Auf einer Vortragsveranstaltung der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Heidelberg war am Dienstag (8. Nov. 2011) MdB Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zu Gast. Wir stellen unseren Lesern unkommentiert den vollen Wortlaut seiner »Heidelberger Rede zur Zukunft der deutschen Entwicklungspolitik als Zukunftspolitik« zur Verfügung:

Das Wort Entwicklungs“hilfe“ mag ich nicht. Es teilt die Welt in Helfer und Hilfsbedürftige. Gegen solches Denken hat einer der berühmten Heidelberger Ökonomen treffend eingewandt: „Brauchst du eine hilfreiche Hand – so suche sie zunächst am Ende deines rechten Armes!“ In der Entwicklungszusammenarbeit
der Vergangenheit wurde den hilfesuchenden rechten oder linken Händen zu viel Handaufhalten und zu wenig Tatkraft zugetraut.

Wir können aber kein Land von außen entwickeln. Wir können Unterstützung zur Selbsthilfe geben. Ich interpretiere das Z im Namen des BMZ darum, wie es von Anfang an gemeint war: wirtschaftliche Zusammenarbeit, nicht wiederholte Zuzahlung. Die Richtungsangabe lautet: Weg vom betreuten Sozialfall, hin zum aktiven Bürger. Ich freue mich, dass Sie sich für Entwicklungszusammenarbeit interessieren. Herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung.

Da Sie alle ja in einem Jubeljahr stehen, merke ich an: Sicherlich spricht erstmals seit 625 Jahren hier ein Entwicklungsminister, bei dem viele im Saal vor allem eines denken: Wollte er nicht das BMZ abschaffen?
Was macht der hier? Warum macht der Entwicklungspolitik? Ich freue mich, dass wir dazu heute ins Gespräch kommen können. Dafür will ich jetzt Stoff liefern.

Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik – das ist mein Thema. Meine politische Interpretation von BMZ ist so gesehen BM Zukunft, wie das hier vorne professionell signalisiert ist. Wer allerdings das Bild der Entwicklungspolitik als Zukunftspolitik erkennen will, der muss zunächst einige alte Bilderschichten und Sichtweisen abtragen. Da ist zum Beispiel die Sichtweise: Entwicklungspolitik ist etwas, das findetweit weg statt, eher in bekannten Metropolen und armen Ländern als bei uns.
Einige meiner Mitarbeiter meinten im Vorfeld: Ist es nicht ein Widerspruch: eine Rede zur Entwicklungspolitik – in Heidelberg? Nein, ist es nicht. In diesem Jahr wird das BMZ 50 Jahre alt. Das werden wir begehen, indem wir für nächste Woche 100 internationale Querdenker nach Berlin eingeladen haben.
Wir wollen ihre Impulse für die Zukunft der Entwicklungspolitik aufnehmen. Bewusst vor diesem Ereignis in der Hauptstadt steht der Termin heute in Heidelberg.

Entwicklungszusammenarbeit verfehlt ihr Ziel, wenn sie den Eindruck erweckt: Entwicklung ist woanders.
Weit weg in Berlin oder New York, gerne auch in Cancún, Rio oder Kairo. Dagegen halte ich: Entwicklungspolitik, die überzeugt, muss im normalen Leben ankommen, also auch zwischen Rhein und Neckar, in Ladenburg, Schriesheim und Rohrbach.

Eine weitere trübe Schicht auf dem Bild der Entwicklungspolitik sind die Pigmente einer Reise- und Revolutionsromantik.
Entwicklung verbinden manche mit Fotoalben ihrer vergangenen Peru- oder Nicaraguareisen. Wenn aber in unserer Gesellschaft Alpakapullis und Kuschelecken für Entwicklung stehen, dann bleiben zu viele übrig, die sagen: Ist nicht mein Ding.

Natürlich gibt es auch eine Schicht mit dem klebrigen Glitzer der Exklusivität. Entwicklungspolitik verbindet sich da mit beneidenswerten Dienstreisen von gut bezahlten Experten. Wenn aber die Anmutung von „Big Business und Cohiba“ für Entwicklung steht, dann gibt es immer noch zu viele unter uns, die sagen:
Ist nicht meine Welt.

Ich bin überzeugt: Entwicklung gehört in die Mitte der Gesellschaft. Erst eine Entwicklungspolitik, die in der Mitte der Gesellschaft ankommt, findet das Wohlwollen von Wählern, die dafür Stimme und Steuern geben. Die Flashmobaktionen der Schüler des Helmholtzgymnasiums auf dem Bismarckplatz sind da ein ermutigendes Zeichen. Ich freue mich, wenn Menschen globale Zusammenhänge lokal ansprechen und ihre Stimme gegen die Armut erheben. Es macht zuversichtlich, wenn junge Menschen in einem reichen Land sich für junge Menschen in armen Ländern ins Zeug legen. Ich muss ja deshalb nicht alles teilen, was da gesagt wurde.

