Unter dem Titel „Ersessene Kunst — Der Fall Gurlitt“ befassen sich am 26. Januar 2014 WissenschaftlerInnen und JurististInnen mit den Themen u. a. mit der Geschichte der Sammlung Gurlitt, der Klassifizierung von Kunstsammlungen als Raubkunst, Beutekunst u. ä. sowie historischen und gegenwärtigen Aspekten der Restituierungspraxis.

Wer meinte, bei der Bearbeitung des nationalsozialistischen Erbes könne es nach 70, 80 Jahren keine Überraschung mehr geben, den hat der Fall Gurlitt eines Besseren belehrt.
Überraschend war der Fund von 1280 oder auch 1406 Bildern und Zeichnungen in der Schwabinger Wohnung des betagten Kunsthändlersohns, ebenso überraschend die Heimlichtuerei der zuständigen Staatsanwaltschaft, aber nicht minder irritierend die Wechselfälle der auf die Entdeckung der Entdeckung folgenden öffentlichen Debatte. Es scheint, als stünden bis heute keine klaren Kriterien zur Bestimmung von Unrecht damals und Recht heute bereit, als gebe es nicht zureichend Kommissionen und Instanzen, die Bilder wie auch Fakten sortieren und den Fall, wenn schon geschehen, dann doch wenigstens ordnungsgemäß abwickeln könnten. Stattdessen schwankt die Debatte, befeuert von widersprüchlichen Experten-Äußerungen, zwischen „Raubkunst“, „Kunstraub“ und „Unrecht“, und eine ob des eigenen Vorgehens unsicher gewordene Staatsanwaltschaft lässt mittlerweile gar durchblicken, man „könne die Bilder eigentlich zurückgeben“.
Ziel der Tagung ist die Erhellung historischer, rechtlicher und ethischer Dimensionen des Falls Gurlitt sowie die Verbindung aller dreier jenseits einer rein positiven rechtlichen Beurteilung. Ein weiterer Aspekt ist die mediale Seite des Falls Gurlitt. Dazu sind Beiträge angefragt, die die Werke der Sammlung klassifizieren (Raubkunst, Beutekunst, rechtmäßig erworbenes Eigentum), sich mit Kunsthandel und Museumspraxis vor und nach 1945 befassen, die Geschichte der Sammlung Gurlitt erhellen und fundierte Vorschläge für den weiteren Umgang mit ihnen, in Teilen und als Gesamtes, machen; ferner sind Beiträge angefragt, die sich mit vergleichbaren Fällen beschäftigen oder grundsätzlich historische und gegenwärtige Aspekte der Restituierungspraxis thematisieren.

Lesen Sie hier das vorläufige Programm:
„Ersessene Kunst – der Fall Gurlitt“ Programmfolge – Entwurf 19.1.14 (Änderungen vorbehalten)
10:00 Begrüßung und Einführung
Johannes Heil, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg 10:15 –12:15

Teil I: Exempla und Fragen Jim Tobias, Nürnberger Institut, Nürnberg Die ‚Stürmer-Bibliothek‘ und die Eigentumsfrage nach 1945
Anat Feinberg, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

Die Arisierung 1933 des „Alten Schauspielhauses“ in Stuttgart und der Kampf des jüdischen Besitzers um die Rückgabe nach dem Krieg.
N.N., angefragt Thema [Deposita privater Leihgeber – zur Problematik hinter den Sammlungen]
Annette Weber, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg Kunstbedürfnis und Verantwortung ? Zur Rezeption“ ehemals verfemter“ Kunst nach 1945.

Mittagspause
13:15 -15:15, Teil II: Verläufe und Bedingungen
Katja Terlau, Kunsthistorikerin (Provenienzforschung), Köln
Hildebrandt Gurlitt und sein Wirkungskreis
Nicholas M. O’Donnell, Attorney at Law, Sullivan & Worcester LLP, New York/Boston
Rechtsgrundlagen und Praxis der Restitution beschlagnahmter Kunstgüter in den USA
Wolfgang Ernst, Lehrstuhl für Römisches Recht und Privatrecht, Universität Zürich
Die juristischen Rahmenbedingungen der Restitution am Beispiel der Sammlung Gurlitt

15:15 -16:45, Teil III: Bedeutung und Wirkungen
Corinna Budras, FAZ Frankfurt am Main
Von Schwabing ins Scheinwerferlicht — Der Fall Gurlitt im Zentrum der Weltöffentlichkeit.
Emily Löffler, Seminar für Neuere Geschichte, Eberhard Karls-Universität Tübingen,
NS-Kulturgutraub als Medienereignis
Irina Alter, WM am Lehrstuhl Slavische Kunst- und Kulturgeschichte, Otto Friedrich-
Universität Bamberg, Warum der Fall Gurlitt für Russland von Interesse sein könnte
Schlussrunde: Forderungen und Folgerungen
Frieder Hepp, Kurpfälzisches Museum Heidelberg

Jan. 2014 | Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Zeitgeschehen | Kommentieren