Deutschland ist Papst? Das will – was Wunder – nicht mal mehr die BILD „Zeitung“ glauben (machen). Wer nämlich will schon, und zumal jetzt noch, Papst sein? Hier in Heidelberg wird besseres Theater gemacht als dies wiewohl weltweit (sich) aufspielende kurieanische Haus am Tiber es auch nur zu versuchen in der Lage ist! Wie dem auch immer sei: Wir hier am Neckar sind derzeit: Theater!
Zum 160ten Geburtstag unseres Theaters, zum großen Fest der Ein-Weihung des Neue Theaters sowie der Wiedereröffnung des nunmehr liebevoll renovierten und restaurierten „Alten“ waren Ensembles aus 50 Städten der Republik in unseren „Heilgen Hallen“ angereist, um der Institution dazu und all dem Neuen, das wir jetzt hier in Heidelberg beherbergen, zu gratulieren. Mehr als dreitausend Theaterfans waren an diesem Tag gekommen, sie hätten jedoch „keinen Platz in der Herberge“ gehabt, wäre da nicht nur der „Alte Saal“ sondern auch – eher sonst nicht als Spielstätte genutzten – andere Räume erobert worden, so passten die Darbietungen mit Hilfe von Friedrich5, dem Foyer und dem Malersaal alle hinein, in unser Theater …

"Unser Altes Haus" - liebevoll restauriert und mit viel moderner Technik ausgestattet Foto: Ott
Zwar ist „das Neue“ der Premiere von Verdis Oper Mazeppa am Samstag vorbehalten, man muss ja schließlich auch nicht alles auf einmal vorführen … Das Programm an diesem Jubeltag war so bunt, wie die 50 Ensembles verschieden sind und wie es das Mögliche zugelassen hat:
„Was“ – um den jedesmaligen Anfang von „Der Frauenarzt von Buschofsbrück“ zu zitieren, „bisher geschah“ – tja was eigentlich?
„Dies Haus, wie sich die Welt mag drehn, soll durch Jahrhunderte bestehn!“ So klang es prophetisch als Zimmerspruch zum Richtfest 1853 über das Heidelberger Theater.
„Dem nachdrücklichen Wunsche vieler Bürger nach einem Theaterbau, der erst ein richtiges Theater-Erleben ermöglichen könnte, folgte beherzte Bürgertat. Das Comite für den Theaterbau kaufte für den mäßigen Preis von 3.750 Florin in bester Stadtlage den Bauplatz und erreichte in einer beispiellosen Aktion eine Summe, die für das geplante Finanzierungsziel des Baus genügte:
Eine Hauptsache liegt nun in Ihrer Hand – die freiwilligen Beiträge – sie werden uns fördern, erleichtern und je schneller und zahlreicher sie eingehen, desto schneller erreichen wir auch das Ziel. Kaum wird es nöthig sein, unsere Mitbürger darauf aufmerksam zu machen, wie sehr wir durch ein den hiesigen Verhältnissen anpassendes Theater den Fremden, die wegen unserer schönen Natur so gerne bei uns verweilen, im Winter namentlich den Aufenthalt verschönern.
Wie wir, wenn wir selbst etwas leisten, so manche Tour nach auswärts sparen können, wie die Nachbarschaft uns angezogen und so unser materielles Interesse selbst mit gefördert wird. Wenn wir sehen, was Gemeinschaft und Zusammenwirken in unserem Heidelberg schon geschaffen haben, so hoffen wir auch bei diesem Anlass auf ein freudiges Gelingen“ heißt es 1852 in dem Aufruf des Komitees“.