Aber wo ich gerne dabei bin: Immer mehr Menschen bei uns davon zu überzeugen, dass zukunftsfähige Entwicklungspolitik mit unserem Alltag zu tun hat. Das ist die vielleicht entscheidende Zukunftsaufgabe im 21. Jahrhundert. Wer von Alltag redet, wäre ein Illusionär, wenn er von Interessen schweigt.
Walter Scheel, der spätere Bundespräsident, war – wie Sie wissen –der erste Minister im BMZ. Er hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass Entwicklungszusammenarbeit mit unseren Interessen zu tun hat.
Ich zitiere: „Es geht darum, die Kluft zwischen reichen und armen Völkern zu beseitigen. Wenn uns das nicht gelingt, dann werden wir eines Tages möglicherweise eine Katastrophe erleben. […]

Wir treiben also Entwicklungspolitik nicht allein um der Menschen Willen, die in Not und Elend leben, sondern auch, um für uns und unsere Kinder Sicherheit zu schaffen.“
Scheel sagt also: Entwicklungspolitik muss eine überzeugende Verbindung von Werten und Interessen finden. Nur dann wird Entwicklungspolitik als Zukunftspolitik in der Mitte der Gesellschaft ankommen.
Nur dann bleibt sie nicht das Steckenpferd einer begrenzten Anzahl nostalgisch oderkaritativ oder exklusiv aufgelegter Zeitgenossen.

Für mich finden sich in der Geschichte Heidelbergs viele Impulse, die es uns ermöglichen, ein neues,
frisches und zukunftsweisendes Bild der Entwicklungspolitik zu zeichnen. Ich könnte fast bei Adam und Eva beginnen. Jedenfalls ist Ihnen bekannt, dass ein Vorläufer des homo sapiens hier in der Region Spuren hinterließ. Wenige Kilometer entfernt wurden Reste gefunden, die heute weltweit als „homo heidelbergensis“
bekannt sind – gendergerecht merke ich an: sicher gab es auch eine femina. An den 200.000  Jahre alte Vorfahren finde ich interessant: In Sachen Entwicklung hat sich da die längste Zeit rein nichts getan. Faustkeil blieb Faustkeil. 50.000 Jahre lang bewährt und unverändert. Niemand empfand das offenbar als Defizit.

Vor diesem Hintergrund wird klar: Wir sind anders, wir wollen Entwicklung. Jede Stagnation ist heute ein Rückschritt. Der Entwicklungsgedanke, der ethische Anspruch einer Entwicklung zum Besseren ist menschheitsgeschichtlich jung, gut 300 Jahre alt. So alt wie Aufklärung und liberale politische Philosophie; sechsmal so alt als das Ministerium. Im Zeitalter der Globalisierung wollen wir uns dem Anspruch
an eine Entwicklung zum Besseren nicht entziehen.

Ob in 20 Jahren iPad noch iPad ist, das ist offen. Dramatischer gesagt: Entwicklung ist unsere Bestimmung.
Wir wissen weltweit viel, das besser werden muss. Eine bessere Welt ist möglich. Dafür stehen zum Beispiel die 8 Millenniumsentwicklungsziele aus dem Jahr 2000.

Ihnen fühlen wir uns verpflichtet und zugleich müssen wir sie schon 2015 neu international formulieren und vereinbaren. Wer Zukunftwill, muss Entwicklung verantwortlich gestalten, selbst weiterdenken und das Weiterdenken als solches
ermöglichen.
Die Drohkulisse dazu ist klar: Die weltweiten Katastrophen etwa, die sich mit globaler Ungleichheit verbinden und die so unsere Sicherheit gefährden, hat schon Walter Scheel benannt. Seither sind weitere
globale Gefahren und systemische Krisen aufgezogen: Konflikte zwischen Kulturen, Nahrungsmittel- und Hungerkrisen, Klimawandel und derzeit eine Finanzkrise, die über eine Wirtschafts- und Fiskalkrise zur Politikkrise werden kann – wenn wir nicht handeln. Experten reden von globalen öffentlichen Gütern.
Gerade sie werden unsere Zukunft bestimmen und gerade sie gehören zu den Kernaufgaben zukunftsfähiger Entwicklungspolitik.

Das ABC der Entwicklung lautet also: Es gibt Aufgaben, Bedrohungen und Chancen. Die Zukunft hängt von dem Entwicklungspfad ab, den wir heute einschlagen. Meine Kernfrage ist einfach: Wie werden wir Chancengeber für eine bessere Welt?
Jede Antwort darauf weist über die Möglichkeiten eines Ministeriums hinaus. Egal wer Minister ist, egal wie gut sein Ministerium ist, egal wie gut die staatlichen Durchführungsorganisationen sind. Darum haben wir von Anfang an gesagt: Wir brauchen mehr Engagement aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Der Ausgang der Geschichte, an der wir alle mitschreiben, ist offen.

