Das Urteil eines Wirtschaftsprüfers, das Halle 02-Konzept sei „auf Dauer nicht tragfähig“ überrasche die „Macher“ nicht, sondern bestätige – so Geschäftsführer Felix Grädler – „unsere Aussagen der letzten Jahre, dass nämlich durch eine deutliche Erhöhung der Miete und die Einschränkungen in der Sanierungszeit (Wegfall halle03, der Garten und teilweise eingeschränktem Betrieb), bei einer gleichzeitigen nur moderaten Zuschusserhöhung, der Kulturbetrieb halle02 keine Zukunft hätte.“
Womit die „halle02 ler“ mit dem Wirtschaftsprüfer einer Meinung sind, dass das „Worst-Case-Konzept“ auf Dauer in der Tat nicht tragfähig gewesen wäre.
Hingegen habe die halle02 hat durch ihre Arbeit in den vergangenen 11 Jahren bewiesen, dass mit den bisherigen Rahmenbedingungen ein Betrieb an der schwarzen Nullgrenze möglich sei.
Mit der Entwicklung der Bahnstadt ändern sich jedoch die Rahmenbedingungen. Deshalb habe man seit der letzten Gemeinderatsentscheidung im November 2012 in enger Zusammenarbeit mit der Verwaltung und mit Unterstützung unseres wirtschaftlichen Beraters (Michael Sarbacher, Skubch & Company) ein Konzept erarbeitet, das die neuen Rahmenbedingungen berücksichtigt und dem Gemeinderat als Beschlussvorlage für seine letzte Sitzung vor der Sommerpause vorgelegt worden war.
Das „Best-Case-Szenario“ sieht vor, dass durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder (u. a. Restaurant, Kiosk, Firmenveranstaltungen) und durch die Anpassung an die schrittweise Entwicklung der Bahnstadt, gepaart mit einer moderaten Zuschusserhöhung, das Konzept langfristig tragfähig ist.
„Wir sind erleichtert und freuen uns sehr über das Vertrauen der Gemeinderäte“, das waren die ersten Worte von Felix Grädler und Hannes Seibold direkt nach der Entscheidung.
Auch die übrigen Rahmenbedingungen des Mietvertrages seien vom Gemeinderat weitestgehend so bestätigt worden, dass der Kompromiss für sie als Betreiber zufriedenstellend sei. „Nun“, versprechen die Beiden, „werden wir mit unserer Arbeit zeigen, dass diese Entscheidung die richtige war“. Die intensive Diskussion der Gemeinderäte mit anschließender fast einstimmiger Entscheidung zeige die kulturelle Dimension der halle02 in Heidelberg. „Wir bedanken uns herzlich bei allen Gemeinderäten und vor allem bei Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner für das Engagement.
„Danke auch an alle Unterstützer, Freunde und Partner der halle02, die mit uns gemeinsam mitgefiebert haben. Nun können wir uns auf unsere inhaltliche Arbeit und den Umbau konzentrieren“.
Der Gemeinderat hat gestern abend (24. 07.) in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Die Stadt Heidelberg beabsichtigt, mit den Betreibern der Halle 02 im Hallenkomplex östlich des ehemaligen Zollamtes längerfristig über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren zusammenzuarbeiten. Sie verlängert hierzu den Mietvertrag um vier Jahre. Danach erfolgt eine Weitervermietung für zunächst weitere sechs Jahre unter der Voraussetzung, dass die Betreiber der Halle02 weiterhin ein entsprechendes kulturelles Angebot für die Zielgruppe der Jugendlichen auf der Basis des mit dem Jugendgemeinderat konzipierten Konzepts stellen. Das beschloss der Heidelberger Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwoch, 24. Juli 2013, mit großer Mehrheit.
Zur Absicherung der Betreiber wird eine finanzielle Übernahmeverpflichtung der Stadt für Investitionen der Halle02 in die Immobilie vereinbart für den Fall, dass der Mietvertrag nach vier Jahren nicht verlängert wird. Der geplante Gastronomiebereich soll ebenfalls an die Betreiber der Halle02 vermietet werden; Voraussetzung hierfür ist, dass der Gemeinderat dem bis Anfang September 2013 vorzulegenden Betreiberkonzept zustimmt.
Das Angebot der Kunsthalle soll ausgesetzt und im Rahmen des Bürgerbeteiligungskonzeptes für den westlichen Hallenkomplex wieder aufgegriffen werden. Der Gemeinderat beschloss zudem, über einen Kulturzuschuss an die Betreiber der Halle02 im Rahmen des Doppelhaushaltes 2015 und 2016 zu entscheiden nach Vorlage eines Kulturkonzeptes für den Kulturveranstaltungsbereich.
Wer oder was ist das, die „halle“? Für Nichtheidelberger:
Vor etwas mehr als 11 Jahren entstand in Eigeninitiative im ehemaligen Güterbahnhof ein Ort für Gegenwartskultur, der den Vergleich mit großstädtischen Initiativen in Berlin oder Köln nicht zu scheuen braucht. Ein Ort an dem die Klaviatur des Lebensgefühls junger Menschen in allen Facetten gespielt werden kann. Hier können sich Leute einbringen, mitmachen, sich verwirklichen. Die halle02 ist ein interaktiver, kreativer Ort in der realen Welt, fernab von Facebook & Co.