„Kultur-rentabel“
Damals schon Kurpfälzisch beharrlich und genau finanziert entstand so – innerhalb einer Jahresfrist vom Aufruf bis zur Eröffnung – der Theaterneubau. Fast liest sich die Begründung gar wie unser heutiges Fachchinesisch von der Umwegrentabilität des Theaters, mit der die hohen Kosten der Theater wirtschaftlich gegengerechnet werden, will meinen, nicht der Theaterbesuch allein sei „kultur-rentabel“, sondern auch die Umwege, wie beispielsweise auf- und abarbeitende Gespräche bei gemütlichen Lokalbesuchen nach der Vorstellung, Hin- und Rückfahrten (auch) mit öffentlichen Verkehrsmitteln, welche einen nicht zu unterschätzenden zusätzlichen Wirtschaftsfaktor bilden würden und ganz zu schweigen von der abendlichen Belebung der Stadtzentren (hallo LindA, dies lesend begreifen wir nun endlich, weshalb Du und Deine den Grünen nachlaufende „Ini“ -, als die Baugrube des jetzt erstandenen „Neuen“ Theaters“ gerade mal etwa 10 Meter tief war und mit dem Hochbauen begonnen werden sollte, Ihr fordertet (das muss man sich mal im Hirn zergehen lassen), man solle den Bau jetzt (!) stoppen und im Gemeinderat (sic!) nochmals zur Diskussion stellen. Ja, ja, ich hör ja schon wieder auf, aber wer und wenn nicht jetzt soll denn den Finger in Wunden stecken, um ein zu eitern zu verhindern? Schluss jetzt aber damit …
Lesen wir in den Annalen, war die Eröffnung des damals Neuen Theaters einer der Höhepunkte in der Stadtgeschichte:
„Heute abend soll nun bei der Anwesenheit seiner Königlichen Hoheit das Theater feierlich eröffnet werden, nach der Vorstellung Illumination der Hauptstraßen und Plätze der Stadt, hierauf ein Fackelzug der Studierenden folgen und zum Schlusse noch das Schloß mit bengalischem Feuer erleuchtet werden … Nach dem Theater glich Heidelberg einem Feenpalast. Wir haben eine sinnigere, glänzendere Illumination noch nie gesehen.“
Die Zeiten ändern sich – die Illuminationen sind kommerzialisierte Feuerwerke geworden. Nicht mehr war (derzeit aber schon) die „ganze Stadt“ zum Theatergeburtstag auf den Beinen – gerade in einer Zeit des Umbruchs und der Verunsicherung kultureller Werte mag vermehrt des Novalis Satz gelten:
„Das Theater ist die tägliche Reflexion über sich selbst.“
So ist und soll sein dürfen, Kultur im weiteren Sinne auch Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Wir feiern ja nicht nur das 160 jährige Bestehen des „Alten Theaterbaues“, der seitdem vier wesentliche Um- und Erweiterungsbauten erfahren hat – zuletzt hat uns 1990 das heftig gewöhnungsbedürftige Foyer aus Glas und Stahl beschehrt. Wer lange genug im Glashaus saß, soll nicht mit Steinen werfen, sagt man, und dies soll auch zu diesem Anlass nicht geschehen. Schließlich waren wir in der Lage, über viele Jahre hinweg so zu tun, als gefalle es uns, weil – ja, warum eigentlich? Wahrscheinlich dachten wir alle, das lässt sich ja eh nicht mehr ändern. Und dann kam einer und hat gesagt:“ Der Kaiser hat ja gar keine Kleider“. Und so hat Peter Spuhler dafür gesorgt, dass wir jetzt – unter anderem – auch dies neue Foyer haben, das hier (Foto: got) der Bigband der Musikschule Heidelberg als Bühne für ihren Auftritt zum Tag des Theaters dient:
Auch in derzeitigen Krisenzeiten wissen wir Heidelberger den gemeinderätliche Anregungen und Anstrengungen sowie Bürgerschaftssinn zu schätzen, mit welchem dieses Theater kultureller Mittelpunkt der Stadt sein darf und kann und eben drum wieder oder immer noch ist. Dennoch soll gerade heute nicht verschwiegen werden, dass dieses unser „Altes“ Theatergebäude an „sowohl am Dach als auch Fach“ in einem Zustand war, der rasche und gründliche Abhilfe erforderte, um noch einigermaßen den arbeits- und sicherheitstechnischen Vorschriften entsprechen zu können.
Nicht vom Theater in Auftrag gegeben, tummelte sich jedenfalls zuzeiten die Unfallkasse Baden- Württemberg im Haus. Was alles die Prüfer gefunden haben, war in einem Bericht und Katalog dringender Maßnahmen der Verwaltung zugeleitet und nach Prioritäten aufgelistet worden. Peter Spuhler wusste, dass dies – haushaltspolitisch – zu Unzeiten kam, er hatte jedoch bereits schon vor seinem Dienstantritt – und danach dann wiederholt – auf den schlechten Gebäudezustand aufmerksam gemacht. Notausgänge mussten eigentlich gar nicht zugebastelt werden, um das zu verdeutlichen; die Mär nämlich, dass, um schneller Abhilfe zu schaffen, Notausgänge verstellt worden wären, um Bürokratlinge von der Dringlichkeit zu überzeugen, die stimmt so sicher nicht. Und wenn, dann ließe dies jedenfalls den Schluss zu, dass man den Theatermachern ein hohes Maß an Kreativität muss zutrauen dürfen (hier sind jetzt „Bravi“ angesagt)!
Theater als Forum
Theater darf und muss sich auch künftig – nach allem Strukturwandel der bürgerlichen Öffentlichkeit – noch als zentraler Schau- und Spielplatz von Kunst und – (der Rundschau Motto: sapere aude) – Aufklärung verstehen, als generationsübergreifendes Forum der städtischen Gesellschaft.