Wir sehen uns dabei nicht Besserwisser. Aber wir sind offen für Besseres. Wir sehen das BMZ als lernende Organisation und Plattform. Das ist eine Grundhaltung, die in den vergangenen Jahrzehnten deutscher
Entwicklungspolitik nicht ausreichend beachtet wurde. Da dachten viele zu lange, karitativ sein und das 0,7 Prozent-Ziel einfordern, das ist schon fast unüberbietbar gut. Die Entwicklung hat sie überholt. Unsere Offenheit für Verbesserungsideen geht weiter, als sich viele das vorstellen konnten: Wir gründen ein unabhängiges Evaluationsinstitut, um die Wirkung unserer Arbeit von außen beurteilen zu lassen. Und wir haben einen Innovationsbeirat geschaffen, um Impulse für neue Ideen zu bekommen. Da sind wahrlich nicht Claqueure drin, sondern auch Skeptiker, Querdenker und Kritiker.

Zum Beispiel die Grünen-Politikerin Dr. Ursula Eid, die sagt: „Das einzige Ziel der Entwicklungshilfe muss sein: sich überflüssig zu machen.“ Oder der junge Unternehmer Till Behnke von betterplace.org, der von der Zeitschrift Capital in die Junge Elite Top 40 der Wirtschaft gewählt worden ist. Oder die Fußballerin
Nia Künzer, die uns hilft, Entwicklungspolitik und Sport zu verbinden. Oder der Filmregisseur Tom Tykwer, der voller Impulse ist, Kunst für Entwicklung zu nutzen. Sie alle unterstützen uns dabei, neueImpulse zu setzen und mehr Menschen für eine bessere Entwicklungspolitik zu gewinnen. Dieser Innovationsbeirat steht dafür, dass wir offen sind für Besseres.

Der Leitspruch der Universität ist mir also in Berlin durchaus präsent, wenn es um eine zukunftsweisende Entwicklungspolitik geht. Das „semper apertus“ signalisierte, wenn ich recht weiß, von Anfang an eine Öffnung über Baden hinaus, auch hinein in das befreundete Württemberg, hinein nach Europa galt dieses Signal. Der Leitspruch steht seit 1386 für eine Offenheit gegenüber besseren, weiterbringenden Ideen.
Wir müssen das heute global interpretieren – und ich freue mich, dass das hier in der Universität so exzellent geschieht. Nun schafft sich, wer Neues will, damit nicht automatisch neue Freunde. Im Gegenteil.
Ich darf hier in die Vollen greifen und an den Reformator Martin Luther erinnern. Er hat in Heidelberg 1518 – ein Jahr nach seinem Thesenanschlag – eine Disputation absolviert. Im Fall des Reformators waren die überkommenen kirchlichen Institutionen herausgefordert. Kenner sagen, die Heidelberger Thesen seien für die Reformation wichtiger als die Wittenberger Thesen.
Das will ich nicht entscheiden. Es wird allerdings überliefert, dass er damals keine Zustimmung bei den Professoren fand und viel bei den Studenten, die haben dann ja auch die Bewegung weiter getragen und Institutionen verändert.

