„Ich bin“ – beginnt Circovic sein Vorstellungsstatement – „kein Schönwetterdemokrat. Aus diesem Grund bin ich dieser Partei vor über einem Jahr aus Überzeugung beigetreten. Es waren Konzepte wie die freie Wissensgesellschaft, die mich hierher gebracht haben, die meinen, dass der Mensch, wenn er frei und informiert ist, gute Entscheidungen trifft. Sachorientiert und nachvollziehbar soll die Politik sein, das der Piraten Devise. Und die meine auch …

Ich bin Stevan Cirkovic und ich bin Pirat! Foto: got
… Daher verstand ich meine Bewerbung hier als ein Angebot an Euch, Menschen gemeinsam mit Euch von diesen Ideen zu überzeugen. Dabei müssen wir auch der inhaltlichen Arbeit entgegensehen, die wir im Bundestag auf einer großen Breite von Themen zu erbringen haben. Kandidat zu sein ist ein Knochenjob. Mandatsträger zu sein ist ein Knochenjob. Dessen bin ich mir bewusst und das darf niemanden unterschätzen.
Sich den Hürden bewusst zu sein, ist aber auch die ersteVoraussetzung sie zu überwinden. Denn wir wollen ja Politik gestalten!
Und ich bin froh sagen zu können, dass ich seit Herbst letzten Jahres hier in Heidelberg als Pirat schon viele Gelegenheiten wahrgenommen habe, genau das zu tun. Angefangen mit einfacher Teilnahme an Stammtischen und Parteitagen, habe ich durch eine Reihe von Tätigkeiten auch ohne offizielles Amt bewiesen, dass ich Verantwortung übernehmen kann und dabei nicht enttäusche. Erst kürzlich habe ich hier eine Wiki-Schulung angestoßen und mein erworbenes Wissen vom Landespressetreffen im Juni geteilt. Die Bandbreite ist groß: Infostände, PMs – vor ein paar Tagen auch die erste Landes-PM, zusammen mit Xenija die lokale Arbeitsgruppe zu Sozial- und Bürgerrechtspolitik, Interviews mit der Presse sowie Kontakt mit lokalen Gruppen und Vertretern oder auch letzten Samstag eine Fahrradtour zum Thema Konversionsflächen.
Mein Herz schlägt jedoch, wie einige wissen, für Außenpolitik. Für die Tätigkeit im Bundestag ist das kein zu vernachlässigendes Feld. Nicht rein aus äußeren Zwängen, sondern auch weil wir hier unsere Ideale wie Freiheit, Demokratie, Bürgerrechte und Transparenz ebenso mit einbringen müssen wie anderswo. Sowas macht an Grenzen keinen halt. Deswegen arbeite ich schon seit eineinhalb Jahren in der AG Außen- und Sicherheitspolitik mit, wo ich in der Zwischenzeit ein wichtige Rolle in der Programmarbeit eingenommen habe. Nächstes Wochenende breche ich nach Potsdam auf, um dort an einer außenpolitischen Konferenz der Piraten teilzunehmen. Als Student der Politischen Wissenschaft habe ich über eine Fülle von Themen einen guten Überblick, und bin keineswegs auf ein Thema beschränkt.
Kenntnisse vom politischen System sind ganz bedeutsam, um es zu reformieren. Die Vorstellung, wie und in welcher Weise man aber seinen Beitrag leisten kann, ist aber ganz essenziell. Im Winter/Frühjahr nächstes Jahr werde ich meine theoretischen und analytischen Fähigkeiten durch ein mehrwöchiges Praktikum im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages mit praktischen ergänzen. Die Parlamentsarbeit so hautnah zu erleben, wird ein unglaublicher Schatz für unsere eigene inhaltliche Arbeit im Bundestag sein! Gerade mit diesem Schwerpunkt kann ich zudem Außen- bzw. Verteidigungspolitikern wie Karl A. Lamers oder Dirk Niebel hier im Wahlkreis selbstbewusst entgegentreten, ohne darauf beschränkt zu sein. Die Europäische Integration, nationale und internationale Menschenrechtspolitik sowie Sozialpolitik – trotz dieser Qualifikationen sage ich ganz klar, dass ich daraus nicht ableite, dass ich es besser wüsste als ein anderer Basispirat. Dieses Besserwissen ist ein entfremdender Faktor. Mein Bild von Repräsentation ist ein anderes.