Wir haben oft und gern die Frage gestellt, „Was ist unserer Gesellschaft das Theater wert ?“, weil nämlich auch gleichzeitig die Frage „Was bedeutet dem Theater die Gesellschaft?“ gestellt wurde. Denn „erst wenn beide Perspektiven ins Bild geraten, kommt die eigene Verantwortung mit ins Spiel“. Das heißt, das Theater muss auch über sich selbst nachdenken. Dass auch Holger Schultze, der „Neue“ Intendant dies tut, dürfen wir nicht nur „seinem“ Spielplan entnehmen …
Theater – selbstverständlich?
Weil Theater in unserer Republik bislang jedanfalls lange eine Selbstverständlichkeit war, ist unser Blick auf das Theater ein privilegierter: Wir konnten es uns leisten, uns bislang nicht allzu viele Gedanken darüber zu machen … Unser Begriff von Selbstverständlichkeit hat sich verschoben.“

Das Programm zum „Tag der Theater“ - dem Tag mit den 50 gratulierenden Ensembles im “Alten Saal“ begann um 11 Uhr mit Gratulanten des Staatstheaters Stuttgart mit 3 Szenen aus Dramoletti , das Staatstheater Stuttgart schloß sich an, es folgte das Theater Ulm, das Theater Regensburg, das Nostos Tanztheater Heidelberg, das Wolfgang Borchert Theater Münster und das Theater Konstanz. Es gratulierten ferner Schlag auf Schlag Das Unterwegs Theater Heidelberg, das Staatstheater Kassel, das Düsseldorfer Schauspielhaus, das Theater Münster, das Nationaltheater Mannheim, das Theater Ausgsburg, das Theater Oberhausen, das Deutsche Theater Berlin, das Theater Osnabrück (woher der schon nicht mehr ganz Neuheidelberger Intendant Holger Schultze herkommt), das Theater Bonn, das Staatstheater Karlsruhe, das Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen, und - bis 18.00 Uhr dann das Pfalztheater Kaiserslautern. Nach alledem wähnte man den Alten Saal erst mal in verdienter Ruhe. Wann da nun im „Alten Saal“ einfach die Bühne zwischen den beiden Proszeniumslogen „runtergehubt“ worden war, können wir zeitlich nicht mehr genau einordnen (schließlich gab es noch volle Kanne-Programm im Friedrich5, während kurzer Pausen im Foyer und schlussendlich noch im Malersaal), jedoch war so aus dem hehren „Alten“ Theatersaal ein schnuckeliger Raum für (für diesmal) Tanzvergnügen entstanden - auch an Tischen konnte man sitzen; eine RockPopBand spielte nicht nur Oldies für nicht nur Oldies - nach mehreren vom Publikum erbetenen und vom Intendanten immerfort wieder und wieder erlaubten Zugaben - bis vier Uhr morgens. Daran, dass wir kurz zuvor obiges Bild machten (got), können wir uns trotz hervorragender Weine durchaus noch gut erinnern. Ein großartig-vielfältiger Tag, danke an alle Beteiligten für Sondereinsätze noch und noch und, zu guter Letzt, auch für die beeindruckende Logistik - und für überhaupt …
Theater als Privileg : Warum ist etwas und nicht nichts …
Nicht nur war bislang vorrangig selbstverständlich, dass Theater sein müsse, sondern es gab natürlich auch die Frage nach dem Warum. Diese Frage steht natürlich auch hier im Raum. Und, dass wir das Privileg zu haben scheinen, es beinahe selbstverständlich beantwortet zu haben. Dieses Privileg schenkt unserem Theater das Publikum. Und nur das Publikum kann das Theater aus der Krise führen, wenn „wir, das Publikum“ um es kämpfen. Was zu beweisen war. Die Heidelberger Bürger jedenfalls (“ … können nur wir selber tun!“) haben diesen Um- und Neubau mit nicht nur der Hilfe von Sponsoren geschafft, sondern auch einer Verwaltung, die da kräftig mitgespielt hat. Und nicht zuletzt hat die Rhein-Neckar-Zeitung gewaltigen Anteil daran, das Unmögliche, das – so der Präsident des Deutschen Bühnenvereins Prof. Klaus Zehelein – „Wunder von Heidelberg“ auf die Beine gestellt zu haben …
„Die“ Politik darf bei alledem schon – na ja, beinahe – vergessen werden. Obgleich wir uns müssen fragen dürfen, warum wir sonst so wenige „Gemeinderats-Politiker“ im Theater sehen, warum das Theater in deren Politik nur eine geringe Lobby hat, warum gerade jene, denen das Theater hier politisch nahesteht, und deren Diskurse das Theater in den letzten Jahren befördert hat, warum gerade jene Theater als erste an den Rotstift verraten: Das Geld, das man mit Theaterkürzungen einspart, ist unter Vergleichsmaßstäben lächerlich, nur ein billiger PR-Effekt, ein finanzpolitisches Muskelspiel, ohne einen Gegenschlag befürchten zu müssen.