Allerdings – auch wenn ich an eine der berühmtesten Ruinen Deutschlands denke, das Heidelberger Schloss, kommen mir entwicklungspolitische Gedanken. Nicht weil ich Trümmer romantisch finde. Sondern deshalb: Seit Ende des 17. Jahrhunderts haben Heidelberger täglich vor Augen, dass grenzüberschreitende Krisenprävention eine gute Alternative ist. Es ist besser, wenn öfter Freunde statt hin und wieder Feinde vorbeischauen.
Dafür kann man was tun. Kürzer und bildhafter kann ich kaum sagen, was wir als Schlüsselbereich Krisenprävention im neuen Konzept formuliert haben. Ich denke an die Freiheitsbewegung von 1848. Viele Heidelberger Professoren gehörten zu den Trägern des damaligen Liberalismus, mehrere engagierten sich in der Frankfurter Nationalversammlung – wir würden in der EZ-Sprache sagen: Für Good Governance
statt überkommene Clanstrukturen.
Ich denke aber ganz beistimmt auch dran, dass in Heidelberg 1861, vor genau 150 Jahren, die Wiege des DIHK stand. Er steht für die Interessen der gewerblichen Wirtschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Er fühlt sich den Prinzipien“Freiheit und Wettbewerb“ verpflichtet.
Ich denke an Max Weber, der bis 1918 hier gewirkt hat. Seine Thesen zu Bürokratie und Kapitalismus, zu Ethik und Politikberuf gehören heute zu Ihrer intellektuellen Grundausstattung bei der Zwischenprüfung.
Max Weber hat bekanntlich darauf verwiesen – Professoren hören es nicht immer gerne – dass Politik nicht einfach angewandte Wissenschaft sein kann.
Politik erfordert Entscheidungen gegenüber Werten und Interessen, sie fordert Leidenschaft und Augenmaß, sagt Weber. Und ist und bleibt immer das „Bohren dicker Bretter“. Ich denke an den demokratischen Geist hier in der Weimarer Zeit und die Jahre nach 1933, an Theodor Heuss, der in seinem Haus ein Beziehungsnetz des freiheitlichen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus knüpfte. Hier hat er seine Biographie über Robert Bosch geschrieben, einen Unternehmer, der in Deutschland Maßstäbe gesetzt hat für Innovation und Wachstum, der als Stifter Herausragendes geleistet hat. Unternehmerische Leistung und gesellschaftliche Verantwortung waren für ihn zwei Seiten derselben Medaille, er hat sich eingesetzt für soziale Verantwortung und Liberalität im weltweiten Horizont. Im Grunde ein Vorbild für unsere Servicestelle Wirtschaft. Bevor ich mit meinen Heidelberger Betrachtungen zu sehr in die Gegenwart komme, breche ich ab und überlasse weitere Bewertungen der  Heidelberger Inspirationen den Nachgeborenen.

Eine Persönlichkeit dieser Fakultät will ich abschließend herausheben. Von ihm stammt das Anfangszitat zur hilfreichen Hand. Hier an der Universität hat in den Aufbaujahren der Bundesrepublik Alexander Rüstow gelehrt. Er gehört zu den liberalen Vätern der Sozialen Marktwirtschaft. Ich erwähne ihn auch deshalb, weil heute dem Liberalismus viel Misstrauen entgegenschlägt. Rüstow zählt zu den profilierten Kritikern an falschen Liberalismusauffassungen – gegen sie hat er übrigens damals den Ausdruck „Neoliberalismus“ geprägt, ganz anders als er heute verwendet wird. Liberale Innovationsbereitschaft und liberale Kante, dafür steht Rüstow. Die Rechtfertigung für Privateigentum sah er darin, dass es Fundament sein kann für persönliche Freiheit, Unabhängigkeit und Menschenwürde.

Rüstow zählt zu den großenliberalen Mahnern, die betont haben, dass die Voraussetzungen jeder freien Leistungskonkurrenz faire Startchancen für alle sind. Faire Startchancen für alle – eine gute Umschreibung für das Anliegen der Entwicklungspolitik.

