Der in Bochum geborene Journalist und Nahost-Experte Peter Scholl-Latour wird als Referent auf der „Compact-Konferenz“ Ende November in Berlin referieren. Die „deutsch-russisch-französischen Souveränitätskonferenz“ wird vom namensgebenden Compact-Magazin mit veranstaltet. Chef von „Compact“ ist der nationalistische Querfrontler und Verschwörungstheoretiker Jürgen Elsässer,
der zuletzt mit einem Text in die Kritik geraten ist, in welchem er den Grund für die 4:4-Blamage der deutschen Elf auf das „Vermischen“ verschiedener „Völker“ zurückführt. Scholl-Latour wird den Angaben zufolge „über den neuen Kalten Krieg mit Russland, die heißen Kriege im Nahen Osten und die Rolle Deutschlands“ sprechen. Auch Elsässer selbst wird referieren. Jürgen Elsässers hat eine durchwachsene politische Biographie. Er fing einmal ganz links an und wanderte dann immer weiter nach rechts. Der Publizist Henryk M. Broder drückt es so aus: „Ist er ein nationaler Bolschewik, oder ein linker Nationalsozialist?“ Elsässer gilt als „Erfinder“ der “antideutschen” Bewegung. So schrieb er unter anderem für die Konkret, die Jungle World und die Zeitschrift Bahamas, die als radikalste antideutsche Publikation gilt.
Beifall von Apfel
Mit der Zeit wandte sich Elsässer mehr und mehr dem völkischen Antiimperialismus zu. Eine strikt antiwestliche Haltung, sowie eine völkische Rhetorik wurden fortan sein Markenzeichen. Immer wieder wettert er gegen „Heuschrecken“, ist inzwischen auch Autor für den rechts-esoterischen Kopp-Verlag. Auch relativierte er das Massaker von Srebrenica und zweifelte die offiziellen Opferzahlen an. Seine regressiven antikapitalistischen Ansichten, mit denen er es geschafft hat, selbst aus der “junge Welt”-Redaktion zu fliegen, gipfelten 2009 in der Gründung der „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“, bei der er rechte und linke Antikapitalisten vereinen will, um eine „entschädigungslose Nationalisierung des Finanzsektors“ voranzutreiben. Holger Apfel, stellvertretender NPD-Vorsitzender, klatschte Beifall:
„Der Gründungsaufruf von Jürgen Elsässer für eine Volksinitiative gegen Finanzkapital ist ein bemerkenswertes Signal. Jürgen Elsässer betätigt sich als Eisbrecher, der auf nationaler Grundlage den Dualismus von Rechts und Links durch die Schaffung einer antiglobalistischen und antiimperialistischen Gerechtigkeitsbewegung überwinden will. Mit den Forderungen, die er in seinem Gründungsaufruf vertritt, hat er sich NPD-Positionen nicht angenähert, nein, er vertritt NPD-Positionen.“
Iranische Oppositionelle: „Drogenjunkies und Strichjungen“
In der aktuellen Ausgabe poltert Elsässer zum Beispiel gegen den „Finanz-Vampirismus“. Damit bedient er auch antisemitische Stereotype, die er mit einer plumpen Israelkritik zu kaschieren sucht („Netanjahu: Der Irre von Tel Aviv“). Mit seiner aggressiven antiisraelischen Haltung geht zudem eine tiefe Sympathie für den iranischen Mullah-Staat einher. Anlässlich des Wahlsieges Ahmadinedschads, und der blutigen Niederschlagung der „grünen Revolution“ 2009, sagte Elsässer anerkennend: „Hier wollen Discomiezen, Teheraner Drogenjunkies und die Strichjungen des Finanzkapitals eine Party feiern. Gut, dass Ahmidenedschads Leute ein bisschen aufpassen und den einen oder anderen in einen Darkroom befördert haben.“ Im April dieses Jahres stattete Elsässer Ahmadinedschad einen Höflichkeitsbesuch ab.
