„Sapere aude“: Ach, der Stoff, der unsren Stammtisch erfreut: der Wein, unser Riesling.

Es scheint uns fraglich, ob der Wein zu den Drogen im engeren Sinne gerechnet werden dürfe. Wahrscheinlich ist, dass seine ursprüngliche Gewalt in Jahrtausenden des Genusses domestiziert  wurde.

Mächtigeres, aber auch unheimlicheres erfahren wir aus den Mythen, in denen Dionysos als Festherr mit seinem Gefolge von Satyrn, Silenen, Mänaden und Raubtieren erscheint.

 

Cannabis und Justiz:

Die Zukunft der Strafjustiz gilt  – „in vino veritas“, da brauchts kein Haschisch – als gesichert, sie scheint die Wachstumsbranche schlechthin zu sein. Noch nach dem Ende aller Tage wird sie im jüngsten Gericht fortdauern. Wer am direkten und unaufhaltsamen Marsch der Strafjustiz in die Ewigkeit zweifelt, wird als Utopist abgetan. Denn der Mensch wird (gleich wie die Existenz des ersten Menschenpaares mit einer Schuld begann) nur fortfahren, Schuld auf sich zu laden. Und so wird man bis zuletzt anklagen, richten und strafen – bis zum Ende aller Tage wiederum ein Strafprozeß, die Summe aller Strafprozesse, eben das „jüngste Gericht“ beginnt. Ob bei diesem jenseitigen Gericht auch jene „Sünder“ mit einer kleinen Weile Verdammnis bestraft werden, die Haschisch, die Cannabisprodukte  als eher „lässliche Sünde“  lediglich zum Eigenverbrauch – erwerben oder besitzen?
Wir zweifeln!

Willkürverbot

Dies, zumal das mittlerweile längst auch weltliche Richter hinieden tun, Hilfe heischend beim Bundesverfassungsgericht, weil ihnen hier der nach dem Grundgesetz jedem zustehende „Gleichbehandlungsgrundsatz“ verletzt zu sein scheint (713 Js 16817/90 StA Lübeck): „Die Kammer ist der Auffassung, dass das Aufführen der Cannabisprodukte und das Nichtaufführen von Alkohol und Nikotin im Betäubungsmittelgesetzt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstößt“.

Dieser nämlich stelle ein für den Gesetzgeber bindendes Willkürverbot dar, verbiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Soweit sicher in Ordnung: Durch das Betäubungsmittelgesetz soll als Rechtsgut die Volksgesundheit  geschützt werden. 1971 wurde das bis dahin geltende Opiumgesetz umfassend novelliert und trat als „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln“ (BtmG) in Kraft. Viele Juristen halten mittlerweile die Zielvorstellung in der nachfolgenden Novellierung im Kern für nicht modifiziert. Wir haben den für das Lübecker Urteil verantwortlichen Vorsitzenden Richter am Landgericht Wolfgang Neskovic zu unserem Stammtisch gebeten. Der lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich die Drogenpolitik der Bundesregierung auf dem Holzweg befindet. Und vor allem jungen Menschen sei damit kein Unrechtsbewusstsein nahezubringen.
Zudem würden, so Nescovic allenfalls 5 – 10 Prozent der hierzulande in Umlauf gebrachten Drogen von der Polizei beschlagnahmt. Und das werde von den Dealern von vornherein unter betriebswirtschaftlichen Erwägungen abgeschrieben. Wir lassen den Richter ausführlich in unserer „Stadtgespräch-Umfrage“ (PDF unten) zur Haschisch-Freigabe zu Wort kommen.

Die in den Niederlanden nämlich längst bestätigte Prognose, den sozialen Kontakt von Konsumenten „weicher“ Drogen zu denen „harter“ Drogen beim Ankauf durch die Errichtung von sogenannten „Coffee-Shops“ in denen Cannabis-Produkte zum Konsum frei verkäuflich ohne strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen, erworben werden können, zu unterbinden, wurde so erreicht.
Deshalb müssen die Inhaber von „Coffee-Shops“ mit Bestrafungen und Schließung ihrer Geschäfte rechnen, wenn sie „harte“ Drogen verkaufen, oder dies dulden. Durch diese Trennung der Märkte haben die Niederländer den (u. U. möglichen) Umsteigeeffekt, der durch den „sozialen Kontakt“ mit dem gleichen Dealer bewirkt werden könnte, erheblich reduziert.

Knast für Hasch verhindert die Trennung der Märkte.

Der Handel mit Hanf (Cannabis sativa) bleibt als Verbrechen mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht, wenn die Menge des rauschwirksamen Tetrahydrocannabinol (THC) 7,5 Gramm übersteigt. Mit dieser Grenzwertfestsetzung, die etwa 100 Gramm gutem oder 250 Gramm minderwertigem Haschisch entspricht, hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Oberlandgerichts Schleswig-Holstein aufgehoben, das drei Kilo Haschisch als „geringe Menge“ gewertet und von einer Freiheitsstrafe abgesehen hatte. Die BGH-Richter blasen damit ins alte Prohibitions-Horn und tun das von allen gegen ihren Spruch geeigneten Fakten ungetrübt. Statt die nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 1994 aufgerissene Grauzone – Konsum erlaubt, Handel verboten – zu klären, wird diese zementiert.

Hoppla: CSU – liberal?