Um von den Heidelberger Impressionen zu den konkreten Innovationen zu kommen, lassen Sie mich ein weiteres Zitat nennen. Dieses Zitat bringt einerseits meine kritische Einstellung zur Entwicklungshilfe sehr gut zum Ausdruck und hilft mir andererseits, vielleicht die harte Front notorischer Kritiker meiner Politik etwas aufzulockern.
Ich zitiere: „[Wir sind] aus Erfahrung zu der Auffassung gelangt […]. Dass das ganze Konzept der Hilfe falsch ist. Es ist ein nützliches Linderungsmittel. Aber es ist keine Lösung des Armutsproblems in der Welt.Es ist auch grundsätzlich falsch, weil es die armen Staaten auf den Status von Bettlern herabwürdigt.“ Zweifellos eine Fundamentalkritik. Von wem stammt sie? Diesmal weder aus Heidelberg noch von Walter Scheel. Diese Einsicht stammt bezeichnenderweise geistig und regional aus einer anderen Ecke. Die Erfahrung, dass Hilfskonzepte keine Armutsproblematik lösen und Partnerländer zu Bettlern machen, hat so der afrikanische Sozialist Julius Nyerere formuliert – übrigens bereits in den 70er Jahren. 1961 war erPräsident des nachkolonialen Tansania geworden. Im gleichen Jahr wurde in Berlin die Mauer gebaut, haben in New York die Vereinten Nationen die Erste von allen folgenden Entwicklungsdekaden proklamiert.
Und in Bonn wurde das BMZ gegründet. Zunächst als ziemlich marginale Erscheinung übrigens, die erste Kraft, die Walter Scheel einstellen konnte, war eine Putzfrau. Walter Scheel erinnert sich noch heute gerne an Nyerere. Er hat dieser Tage erst gesagt: „Ich habe […] sehr gut mit Julius Nyerere, dem ersten Präsidenten Tansanias, zusammen gearbeitet. Wir haben uns häufig getroffen und uns sehr geschätzt. Aber wenn wir über die verschiedenen Projekte sprachen, ging es nicht um Marktwirtschaft oder Politikwissenschaften, es ging um die Menschen in Ostafrika.“
Nyerere und Scheel fanden sich demnach in der Grundüberzeugung: Es geht nicht um Hilfe, die entwürdigt, aber auch nicht um den Streit über politische oder wirtschaftliche Ideologien. Es geht um die Menschen.
Noch heute gilt unser Interesse immer wieder der Frage: Was erweitert die Freiheiten der betroffenenMenschen? Diese einfache, menschliche und erzliberale Grundfrage wurde immer wieder verschüttet.
Darum sage ich: Nur wer bei Kritik an der Entwicklungshilfe genau zuhört, findet die Ansätze, es besser zu machen. Die Streiflichter aus der Anfangszeit legen den Blick frei auf bis heute tragende Säulen guter Entwicklungspolitik: Arme wollen nicht auf den Status von Bettlern festgelegt werden, sie wollen die Chance, sich selber helfen zu können. Nicht Ideologien, sondern der Mensch und seine Handlungsfreiheit stehen im Mittelpunkt. Faire Startchancen bedeuten: Bildung, Ausbildung undwirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten.
Darauf können wir aufbauen. Ich tue das auch ganz handfest bei meinen Reisen, wenn ich mich zum Beispiel für Bildung und lokale Wertschöpfungsketten einsetze. Konkret zeige ich, wie Firmen bei uns die Menschen in den Partnerländern nicht zu Hilfsbedürftigen machen, sondern zu tatkräftigen Arbeitern und Unternehmern.
Mit den Fundamenten aus der Anfangszeit können wir uns heute nicht mehr begnügen. Mit der veränderten  Entwicklungslandschaft und neuen globalen Entwicklungen sind weitere Aufgaben dazu gekommen.
Frühere Entwicklungsländer wie Indien, Brasilien oder Mexiko sind globale Partner geworden. Wir haben heute ein umfassenderes Verständnis von Entwicklungspolitik, das den Abbau der Ursachen von Armut
ernst nimmt, aber zugleich über Fragen der Armut hinaus relevant ist. Das ist eine wichtige Pointe unseres neuen Konzeptes: Das BMZ ist mehr als ein Armutsministerium.

Und wir haben es heute zugleich mit einer über die Jahre gewachsenen Kritik der Entwicklungspolitik zu tun, auf die wir überzeugend eingehen müssen. Im Sinne Rüstows stelle ich fest, dass in der Vergangenheit einige Länder von der Entwicklungspolitik nicht überfordert, sondern überfördert worden sind. In
einer Mail eines sehr kompetenten Mitarbeiters des BMZ stand dieser Tage zu lesen: In den 80/90er Jahren haben wir definitiv einige Länder überfördert wie eben auch Tansania oder Äthiopien, ohne dass tatsächlich Entwicklung in den Länder spürbar war.

Einsicht ist ein Schritt zur Besserung. Aber die Orientierung am Geldfluss statt an den Wirkungen ist nur einer von vielen Kritikpunkten. Ein anderes Kernproblem der Entwicklungspolitik ist ihre institutionelle Zersplitterung. Was den deutschen Bereich angeht: Da gab es im Lauf der Zeit KfW und DED, GTZ und DSE, CDG, InWEnt und manches mehr. Im Zweifel alle mit eigenen Planungsstäben, Sektor- und Regionalexperten.

So gab es viel gute, aber oft nicht abgestimmte Arbeit. Wenn die Deutschen im Partnerland einzogen, dann wurde der Platz neben den Eingangsportalen knapp, um alle Hinweisschilder unterzubringen.
Und dann musste ja noch entschieden werden, wer wie groß und wie weit oben hängen und anschrauben darf.
Effizienzpotentiale also. Hier kann ich es erfreulich kurz machen. Heute reichen 4 Schrauben und ein Schild. Über 90 Prozent der betroffenen Experten haben wir, bevor 100 Tage der Legislaturperiode vorbei gewesen sind, zusammengefasst in der GIZ. Wir haben eine Effizienzrendite von 700 Stellen erreicht und übrigens auch die Gehälter der Vorstände gekürzt. Einen Teil der Rendite können wir nun verwenden, um die politische Steuerungs- und Strategiefähigkeit des BMZ zu erhöhen.