Weltbekannte Musiker, wie etwa der Gründer der HipHop-Bewegung „Afrika Bambaata“ oder nationale Größen wie „Die Toten Hosen“ traten hier genauso auf, wie Bands aus der Region. „Irie Revoltés“ beispielsweise nutzten die halle02 als Sprungbrett und sind inzwischen europaweit auf Tour. Heute ist die halle02 ein wichtiger Punkt auf der bundesdeutschen Landkarte, was Konzerte betrifft. Über die Jahre gewachsene Netzwerke und Kontakte bringen regelmäßig bekannte Bands nach Heidelberg, wodurch die halle02 einen wichtigen Beitrag zur Urbanisierung Heidelbergs leistet.
Einer der Mittlerweile bekanntesten deutschen Pop-Art-Künstler, Stefan Strumbel, stellte zum ersten Mal überhaupt 2003 in der halle02 aus bevor er im vergangenen Jahr die Ausstellung 900-Jahre-Baden im Landesmuseum Karlsruhe im Alleingang bestritt. Die Speerspitze der internationalen Street-Art-Bewegung, OS GEMEOS aus Sao Paulo, die unter anderem im MUMA in New York hängen, machten ihre ersten Schritte auf europäischem Boden in der halle02. Klaus Staeck und Marie Marcks nutzten ebenfalls die halle02 als Plattform ihre Werke einem jungen Publikum zu präsentieren.
Die halle02 kooperiert regelmäßig mit anderen Kulturinstitutionen der Stadt und ist fester Bestandteil der Heidelberger Kulturszene. In den vergangenen Jahren fanden regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen mit dem DAI, dem Kulturfenster, dem Karlstorbahnhof, dem Heidelberger Theater, dem Heidelberger Frühling, dem Enjoy Jazz-Festival, dem Filmfestival Mannheim-Heidelberg, der Langen Nacht der Museen, dem Fotofestival MA-HD-LU, der Villa Nachttanz und vielen freien Theatergruppen der Region statt.
Die halle02 wurde in den vergangenen Jahren zum Schmelztiegel der Kreativen Heidelbergs und der Region und vernetzte diese lange bevor das Thema „Kultur- und Kreativwirtschaft“ überhaupt die Runde machte. Einrichtungen, wie etwa der „Beat Basar“ – eine regelmäßige Plattform für jung Designer der Region – strahlt inzwischen weit über die Region hinaus und wird bereits von vielen Städten kopiert.
Die halle02 sorgt in Heidelberg nicht zuletzt für einen „Coolness“-Faktor, der als weicher Standortfaktor immens wichtig ist für eine Universitätsstadt. Gerade für die Wahl Heidelbergs als Studienort oder als Lebensumfeld hochqualifizierter, urban-geprägter Arbeitskräfte.
Neben der kulturellen Dimension wird die halle02 regelmäßig von Firmen genutzt Tagungen, kleine Kongresse und Abendveranstaltungen in Kombination etwa mit der Stadthalle oder der Print-Media-Academy abzuhalten: Die SAP, die Deutsche Bahn, IKEA, Bridgestone, SAS, um nur einige zu nennen, wählen Heidelberg als Ort für ihre Zusammenkünfte auch wegen den Möglichkeiten und dem Flair, den sie in der halle02 geboten bekommen.
Die halle02 strahlt nicht nur weit über die Region hinaus, sondern wirkt auch direkt vor ihren Toren. Gemeinsam mit Aurelis hob die halle02 schon vor 10 Jahren den Zollhofgarten aus der Taufe, der zusammen mit der halle02 nachhaltig dazu beitrug die Bahnstadt frühzeitig zu beleben. Der Zollhofgarten wurde zu einem generationsübergreifenden Ort, an dem sich Menschen aller Altersgruppen gemeinsam treffen und sich austauschen konnten inmitten einer Brache, die heute prosperiert. Hierzu hat die halle02 einen wichtigen Beitrag geleistet. Der erste Bahnstadtstammtisch wurde von der halle02 ins Leben gerufen und sorgte schon frühzeitig für die Vernetzung der neuen Bewohner. Die halle02 steht in engem Kontakt zum Stadteilverein und fühlt sich als wichtiger Bestandteil ihres Lebensumfelds. Angebote wie „Der Garten“, der Obst- und Gemüseverkauf, der Tanztee und das „normale“ Programm werden regelmäßig gerne von den Bahnstädtern in Anspruch genommen.
Die halle02 hat in ihrer Vergangenheit bewiesen, dass sie ein verlässlicher Partner ist, verantwortungsvoll mit ihrem Kulturauftrag umgeht und sich ständig neu erfindet. Die halle02 hat trotz widriger Umstände, die vor allem die kurzfristigen Mietverträge mit sich brachten, bewiesen, wie robust sie ist.
