Begeistert aufgenommene Premiere im Zimmertheater Heidelberg: „Der dressierte Mann“ Komödie von John von Düffel nach dem gleichnamigen Bestseller von Esther Vilar. Regie: Ute Richter – Lesen Sie hier deshalb unsere Premierenkritik vom Dezember 2011, weil das Zimmertheater der großen Nachfrage wegen (nochmals) verlängert hat bis zum 10. März):
Knall auf Fall – und der, der ist sowieso von Anfang an bereits klar – jagt ein Bonmot in dieser Zimmertheater-Produktion das Andere. Nach dem vor 40 Jahren erschienenen Bestseller Esther Vilars „Der dressierte Mann“ – sie flüchtete damals nach Anfeindungen Alice Schwarzers, denen folgerichtig einige emanzipierte Morddrohungen folgten, aus Deutschland – gibt es heute freilich kaum noch aufgeklärte Menschen beiderlei Geschlechts, die nicht mit jener normativen Kraft des Faktischen in Berührung gekommen wären und sich aber – offenbar gottgewollt – „ein jedes auf seine Art“ damit arrangiert hätten. Mithin mussten weder der Autor John von Düffel noch und zumal nach dieser schmissig-witzigen Premiere die Zimmertheaterprinzipalin Ute Richter Morddrohungen fürchten.
„Der Fall“: Das junge Ehepaar (Foto: Mara Eggert v. l.) Helen und Bastian (Vanessa Wichterlich & Jan-Arwed Maul) hakeln sich, dieweil er – zwar – anfangs noch und am Ende gern wieder – in der Küche (im Bett, meint seine Mutter, täte er das nicht) seinen Mann steht, bekommt sie den Job des Chief Executive Officer, auf den aber er mehr oder weniger in der Tat scharf gewesen sein würde. Sie, dazu, es sei doch „ein ökonomischer Schwachsinn“ stände sie in der Küche und „Du im Büro in der Bank“, das sei „eine völlige Fehlleitung von Ressourcen“, in diesem Fall mache jeder das, was er am schlechtesten könne.
Die beiden Mütter des Paares (v. l.), die der Helen (Ulrike Barthhuruff und Bastians Mutter Dr. Elisabeth Schröder-Röder (Gisela Kraft) dürfen in ihren Rollen aufgehen und Frauen-WG spielen und in mehreren Ehen geprägte Emanzen geben, die sich streng an nicht ausschließlich von Vor-Urteilen geprägte Klischees halten – was sie hinreißend tun …
Bizarr in den Text gelegte leichte Töne in gekonnt herausgearbeiteten Bögen von humoriger Verve zu voluminös-gewaltigem Tiefgang werden von Ute Richter in diesem Geschlechterkampf inszeniert als ein vehementes Gedankenspiel, eine effektvolle „Ablieferung“ des Textes, sie bringt ÜberzeugungstäterInnen auf die Bühne, die uns in ihrer Rolle als sehr verschieden einher kommende Mütter – augenzwinkernd – glauben machen wollen und sollen, dass wir ohne dieses „das war schon immer so“, ohne diese so als Schuldgefühl verinnerlichte Autorität nicht leben können (da seien Frauenbeauftragte in Rathäusern und anderswo Agierende vor) und uns nichts anderes übrig bleibt, als unter ihren Zwängen zu leiden. Draußen im Leben jedenfalls hilft da auch kein noch so deutliches „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“!
Jedoch findet in dieser von Düffelschen Adaption des Vilarschen Bestsellers Dialog als Gedankengang, Gespräch als Erkenntnisprozess auf der Bühne jedenfalls noch statt und Ute Richters Regiekonzept erweist sich als Werk einer sensibel-wachen Fallenstellerin, welche die im Theater die Welt bedeutenden Bretter auch in dieser Arbeit nicht zu Brettern vorm Kopf werden lässt. Einmal mehr beweist sie, dass Theater eine überlebende Kunst ist, wenn sie nicht demonstriert, sondern auch schwer zu erklärenden Denkwürdigkeiten ein Podium für sinnliches und geistiges Vergnügen zu bieten in der Lage ist.
Aus diesem hervorragend aufgestellten Ensemble hat Ute Richter eine Seilschaft geschmiedet, mit der sie sich zwar auf die vom Autor vorgegebene Gratwanderung eingelassen hat. Jedoch versteht sie es, den Protagonisten weder hartes Training anmerken zu lassen noch das Ensemble vom manchmal recht schmalen Grat hinunter in klamaukige oder gar tumbe Situationskomik fallen zu lassen. Was dem Text durchaus auch zu entlocken gewesen wäre. Da steigt denn auch schon mal Romantik die Hintertreppe herauf – als herzzerreißender Kitsch. Richter tarnt ihn durch Ironie. Potentielle Zuschauer seien gewarnt: Tränen werden während der zwei wie im Flug vergehenden Theaterstunden schneller gelacht, als sie fließen können. Großer Beifall und Bravi für Ensemble und Regie. Von uns auch.
Jürgen Gottschling
Noch bis 10. März 2011 Kassentelefon: HD – 21069 – www.zimmertheaterheidelberg.de info@zimmertheaterheidelberg.de
Ende Januar wurde die Intendantin des Zimmtertheaters Ute Richte mit der höchsten vom Land Baden-Württemberg zu vergebenden Auszeichnung geehrt.