Darüber und über einiges mehr haben wir uns hier künftig nach all den gelungenen Festen Gedanken- und Lösungsvorschläge zu machen. Die nächste Gemeinderatswahl ist nicht mehr lange hin! Es kostet jene „Politiker“ nicht viel, Theater zugunsten von Fahrradwegen mit weniger Zuschuss zu bedenken, jedoch kostet es die Stadtgesellschaft ein Korrektiv, das sich manche Räte und Rätinen sparen zu können glauben, obgleich sie es sich nicht leisten kann, wollen wir am Ideal einer mündigen Zivilgesellschaft festhalten.
Hospitalismus der Politik
Eine Gefahr ist vermutlich die, dass Theater, mithin Kultur, einem ähnlichen Hospitalismus anheimfallen könnte, wie republikweite die Politik. Lassen Sie es uns eher mit Brecht halten: „Mach eine Rechnung mit allem, was Du hast, die nicht aufgeht. Wenn der Regen nicht von unten nach oben fällt, sollten wir trotzdem daran glauben, dass es eines Tages so sein kann“. Theater kann die Realität, wenn es sie scharf ins Auge fasst, überwinden, und nicht nur das, es kann es tun mit den einfachsten Mitteln, und es kann dabei zeigen, wie es das macht und es kann es tun, ohne dabei seine Illusionskraft einzubüßen. Lamentatio jedenfalls soll und darf auch nicht die Sprache des Theaters sein oder werden, das läßt sich darstellen, indem Theaterleute ästhetisch kompromisslos – , aber in der Vermittlung nach außen kreativ bleiben. Theater muss die Grenzen definieren, innerhalb derer es künftig bereit ist, in diesem vorhandenen System noch arbeiten zu können, wenn nichts mehr zu gehen scheint. Kassandra Rufe sind hier in Heidelberg jedoch noch lange nicht angebracht. Anderswo ist das anders.

Im Malersaal gab das Stadttheater Bremerhaven ein Klassenzimmerstück „Arm aber sexy“ für alle ab 15 Jahren von Jörg Menke-Peitzmeyer, die Protagonistin Kim („Name von der Redaktion geändert“) hingegen gibt da ein selbstgebasteltes Heftchen heraus, das 90 Cent kostet, und in Böser „Fortsetzungsgroschenheft-Manier“ immer dann auf: Fortsetzung folgt in der nächsten Nummer verweist, bevor, aber lesen Sie selbst: „ … ihre Lustschreie sind bis auf den Schulhof zu hören. Kurz bevor er kommt, schiebt sie ihn zu Seite und“ - und nu? - muss man -;( sich die Fortsetzung kaufen … Geil gegebene Kurzweil, die Kids verstehen das alles schon richtig! Eingeräumt, wir auch.
Der Vollständigkeit halber seien hier alle anderen Gratulanten an diesem berauschenden „Tag der Theater“ genannt – alle zu sehen, dieweil parallel in verschiedenen Räumen – war schlicht und leider unmöglich: Staatstheater Mainz, Badische Landesbühne Bruchsal, Staatstheater Nürnberg, „sonus silenti Heidelberg, Theater Koblenz, Dirk Laucke Berlin, Schauspielgruppe Anglistik der Uni Heidelberg, Stadttheater Gießen, Württembergische Landesbühne Esslingen, Wuppertaler Bühnen Oper, Theater Hof, Theater Bielefeld, Theater Aalen, Theater Erlangen, Theater Trier, Wuppertaler Bühnen Schauspiel, Staatstheater Wiesbaden, Theater Ingolstadt, Schauspielhaus Hamburg, Theater Baden-Baden, Improtheater Kopfsalat – Schlaraffia Heidelberga, Saarländisches Staatstheater Saarbrücken, Sound Harmonists Heidelberg, Mobile Albania Gießen.
Und zu guter Letzt möchten wir Sie noch einen Blick auf das – wie wir meinen sehr gelungene – Foyer werfen lassen:

Das zweigeschossige Foyer des Neubaus ist räumlich großzügig mit Freitreppe und Lufträumen konzipiert und schließt höhengleich an Parkett und 1. Rang des Altbaus an. Auf der Galerieebene werden Flächen für die erweiterte Pausengastronomie angeboten. Wände und Decken sind in weiß eingefärbtem Sichtbeton hergestellt, Beleuchtung und haustechnische Installationen sind in den Decken integriert. Als Bodenbelag hat man sich für Dielen entschieden, die Oberflächen von Türen und Möbeln wurden in „Echtholzfurnier“ hergestellt. Foto: Ott