Derweil jener „in vino veritas“-Krakehler dem Bildungsbürger, mählich zwar, zum Outsider geworden war, schien er den Kleinbürgern alsbald ein Bourgeois zu sein, wobei er sich keines der ihm offenen Wege bediente: Er hätte schnell zugrunde gehen können, hätte ihn die materialistisch-bürgerliche Gesellschaft als unbrauchbares Glied einfach absterben lassen. Auch zum Clown und Unikum der Heidelberger Gesellschaft hätte er werden können, erlaubte sie sich den Luxus solcher Existenz in ihrem Schoß. Merkwürdig, sie tat es, auch wenn manche über ihn den Kopf schütteln, zumal er sich nun nach 30 Jahren in der SPD der Piratenpartei zuwandte …
Banalitäten & Binsenweisheiten
Kants Forderung lautet: „sapere aude – habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Jedoch macht sich auch heute kaum mehr einer auch nur auf den Weg. Stattdessen haben wir es immer noch mit Sklaven zu tun, die sich für Herren halten und die in einer Sprache von universeller Reichweite mit den zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Fesseln eine Stütze ihrer Knechtschaft suchen und finden. Nichts ist leichter, als der Feigheit und Faulheit zu folgen und nachzureden, was vorgebetet wird. Nur zu bereitwillig gleitet „der Geist, der stets verNEINt“ in eine Banalität, die als Metamorphose – wir haben es oft genug erlebt – alsbald zur Banalität des Bösen mutieren kann.
Nur der Stachel des Denkens, die ruhige Kraft des Möglichen und die erkannte Gefahr einer nicht mehr allzufernen, doch tödlichen Verkalkung könnten uns – die wir in Eurem Wohlstand eingeschlafen sind – noch aufwecken.
Heidelberger Mandatsträger Geist, der ja – eigentlich – der Stadt Bestes im Sinn haben sollte: Eingeklemmt?
Dumpfbackigkeit bereitet heute wieder eine Landschaft ohne Mehrdeutigkeit vor uns aus, wo gewogen und etikettiert wird und jedes Ding seinen Platz hat. In Heidelberg – sind wir doch schließlich Universitätsstadt – bedient sich diese idiotische Apokalypse des gehobenen Tons und des radikalen Anspruchs. Doch die zwischen Heiligenberg und Königstuhl ein- und verklemmte Abziehbilder-Landschaft (die auch den „lebendigen Geist“ oft genug beschädigt hat), ist eine Welt – jedem nach seinen Bedürfnissen, jedem nach seinen Fähigkeiten – des tumben Abklatsches.
Läßt sich der Kreis durchbrechen? Können wir Unverfrorenheit mit damit verbundener Stumpfheit jener sogenannten „linken“ Mehrheit im Gemeinderat (bitte was ist daran links? – link sollte das wohl heißen!) in ihrer offenkundigen Eigentümlichkeit erfassen, ohne uns gleich im Besitz einer höheren Weisheit zu wähnen?
Sokrates, er ist aktuell wie zu seinen Lebzeiten: Er stachelt auf, verlockt zum Nachdenken, reizt zur Ehrlichkeit, hinterfragt, erzieht zum Ungehorsam; wir tun es ihm nach und seine Epigonen werden an dieser Stelle immer und immer wieder – verlasst Euch drauf – gegen konzessionierten Stumpfsinn, kollektive Verblödung und fleischgewordene Selbstgerechtigkeit angehen! Und, wenn da vom Zusammenschluss einiger „Inis“ (Initiativen) – bei uns generieren sie sich als der Geist, der stets verNEINt – meinen, ungestraft Blockwartdenken (in einem “Punktekatalog von LindA” gegen beinahe alles) fordern und fördern zu dürfen, dann nennen wir das, und da mögen jene von uns Gemeinten noch so sehr darüber jaulen, faschistoid.
Wehret den Anfängen? Wir jedenfalls legen den Finger in die Wunde und werden die doch längst schon wieder währenden Anfänge bekämpfen! Versprochen …
Narrenspiegel für Kleingeister
Sokrates hat erkannt, und – insofern, als er das (auch) die Jugend gelehrt hat – darunter bis hin zum Schierlingsbecher gelitten, dass die träge Dumpfheit der Allgemeinheit sich selber auffrißt und sich in ein Gespinst von Widersprüchen verstrickt, die wir uns heute gern in bewundernswertem Optimismus als selbstzerstörerisch wünschen möchten.
Der Schluss liegt nahe, dass Sokrates, dass dessen Epigonen und deren Bewunderer stets – so das Lachen nicht im Halse steckenblieb – nur über die anderen gelacht haben, derweil die „Gesellschaft“ gegen jene „Außenseiter“ (g)eifert, sie verspottet, tadelt und straft – es jedenfalls versucht. Spottlustiger Geist aber muss sich im Umkehrschluss auch in Heidelberg jenes Kleingeistes bedienen dürfen, der nötig ist, um KleingeisterInnen und anderen so einen Spiegel vorzuhalten, sie mal schelmisch, mal polemisch – dies Recht bleibe unbenommen – als tumbkasperale Figuren zu entlarven. Aber, natürlich, dürfen Heiterkeitsausbrüche darüber jene heute nicht mehr aus dem Gemeinwesen vertreiben, zeugt doch die Lächerlichkeit einzelner Mitbürger von den Krankheiten des Gemeinwesens selbst und wird zum Indiz für die allgemeine Morbidität. Geist kann sich hier nach Herzenslust austollen und verschont weder sich selbst, noch und erst recht nicht das, was ihn vergnüglich stimmt..