Beinahe drei Jahre hat die halle02 nun in enger Kooperation mit der Stadtverwaltung ein Konzept erarbeitet, wie es gelingen kann die Bedürfnisse aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen. Die halle02 muss nun den nächsten Schritt gehen. Sie muss zusätzliche Angebote für die Bahnstadtbewohner schaffen (Restaurant & Kiosk), wichtige Infrastrukturen aufbauen und weiterhin ein vielfältiges kulturelles Programm auf die Beine stellen.
www.halle02.de l www.atelierkontrast.de
Der Vollständigkeit halber, die SPD repliziert wie folgt:
Die Antragsteller CDU, SPD, FDP, Heidelberger und FWV, die für die Gemeinderatssitzung einen Antrag zu den Rahmenbedingungen des künftigen Mietverhältnisses eingebracht haben, stehen zur Halle 02.
Aus diesem Grunde haben die Fraktionen im Gemeinderat am Ende für eine grundsätzliche Verlängerung des Mietvertrages auf 10 Jahre gestimmt, da ein Großteil unserer Antrags übernommen worden ist. Der von uns eingebrachte Antrag wurde intensiv mit den Hallenbetreibern, insbesondere mit Herrn Seibold, im Vorfeld besprochen. Über die Äußerungen in der RNZ vom 24.7. der Hallenbetreiber, es hätten keine Gespräche stattgefunden, können wir uns daher nur wundern, denn dies ist schlichtweg falsch. Manche Argumente der Hallenbetreiber haben auch Eingang in unseren Antrag gefunden, aber eben nicht alle – wir können der Halle 02 auch keinen Freibrief erteilen, sondern müssen sie entsprechend wie andere Einrichtungen in dieser Stadt behandeln. In dieser Entscheidung kann es kein Lex Halle geben, sondern es geht um eine transparente, gerechte Behandlung, die auch alle anderen Einrichtungen in dieser Stadt erfahren.
Der möglichen schwierigen wirtschaftlichen Lage der Halle 02, wie sie die Wirtschaftsprüfer attestiert haben, haben wir in unserem Antrag Rechnung getragen und den großen Verlustbringer in ihrem Kulturprogramm die Kunsthalle erst einmal auf Eis gelegt. Das schafft betriebswirtschaftlich Luft. Uns Antragstellern war es wesentlich wichtiger, das Angebot im kulturellen Veranstaltungsbereich zu sichern. Gerade das Veranstaltungsprogramm für die Jugendlichen ist uns wichtig. Diese Zielgruppe befürchtet immer mehr, dass sie in den neuen Konzepten der Hallenbetreiber nicht mehr vorkommt. Dass die Halle in den nächsten Jahren ihren Charakter verändert und zur Schickimicki-Einrichtung wird mit Club und Lounge-Bereich. Hier sind wir als Politik gefragt, gerade wenn wir eine so langjährige Entscheidung treffen. Aus diesem Grunde haben die Antragsteller in ihrem Antrag formuliert: „Die Voraussetzung für den Weitervermietungsanspruch der gGmbH nach 2017 ist, dass die Betreiber der Halle 02 auch nach 2017 ein kulturelles Angebot für die Zielgruppe Jugendliche auf der Basis des mit dem Jugendgemeinderat konzipierten Konzeptes, das mit Beginn der Verlängerung des Mietvertrages 2013 gültig war, stellt.“ Dies schafft Sicherheit für die Jugendlichen in dieser Stadt und stützt den Jugendgemeinderat.
Ein weiterer betriebswirtschaftlicher Risikofaktor ist der Restaurantbetrieb, der neu in den östlichen Hallenkomplex kommen soll, da die EinwohnerInnenzahl in der Bahnstadt nur langsam wächst. Deshalb sieht unser Antrag hier eine Mietstaffelung vor, solange bis sich die Einrichtung etabliert hat. Den Halle 02 Betreibern wird explizit ein Mitspracherecht bei der Konzeption eingeräumt. Für den Veranstaltungsbetrieb, der wohl ab Mitte 2014 wieder zu 100% in den Hallen stattfinden kann, muss dann eben auch die volle Miete bezahlt werden. Denn hier wird kein neues Angebot an einem neuen Standort aufgebaut, sondern ein regionalbekanntes Angebot am angestammten Standort unter jetzt besseren Bedingungen als zuvor fortgeführt. Der Kioskbetrieb für die Außenanlage bleibt den Hallenbetreibern auf alle Fälle als Einnahmequelle erhalten, hier wird es keine Ausschreibung geben. Eine Kulturförderung kann nur durch kulturelle Konzepte begründet werden, diese Argumente können die Hallenbetreiber für den nächsten Doppelhaushalt einbringen wie all die anderen Kultureinrichtungen in dieser Stadt dies auch tun. Mit unserem Antrag haben wir eine gerechte und transparente Entscheidung getroffen, für ein Konzept das sich betriebswirtschaftlich tragen kann und das Angebot für die Jugendlichen in den Hallen sichert.