Aber es gibt nicht nur Deutschland. Der weltweite Helferbetrieb ist eher noch unkoordinierter, wenn ich das mal so sagen darf. Ich zitiere einfach, was der jetzt amtierende Weltbankpräsident bereits 2008 – ein Jahr vor dem Regierungswechsel – den fleißigen Gebern und Nehmern ins Stammbuch geschrieben hatte:
Im Schnitt sind derzeit in jedem Land rund 33 Geber tätig. 2007 führten diese Geber erstaunliche 14.000  Missionen in 54 Ländern durch, nur 18 Prozent davon zusammen mit anderen Gebern. Ein Durchschnittsland besuchen 260 Geber pro Jahr. In Vietnam waren es 2007 sogar 752. n Tansania waren es 407, und das auch nur, weil Tansania Ruhephasen durchgesetzt hat, damit seine Minister arbeiten konnten, statt Missionen
zu leiten. Soweit Robert Zoellick, mit dem ich gut und gerne zusammenarbeite und der mit diesen und anderen Einsichten auch Gast auf unserem Zukunftsforum am 13. November in Berlin sein wird. Vielleicht ist der Widerstand Tansanias gegen zu viel Hilfe noch ein schönes Erbstück von Nyerere und Walter Scheel.
Das können wir der historischen Wissenschaft übergeben. Jedenfalls hätte die Lageskizze von Zoellick Unterhaltungswert, wenn das alles nicht so traurig und teuer wäre.
Und bei heutigen multilateralen Fonds ist das leider alles noch viel schlimmer! Kann so eine Entwicklungszusammenarbeit wirksam sein? Eine rhetorische Frage. So kann es nicht bleiben! Es wurde in der Gebergemeinschaft auch reagiert. Der Accra-Aktionsplan zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit sollte dem skizzierten Zustand Abhilfe schaffen. Grund zur Selbstzufriedenheit sind die Ergebnisse
für mich nicht.
Wirksamkeit misst sich nicht allein an verbesserten Verwaltungsverfahren und Planungsmodellen. Wirksam ist Entwicklungszusammenarbeit, wenn sie Menschen mobilisiert, wenn sie gesellschaftliche Potentiale,
Eigeninitiative und Innovationskraft in unterschiedlichen Ländern und Kulturen freisetzt. In innovativen Pionieren sozialer Bewegungen, in verantwortlichen Eliten und leistungsfähigen Institutionen sehen wir Schlüssel für gelingende globale Entwicklung.
Alle Wirksamkeitsdebatten bleiben aber am Ende selber wirkungslos, wenn entwicklungsförderliche Rahmenbedingungen fehlen und keine Kohärenz mit anderen Politikfeldern gelingt. Um in der Bundesregierung die Entwicklungspolitik als Querschnittsthema zu etablieren, hat unsere Regierung einen Ressortkreis
Internationale Zusammenarbeit ins Leben gerufen. Da wird stets auf Ebene der Staatssekretäre für bessere Abstimmung gesorgt.

Die Geber-Seite ist aber nur die eine Problemzone. Die anderen Problemzonen werden immer wieder für  die Nehmerseite moniert. So kritisierte vor knapp 2 Jahren der Afrika-Kenner Bartholomäus Grill, dass 2,5 Millionen Kenianer von internationaler Nahrungsmittelhilfe leben. Zugleich leiste sich aber die Regierung 40 Minister, 523 Vizeminister und die weltweit höchsten Politikergehälter.1
Damit das nicht in ein stereotypes Afrika-Bashing abrutscht, füge ich ausdrücklich hinzu: Solche Selbstbereicherung funktioniert nicht ohne Verbündete im Ausland. Und auch hier verbindet sich kritische Analyse längst mit unserem zentralen Lösungsansatz, der Forderung und Förderung von Good Governance.
Ich war selber in Nairobi, Kenia war lange eins der korruptesten Länder Ostafrikas. Kenia hat heute eine neue und eine der modernsten Verfassungen der Welt, mit freier Presse und einem Parlament, das seine Rechte ernst nimmt.
Der afrikanische Ökonom James Shikwati hat sich als Kritiker einen Namen gemacht und wird immer wieder zitiert. Ich nehme ihn exemplarisch für andere Stimmen aus Afrika, die leicht hinzuzufügen wären.
Er sagt: „Nach mehr als einem halben Jahrhundert Entwicklungshilfe ist Afrika stärker verschuldet und wirtschaftlich labiler als jemals zuvor.“ Kaum weniger deutlich fasst der afrikanische Bischof Desmond Tutu zusammen, dass früh etwas schief gelaufen ist, obwohl sogar die Kirchen dabei waren: „Wir schwarzen Südafrikaner hatten das Land, die Weißen die Bibel. Nachdem wir zum Gebet die Augen schlossen, war es umgekehrt: Die Weißen hatten das Land, wir die Bibel.“