Der neueste Coup Elsässers ist ein Statement zur 4:4-Schlappe der deutschen Fußball-Herren gegen Schweden am 17. Oktober. Darin heißt es unter anderem:
„Tut mir leid, ich sehe das nicht nur sportlich. Wie kann man 4:0 vorne liegen und das Spiel nicht nach Hause schaukeln? Das wäre früher in Deutschland unmöglich gewesen. Das gab’s vielleicht in Afrika, wo man aus Spaß an der Freud herumkickt. Aber zu den deutschen Tugenden gehört nun mal NICHT ‚Spaß an der Freud‘, sondern Schaffen, Ackern, Planen, Organisieren, Durchhalten. Andere Nationen sind genial im Kreativen, im Künstlerischen, im Improvisieren, und am Schluss ist das Ergebnis auch toll. Aber unsere Stärke ist was Anderes, das vorher genannte. Mir san mir. Jedem das Seine. Kein Volk ist schlechter als das andere. Aber absolut TÖDLICH ist das Vermischen: Wenn den Deutschen ihr Fleiß und ihre Kampfkraft ausgetrieben werden soll – und die heißblütigen Südländer ans Kreuz der preußischen Arbeitsdiszplin (sic) geschlagen werden.“
Aushängeschild der Jungen Freiheit
Elsässer macht keinen Hehl aus seinen rassenbiologischen Ansichten. Hinzu kommt eine starke Affinität zu Verschwörungstheorien, die vor allem durch sein Magazin Compact verbreitet werden. So ist Elsässer davon überzeugt, dass 9/11 ein „inside job“ und Osama Bin Laden CIA-Agent war. Eben dieses Magazin lädt nun also zur Konferenz – und Peter Scholl-Latour folgt dem Ruf. In diesem Kontext muss allerdings auch darauf hingewiesen werden, dass Scholl-Latour eine problematische Nähe zu der rechtpopulistischen Wochenzeitung Junge Freiheit hat. So gibt er dem Blatt regelmäßig Interviews, ist mittlerweile deren Aushängeschild. Auch den von der Jungen Freiheit mitverliehenen Gerhard-Löwenthal-Preis nahm er 2008 entgegen. Bislang aber wiesen Scholl-Latours öffentlich geäußerte (außenpolitische) Positionen, verglichen mit denen Elsässers, immerhin ein gewisses Maß an Rationalität auf. Die Teilnahme an der Compact-Konferenz könnte ein Indikator dafür sein, dass sich der Wind gedreht hat. Martin Niewendick
23.Okt..2012, 10:42
J. Elsässer, den ich nicht kenne und auch nicht kennen muss, ist laut wikipedia, auch wenn man diesem Organ vielleicht nicht alles glauben soll, wie folgt ausgewiesen:
„Von Mitte der 1970er Jahre bis zu dessen Auflösung 1991 war Elsässer Sympathisant und dann Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB). Elsässer gilt als einer der ursprünglichen Protagonisten der Antideutschen, hat sich von dieser Strömung jedoch abgewandt und vertritt seit seinem Konflikt mit der Monatszeitschrift konkret, für die er von den 1990er Jahren bis 2002/03 regelmäßig Artikel geschrieben hatte, eine aus dem leninistischen Antiimperialismus abgeleitete Position der „Anti-Imperialisten“. Seit Ende 2010 gibt Elsässer … das monatlich erscheinende Magazin Compact heraus, welches eine Brücke zwischen linken und rechten politischen Positionen schlagen soll.“
Scholl-Latour, der profunde Kenner des Islam und der arabischen Welt bzw. auch von Ländern wie Kambodscha, Vietnam, Laos und Russland, diskutuiert nun also mit diesem und anderen Herren auf einem Compact-Forum. Warum sollte er das nicht tun? Der gescheite und pronocierte alte Mann ist bekannt dafür, dass er sich klar, deutlich und auch heftig artikuliert. Mir ist er bisher nicht als Rassist oder Nationalist aufgefallen. Er wird sich dem Mainstream dieses Forums gewiss nicht beugen, denke ich.
Beste Grüße
Fritz Feder
25.Okt..2012, 08:38
Werter Herr Feder,
Sie schreiben, dass Sie Elsässer weder kennen noch ihn kennen müssten, sodann übernehmen Sie zwar aus dem Artikel einiges darüber, was Elsässer mal war und was Ihnen zu gefallen scheint – nicht aber seine mittlerweile (ich verkürze das) rechten Umtriebe; es wäre ja nicht das erste Mal, dass aus einem radikalen Linken ein radikaler Rechter geworden wäre.
Weiterhin preisen Sie Scholl-Latour als gescheiten und pronocierten alten Mann der Ihnen bisher nicht als Rassist oder Nationalist aufgefallen sei. Das er das noch vor einiger Zeit gewesen sein mag, das ja sein. Jedoch gehen Sie nicht auf die schlussendlichen Sätze in obigem Artikel ein – Preisentgegennahme Latours eines von der Jungen Freiheit ausgelobten Preises und so weiter und so weiter! Absicht? Jedenfalls scheint Ihnen entgangen zu sein, dass manche Menschen im Alter anders werden oder geworden sind oder sich die Freiheit herausnehemn, zu sein, als was sie schon immer waren. Scholl-Latour jedenfalls ist doch längst keiner mehr, der noch Welpenschutz für sich in Anspruch nehmen kann. Und, wahrscheinlich, auch sicher nicht will Punkt und
Beste Grüße
Gundolf Gegenbauer
15.Jan..2013, 22:22
Hallo Herr Gegenbauer,
es ist sicher was dran an dem berühmten Satz von André Malraux (hier sinngemäß): Mit 25-35 radikal links, mit 40 liberal und ab 60 konservativ….So ist es ja häufig oder war es…früher….Wenngleich Ausnahmen ihren Reiz haben!
Auch wenn nicht alle so handeln und denken, scheint mir dies doch ein beobachtbarer Trend zu sein. Für die Zeit zumindest als Herr Scholl-Latour noch jünger war.
Leute im nunmehrigen Alter von Latour und somit auch er selbst kriegen von mir einen Altersbonus. Ich finde ihn immer noch erfrischend kritisch, auch wenn mancher Satz daneben gerät. Ich könnte viele Beispiele aufzählen…Und dass er diesen ominösen Preis angenommen hat (wenn´s denn so ist), na Gott Seppl, seis drum. Ist mir egal.
Der Mann ist kein Rechtsausleger, Punkt. Mosern wir besser an anderen Fronten!
Wie alt sind Sie?
Beste Grüße
Fritz Feder