ja jeder kommen“ beispielsweise (und der versucht es, auf Platz 14 der Freien Wähler Heidelberg zu tun) Jürgen Tenno Gottschling – für den obiger Artikel Grund genug ist, eingedröselte Strukturen emtknoten zu wollen.   … via Heinrich Böll Stiftung

Literatur
Naßmacher, H./ Naßmacher, K.-H.: Kommunalpolitik in Deutschland, Opladen 1999 (insbesondere den Abschnitt „Kommunaler Entscheidungsprozeß“, S. 307 ff.).
Wollmann, H./ Roth, R.: Kommunalpolitik. Politisches Handeln in den Gemeinden, Bonn 1998.

März 2014 | Allgemein | 3 Kommentare