Längst ist – vorzeiten – sogar der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), dafür, die Menge für den straffreien Besitz weicher Drogen bundesweit auf sechs bis zehn Gramm zu vereinheitlichen. Diese Menge würde er für den Eigenverbrauch „trotz Bedenken“ zu akzeptieren. Derzeit schwanken die Ländergrenzwerte zwischen sechs Gramm in Bayern und 30 Gramm in Schleswig-Holstein. In Heidelberg sieht es konkret so aus, dass bei einer geringen Menge (intern: 5 Gramm Haschisch bis 10 Gramm Marihuana – ohne Wirkstoffgehalt zu messen) das Verfahren eingestellt werden kann, bei „Gelegenheitsrauchern“ (ein bis sieben mal im Jahr), wenn nicht mehr als drei Konsumeinheiten (was für einmal Rauchen – was immer das genau meint – gebraucht wird) im Spiel sind, und wenn keine Fremdgefährdung vorliegt. Aber bitte: Nicht auf die Rundschau berufen! Denn: Es gibt zu dieser staatsanwaltlich internen Regelung keine Verlässlichkeit. Es kann eingestellt werden, es wird aber oft genug bei erheblich geringeren Mengen nicht   eingestellt, dies zumal, wenn der „Täter“ bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist.
Aber natürlich wissen auch Richter und Staatsanwälte in Heidelberg, dass der teure und mit großem Tamtam stets auf neue verschärfte „war on drugs“ erheblich mehr Kriminalität hervorgebracht hat, als er vorgeblich verhindern wollte.

Mediziner:

Jenen militanten Drogenbekämpfern und selbsternannten Fachleuten, die Haschisch immer noch verteufeln, lässt sich mit Argumenten wahrscheinlich kaum beikommen. Dennoch, hier eines aus dem „Deutschen Ärzteblatt“: „Medizinisch gesehen dürfte der Genuss von ein bis zwei Joints Marihuana (ein bis zwei Gramm Marihuana, resorbierte THC-Menge 8-16 mg) pro Tag unschädlich sein, zumindest aber weniger schädlich zu sein, als der tägliche wenn auch mäßige Konsum von Alkohol oder von 20 Zigaretten. Für alle drei Drogen gilt das Prinzip „sola dosis facit venenum“ – womit also gegen den gelegentlichen Konsum von Marihuana im Grunde genau so wenig einzuwenden wäre, wie gegen das gelegentliche Glas Wein oder die gelegentliche Zigarette.


Was sagt die Bibel ?

Jede Droge im Übermaß genossen, ist schädlich“. Genau, und dieweil – wir wissen das – viele Menschen der Bestätigung durch die Schrift, durch die (ja perse berauschende) Bibel bedürfen, sei hier (besonders gefährlich aber alle Jahre  wieder), Ekstase und Rausch mal eben von dorther beleuchtet: in der Apostelgeschichte beispielsweise sind (2,13ff) übermannende und erzeugte Begeisterung schwer zu unterscheiden: … „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben

“ Wie überhaupt Petrus exemplarisch ist für den Alltagsmenschen, der transformiert wird und den es wider Willen überkommt. Der Fels wird sich seiner uranischen Kraft bewusst. Dass ihm – sagt Ernst Jünger – der Schlüssel zugeordnet wird, das ist symbolisch exakt. Aber:

Wieder auf dem Boden:

„Alle ding sind gifft, und nichts ohn gifft, allein die dosis macht, das ein ding gifft ist“, wußte bereits Paracelsus. Wer sich umfassend informiert ist überzeugt, dass mit dem Alkoholkonsum, der auf Berauschung  abzielt, eine größere Gesundheitsgefährdung verbunden ist, als der Rauschzustand, der über die Einnahme von Cannabisprodukten erzeugt wird. Aus der unterschiedlichen Behandlungsweise des Gesetzgebers ergibt sich folgende absurde und verfassungswidrige Alternative:

Wer sich berauschen will, hat die Wahl zu treffen, ob er es legal, aber gefährdeter oder weniger schädlich, dafür aber illegal tut. Die Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit des Menschen tritt hierbei offen zutage. Es haben hingegen – davon ist Jürgen Gottschling überzeugt,  nie die „Schweine Epikurs“ sein können, die da in die Mohn- und Hanfgärten eingebrochen wären. Der Epikuräer neigt nicht zur Übertreibung – sie würde den Genuß beeinträchtigen! Er genießt die Zeit und die Dinge und ist daher allemal die Gegenfigur der Süchtigen. Er hat den Genuss in der Hand und weiß ihn zu zügeln. Weniger aus Gründen der Disziplin; eher des Genusses wegen.

Alsdann: Hast Du Haschisch in der Flugbahn, kannst Du fliegen wie ein Truthahn?
Mag ja sein.  „Hast aber auch“ – wie nämlich unser damaliger Mitarbeiter für die Jugendseite Leon (vor 22 Jahren im Rundschau-Gespräch), mit Harald Kurzer anmerkte: „die Polizei am Hals“!

Und, zu guter Letzt noch diese Anmerkung; Der Autor hat übrigens (damit das klar ist) nie (nie) Canabis geraucht: Und auch die – noch viel gefährlicheren – Nicotin Stengel nie angerührt!!

Okt 2022 | Allgemein, Essay, Feuilleton, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Senioren, Wissenschaft, Zeitgeschehen | 3 Kommentare