Solltet ihr mir euer Vertrauen schenken, wird mir eine große Verantwortung zuteil. Das bedeutet im Zweifelsfall auch Entscheidungen im Bundestag treffen zu müssen – wir bewegen uns damit auf hypothetischem Gelände. Auch wenn ein Abgeordneter nur seinem Gewissen verpflichtet ist, so muss er Entscheidungen nicht im Alleingang treffen. Im Gegenteil: Es geht ums Zuhören, ums Anhören vieler Meinungen, um Austausch mit der Basis und Bürgern sowie Experten. Und das möchte ich tun, denn ich bin der Überzeugung, dass das die Grundvoraussetzung für gute, ausgereifte und ausgewogene Entscheidungen ist. Ich bin nicht der Überzeugung, dass das Urteil eines Abgeordneten, dessen alleinige Grundlage für Entscheidungen sein darf. Es geht immer auch darum, andere Parteimitglieder in die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung mit einzubinden und seine schlussendlichen Entschlüsse ausreichend zu begründen.
Dafür braucht es jedoch zunächst einen politischen Raum, auf dem sich Bürger und Volksvertreter auf Augenhöhe begegnen können. Es reicht nicht aus, nur Präsenz zu zeigen. Mir schwebt eine Art Bürgerversammlung vor, zumal man nicht durch Festagsreden vertritt, sondern indem man dem Bürger und sich selbst die Chance gibt in einem konstruktiven Rahmen voneinander zu lernen. In dieser regelmäßigen Veranstaltung findet so etwas ganz Essenzielles statt: die wiederholte Rückkopplung an den Bürger. Das heißt nahbar sein auch für jene, die nicht Piraten sind, die nicht
viel politisches Hintergrundwissen oder keine explizite Lobby haben.
Neben der inhaltlichen Arbeit gibt es also eine Ebene, auf der wir großen Wandel herbeiführen müssen. Wir müssen im Wahlkampf und darüber hinaus problematisieren, dass längst nicht alle Mittel ausgeschöpft sind, um der Idee der demokratischen Repräsentation neues Leben einzuhauchen. Nur wenn sich durch uns auch der politische Stil ändert, haben wir unser Ziel erreicht.
Ich stelle mich daher mit genannten Qualifikationen zur Wahl, weil ich für Euch im Wahlkampf und im Bundestag gute Arbeit machen kann und will. Auch geht mein Verständnis von Politik über das reine Tagesgeschehen hinaus“.

Sieben Kandidaten - vor der Wahl; sie alle "wollen - nach der Wahl zum Direktkandidaten für Heidelberg "dem Sieger" im Wahlkampf hilfreich zur Seite stehen": (v. l.) Martin Schorb, Thorsten Neufeldt, Jens Tschritter, Tobias Betzin, Valentin Bachem, Stevan Circovic, Florian Köhler. Foto: Welker
23.Juli.2012, 00:03
Wenn ich das alles so revuepassieren lasse, was da vom und über den Heidelberger Kandidaten der neuen Antiparteienpartei geschrieben steht (Beitrag oben), dann fällt mir das Bonmot und die zugleich bedenkenswerte Sentenz von A. CAMUS ein: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“.
Könnte eines Tages der französische Philosoph des Existenzialismus und Radikalhumanismus posthum zu einer Art Leitfigur für die neue Piraterie in Deutschland und Europa werden? Oder bedarf es bei dieser Partei im Aufbruch keiner Vordenker/innen? Oder nicht eines solchen?
Wie auch immer, ich wünsche dem jungen Kandidaten, der das A (von CAMUS?) ja schon auf seinem Shirt trägt (siehe Bild oben) nach den harten und stetigen Gipfelerklimmungen immer wieder erholsame und erkenntnisreiche Gänge von der Bergspitze nach unten….
Beste Grüße
Fritz Feder
23.Juli.2012, 07:51
Albert Camus: „[…] die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.“ – Brot und Freiheit. Ansprache vom 10. Mai 1953 an der Arbeitsbörse von St-Etienne. In: Fragen der Zeit. Deutsch von Guido G. Meister. Rowohlt Verlag 1960. S. 100
(Original franz.: „La liberté ne comprend pas essentiellement des privilèges, mais surtout des obligations.“ – Le pain et la liberte)
23.Juli.2012, 09:42
Ja gewiss doch… Sisyphos, so wie ihn Camus meinte (und ja wohl auch gemäß der antiken Sage), war ein ausgesprochener Pflichterfüller.
Und eine solche Bereitschaft deutet sich ja auch bei dem piratesken Kandidaten für HD an.
Also, so what?
F. Feder
23.Juli.2012, 11:49
… wollte es ja doch nur noch dazu gesagt haben. Natürlich, und ich denke, Sie haben in beiden Punkten recht. Zumal der gekürte Kandidat ja offenbar mit viel Hilfe rechnen kann. Und muss!
Beste Grüße
M. Hirschfeld
23.Juli.2012, 12:59
Ah, okay, alles klar.
Feder