Was nun? Was tun?
Vernunft und Gesellschaftskritik sind miteinander verwoben, es war die Kritik an einer starren Begriffs- und Handlungspraxis der Polis und des Einzelnen bereits zu Anfang der europäischen Vernunftgeschichte (nicht nur) von Sokrates geübt worden. Es gilt, diese Gedanken mit Hirn und Bauch, mit Herz und Hand weiter zu spinnen und dabei gelassen zu unterscheiden, was (nur mal eben zu Beispiel, bei der nächsten Wahl den Gemeinderat neu aufzustellen) in unserer Hand liegt. Und was nicht.
Dass, nota bene, unsere vorzeiten verbreitete Prognose über den damals gerade gewählte Rat so sehr recht behalten würde, dass diese Mehrheit so sehr so sein würde, wie sie bei genauem Hinsehen heute ist, das haben wir nicht mal auch nur zu fürchten gewagt! got
20.Aug..2012, 10:56
Ich will es zum langen got-Beitrag oben mit (m)einem Kommentar kurz machen:
Mir ist fast jeder und jede (ich betone: fast) lieb, wert und teuer, der/die sich dem neoliberalen Ungeist unserer Zeit, wie er sich auch in unserer herrlichen Stadt breit zu machen drohte, entgegen stellt. Anders als in vielen anderen Städten ist immerhin der Vormarsch der scharfen Wertschöpfungskettennervensägen erst einmal und spätestens seit dem Bürgervotum zum Kongressanbau gestoppt.
Diese nennen es empört „Stillstand“ und „Steinzeit“, ich nenne es gelassen „Entdeckung der Langsamkeit (Cittá slow)“ und „Small is beautifull!
Dass die Gegner, die im Beitrag oben verblasen als „link“ tituliert werden, sich vereinzelt mitunter als ziemliche Zausel herausstellen, sei dabei gar nicht in Abrede gestellt. Format (und Gegenformat) ist eben nicht einfach zu kriegen, es muss wie von selber wachsen, was nicht immer der Fall ist. Und Charisma sowieso nicht.
Aber was der Beitrag aus meiner Sicht völlig unterschätzt, ist, wie unsere Gemeinderatswelt wohl aussähe, wenn dort vor allem NeoCons und ni(e)belungenartige Schwertträger (bis hinein in die SPD, machen wir uns nichts vor) säßen, also der Wirtschaft und dem Engineering voll ergebene Politruks. Selbst bei 35-40 Grad, wie zurzeit, sollte man daran nicht vorbei unken dürfen.
Nun ja, vielleicht meinte got ja nicht aussprechen zu sollen, dass ihm die Piraten und Piratinnen im Rat doch noch sehr fehlen. Venceremos???
Beste Grüße
Fritz Feder
20.Aug..2012, 23:25
Tja, Fitz Feder,
Du bringst da wie immer einiges auf den Punkt, danke, dass Du nach meinem „langen Beitrag“ mit einem Kommentar und nicht mit einem Cobeitrag (re)agierst, aber, dies will ich dann dazu schon noch gesagt haben dürfen:
Was ich ganz bestimmt nicht an den Pranger stellen will und schon gar nicht stelle, ist, dass Menschen verschiedener Meinung sein dürfen, sollen und sind, dass sie das dann auch artikulieren, dass sie damit gehört werden und dass dies dann – so sich dafür eine Mehrheit gefunden hat – auch aktzeptiert wird. Was den von Dir ins Spiel gebrachte „Anbau“ , den populistischst ausgeschlachteten „Bürgerpark auf dem Theaterplatz“ und die „Stadt am Fluss ohne Tunnel“ angeht, (wo und wie zu alledem gelogen wurde und wird), das wird demnächst hier zu lesen sein; von der SPD-Rathausfraktion nicht zu schweigen. Dass übrigens die OB-mobbende – wenngleich bröckelnde – Mehrheit „links“ wäre, habe nicht ich erfunden. Allenfalls räume ich in der Tat ein, dass sie „link“ ist; und zwar ihrer Methoden wegen.
Und wenn ich schreibe, dass ich etwas gegen Unehrlichkeit habe, dann meine ich Unehrlichkeit. Oder, aber das wird mein ja nun schon seit geraumer Zeit angekündigter Beitrag sehr deutlich machen, dann meine ich: gelogen haben! Schaun wir mal und Ihr alle auch; und dass mir die Piraten im Rat fehlen – wieso meinst Du, dass ich vielleicht „meinte, das ja nicht aussprechen zu sollen?“ – das wirst Du und das werdet Ihr noch häufig hier und anderswo lesen und hören. Habe ich doch schließlich vor, auf der Piratenliste zur nächsten Gemeinderatswahl zu kandidieren – wenn ich denn als Kandidat gewählt werde. Wir wollen und werden der (nicht nur) Politikverdrossenheit mit transparenter Glaubwürdigkeit begegnen. In diesem Sinne: Venceremos? Venceremos!
Tenno (got)