Die Staufer-Medaille sowie die Urkunde wurde ihr nach der jährlich stattfindenden Mitgliederversammlung des Freundeskreises im Palais Prinz Carl verliehen, sie ist eine besondere, persönliche Auszeichnung des Ministerpräsidenten für Verdienste um das Land Baden-Württemberg.
Ausgezeichnet wurde Ute Richter für ihr langjähriges künstlerisches Engagement von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
22.Sep.2011, 07:43
Wenn in dem obigen Beitrag, der Rezension des Zimmertheaterstücks zu Mann, Frau, Ehe und Geschlechterkampf die Prinzipalin des Theaters, Ute Richter als „sensibel-wache Fallenstellerin“ stipuliert wird, so kann ich dem seit gestern, als ich mir „Der dressierte Mann“ ebenfalls angesehen habe, voll zustimmen.
Fallenstellerin ist U.Richter allerdings zusammen mit dem Schreiber der raffinierten Komödie, John von Düffel, und insbesondere mit der Ursprungsautorin, Ester Vilar, die den Plot durch ihr in den 70ern viel diskutiertes Buch, einem Anti-Buch zum damals ebenfalls erschienenen „Geschlechter-Buch „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“ von A. Schwarzer, vorbereitet hat.
Wer sich das Stück in der Erwartung ansieht, eine Antwort darauf zu erhalten, ob nun Ester Vilar (der Mann wird zur Arbeit für die Frau dressiert) oder Alice Schwarzer (der Mann ist bis in den Sex hinein letztlich der Unterdrücker der Frau) oder -in dialektischer Manier- gar beide recht haben oder keine von beiden, wird, so er denn will, weiter grübeln müssen. Diese Frage wird nämlich weder implizit noch explizit beantwortet.
Dies heißt nicht, dass das Stück kein klares Ende hätte. Das Ende besteht darin, dass sich der anfangs düpierte und naivliche, junge Mann mit seiner aufstrebenden und dann aber auch ins Schwanken geratenden, jungen Frau unter der steuernden Regie der beiden Mütter in einer funktionierenden Ehe mit Nachwuchs wiederfindet. Dabei nimmt der Mann am Ende des Stücks die Rolle des selbstbewusst sorgenden Hausmanns ein, während die Frau qua Karriere das Geld heran schafft. Das Eheglück ist eingezogen.
Da es halt wenige Liebesgeschichten im deutschen Sprachraum gibt, die in unkitschiger Manier gut ausgehen, freut man sich als Zuschauer und weiß zugleich doch auch: das Stück musste halt nach fast 2 Stunden enden, aber die Geschichte der beiden Eheleute geht ja immer weiter…
Nun ja, gerade dieser Tage hat man in der Presse gelesen, dass das Haltbarkeitsdatum von Ehen in Deutschland in den letzten Jahren von fünf bis sieben auf deutlich über zehn Jahre angestiegen ist. Das deutet auf erhöhte Bereitschaft zu Verlässlichkeit hin, vielleicht sogar zu ausdrücklicher Sehnsucht danach in wirren Liebeszeiten.
Der „Dressierte Mann“ in der Inszenierung des Zimmertheaters ist eine anregende Komödie, bei der ein Kalauer gerne den anderen jagt, Hinter- und Tiefgründigkeit aber bis zu einem gewissen Grad beibehalten bleibt, indem ein Verwirrspiel der Haltungen und Konzepte zum Funktionieren der Liebe aufgelegt wird, bei dem man am Ende als Zuschauer nicht mehr aus und ein weiß. Wie halt nicht selten im richtigen Leben….man bleibt etwas atemlos zurück.
Wer nun aber begreift, dass dauerhafte und intensive und treue und leidenschaftliche Partnerbeziehung, so gewollt, wohl nur dann klappt, wenn sich ein Paar, hier Mann und Frau, nicht permament aus sich selbst heraus abschätzen, vergleichen, definieren und determinieren, kurz wenn die „Beziehung“ (relation??, relación??) sich in geradezu subversiver Weise außerhalb des Mainstreams begibt und in dem Sinne zu triangulieren in der Lage ist, dass sie zudem ein sinnvolles, übergeordnetes Ziel verfolgt…wer dies begreift, dem mag das Stück eine nette Anregung zum Lachen und etwas Besinnlichkeit sein, bestätigt fühlen wird er bzw. sie sich jedoch in dieser Ansicht kaum.
Solch ein Stück, solch eine Komödie müsste wohl erst noch geschrieben werden.
Immerhin gibt es aber auch hierzu schon einen außerordentlich aufschlussreichen Text, wenn auch kein Buch, sondern ein Interview. Dabei handelt es sich aus meiner Sicht um den besten Kurztext, der in den letzten Jahren zum Thema Liebe publiziert wurde. Und dies noch im bei mir persönlich nicht gerade beliebten „Fokus“-Magazin und von einem zwar brillanten, aber in seinen anderen Einsichten und seinem Stoizismus mir mitunter nicht sonderlich genehmen Philosophen: sein Name ist Peter Sloterdijk. Das Interview, eine sprachliche Meisterleistung, trägt den Titel: „Modernes Leben: Entgöttlichte Passion“. Erschienen ist es schon vor gut einer Dekade, am 22.12.2000.
Nachlesen lohnt sich. Wer diesen Text dreimal liest und in sich verarbeitet, kommt ein gutes Stück weiter und das ist ja schon mal was …meint
mit besten Grüßen
Fritz Feder