Diese anhaltende Kritik aus so unterschiedlichen Lagern wollen wir politisch ernst nehmen, auch wenn die Afrika-Experten bei uns im Haus mancher dieser pauschalen Thesen qualifiziert widersprechen würden.
Hören wir noch einmal Shikwati: „Entwicklungshilfe hat […] den Afrikanern […] die Chance genommen,  ihren eigenen Entwicklungsweg zu bestimmen. Entwicklungshilfe nützt vor allem den Gebern, den afrikanischen Eliten und Teilen der Mittelklasse. […] Paradoxerweise liegt es nicht im Interesse der Hilfsindustrie, einheimische afrikanische Lösungsansätze zu fördern, da sie von den afrikanischen Problemen lebt.“
Es sollte Sie nicht wundern, wenn ich daher immer wieder auf Good Governance und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu sprechen komme. Wenn die Handelshemmnisse beseitigt würden, die sich heute den Entwicklungsländern stellen, könnten 144 Millionen Menschen aus extremer Armut befreit werden – das erkannte die Weltbank übrigens schon vor vielen Jahren.4 Insofern kritisieren Shikwati und andere hier
mit ihrer Schwarzmalerei natürlich auch ein leicht verblassendes Feindbild. Auch Kritiker wie James Shikwati oder Dambisa Moyo sind nicht davon ausgenommen, ihrerseits mit guten Gründen kritisiert zu werden.
Einer meiner grundlegenden Einwände hier ist: Es wäre fatal, mit solchen Geschichten ein negatives Afrikabild zu zementieren. Das entspricht nicht der aktuellen Dynamik und Wirklichkeit. Im Gegenteil: Die afrikanischen Löwen von heute sind das, was die asiatischen Tiger früher waren. Afrika ist ein Kontinent der Zukunftschancen. Sehr treffend bringt diese Sicht auf den Zukunftskontinent Afrika die Präsidentin
Liberias und diesjährige Nobelpreisträgerin Ellen Johnson-Sirleaf zum Ausdruck. Sie beschreibt, wie es in Afrika vorangeht: „Die Wirtschaft wächst stetig, die Armut geht zurück und eine immer größere Zahl von Ländern wird demokratisch regiert. […] Die Afrikanische Wende ist Wirklichkeit, die Belege lassen sich nicht wegdiskutieren. Entscheidend für diese Wende waren die Afrikanerinnen und Afrikaner selbst
[…] ein Senken der Entwicklungszusammenarbeit würde das privatwirtschaftliche Wachstum bremsen, die Armutsbekämpfung zum Erliegen bringen und Frieden und Stabilität untergraben.“

Soweit die Nobelpreisträgerin. Sie hat Recht: Diese positive Entwicklung können wir stärken. Darum ist es übrigens mit einem freien und fairen Markt unvereinbar, wenn Entwicklungserfolge durch Handelshemmnisse, Schutzzölle oder Exportsubventionen behindert werden. Entwicklungsländer verlieren so derzeit eigene Einnahmen in doppelter Höhe dessen, was alle Geberländer zusammen als ODA aufwenden.
Die von Direktinvestitionen ausgehende Dynamik erfolgreicher Entwicklungspartner wird durch solche Inkohärenzen gebremst.

Die deutsche Entwicklungspolitik setzt sich für ein Handelssystem ein, das freien Handel und faire Entwicklungschancen ermöglicht. Die entwicklungsförderliche Ausgestaltung des multilateralen Handelssystems ist für uns zentrale Voraussetzung zukunftsfähiger Entwicklung und jeder „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Immer wenn in diesem Sinn Entwicklungserfolge mithilfe der Privatwirtschaft in unseren Partnerländern gelingen und Arbeitsplätze geschaffen werden, immer wenn Perspektiven an die Stelle von Fluchtgründen treten oder Klimaschutz und Ressourceneffizienz vorankommen, immer dann gewinnen alle Beteiligten.
Wirtschaftliche Interessen haben dabei nicht Vorrang vor entwicklungspolitischen Zielen, sondern dienen ihnen. Nachhaltiger Tourismus etwa verbindet Eigeninteressen mit Chancen für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Werte sind daher nicht das Gegenteil von Interessen. Aber Zielkonflikte sind möglich. Wo Menschenrechte verletzt werden, lösen wir Zielkonflikte, indem wir Werte über Interessen stellen.
Wir sagen: In Grenzfällen hat es einen Preis, zu Werten zu stehen. Unternehmer sollen gut verdienen, sich immer aber auch verdient machen. Dass wir Menschenrechte nie zur Verhandlungsmasse machen, entspricht unserem Grundgesetz und liegt in unserem Interesse. Dabei verlieren wir die Ursachen von Armut und arme Menschen nie aus den Augen. Vor diesem Hintergrund formuliere ich immer wieder meine Kritik an einem Entwicklungshilfeansatz, der meinte, vor allem mit immer noch mehr Geld mehr bewir ken zu können. Die Bundesregierung hält ausdrücklich an dem 0,7%-Ziel für die ODA-Quote fest, denn Entwicklungspolitik braucht Ressourcen.
Wie Sie wissen steht diese Quote für die staatlichen Entwicklungszahlungen weltweit. Aber so wichtig die ODA-Statistik als Maß für das 0,7 Prozent-Ziel und die Versprechen der internationalen Gemeinschaft bleibt, so wenig gibt sie Auskunft über die tatsächlich für Entwicklung wirkenden Beiträge eines Landes.

So klammert ODA den Abbau von schädlichen Subventionen und Zollschranken aus, obgleich es sich hier um entwicklungsförderliche Beträge handelt, die mehr bewirken als manche Geldflüsse. ODA sollte nicht zur „Heiligen Kuh“ der Entwicklungsfinanzierung werden. Neue Finanzierungswege müssen Defizite angehen und zum Dialog über eine an Wirksamkeit orientierte Entwicklungsarchitektur
beitragen.
Ich habe immer gesagt: Schlechte Entwicklungshilfe ist kein Grund, Entwicklungspolitik abzuschaffen, sondern sie besser zu machen. Wenn ich vor Jahren gesagt habe, das BMZ müsse in das AA integriert werden, dann darum, weil dies der einzige Weg zur Besserung schien. In jenen Jahren herrschte der Eindruck, dass zwei Ministerien übereinander her und gegeneinander durch die Welt zogen. Das ist nicht
mehr so. Eigenständige und doch mit dem AA koordinierte Entwicklungspolitik ist möglich.

Meine Arbeit, mich für eine gute, wirksame und sichtbare Entwicklungspolitik zu engagieren, lebt von zwei Grundüberzeugungen. Da ist erstens der Respekt vor der Freiheit jedes einzelnen Menschen weltweit – das heißt es geht um die Menschenrechte, um Bürgerfreiheiten und auch um soziale Teilhaberechte.
Da ist zweitens, die Überzeugung, dass es in unserem Interesse liegt, dass wir Chancen geben. Chancen, damit Menschen für sich selber sorgen können – das heißt es geht um Bildung und Wirtschaft, Sicherheit und Freiheit, Vermögensbildung im umfassenden Sinn, wenn Sie so wollen. Ich habe ihnen schon viele Zitate geliefert, aber noch keine von unmittelbar von Armut betroffenen Menschen.
Was sie sagen, deren Namen ich nicht kenne, ist genauso hörenswert, wie die Aussagen der Röpkes und Scheels, der Zoellicks, Tutus und Shikwatis. Die Weltbank hat einen Band herausgegeben, der den schlichten Titel trägt: Voices of the Poor. Mich haben diese Stimmen angesprochen. Das sind ganz normale Menschen, die nach ihrem Alltag befragt worden sind. Nur drei Beispiele:

Aus Jamaica: Poverty is like living in jail, living under bondage, waiting to be free“
Aus Georgien: „Poverty is lack of freedom, enslaved by crushing daily burden, by depression and fear of what the future will bring.“
Aus Nigeria:“If you want to do something and have no power to do it, it is poverty.“
Das sollten wir hören und wirken lassen, das muss ich nicht kommentieren. Ich leite zu unserer Diskussion über, indem ich mit meiner politischen Verantwortung schließe. Ich nenne Ihnen 7 Kriterien, die mir unverzichtbar scheinen für eine gute Entwicklungspolitik am Anfang des 21. Jahrhunderts.

1. Innovationsbereitschaft und Innovationskompetenz

Da ist zunächst, das wird Sie nun nicht mehr wundern, die Innovationsbereitschaft. Ich meine damit eine Haltung, die sich einlässt auf Vielfalt, Dialogfähigkeit, interdisziplinäre Methodenkompetenz und globale Vernetzung. Investitionen in Innovationsprozesse sind kein Luxus, sondern Voraussetzung dafür, die Chancen der Globalisierungzu nutzen, ihre Herausforderungen zu bewältigen, sich von Hilfsleistungen zu emanzipieren und die Ursachen der Armut zu bekämpfen.

2. Bildungsorientierung

Wissen ist der Schlüssel zur Überwindung von Armut, zur Überwindung von Unfreiheit, und für die eigenständige und partizipationsorientierte Entwicklung von Gesellschaften. Die Beteiligung an Wissensnetzwerken, der Aufbau von Forschungseinrichtungen und -kooperationen sind Teil unseres ganzheitlichen
Bildungsansatzes.

3. Eigenverantwortung

Entwicklungsfortschritte können nur erreicht werden, wenn Menschen Verantwortung übernehmen und dazu imstande sind. Entwicklung lässt sich nicht importieren oder exportieren. Entwicklungspolitik kann individuelle Eigenanstrengungen und Verantwortungseliten unterstützen, aber nicht ersetzen.

4. Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie

Menschenrechte dürfen niemals nirgendwo zur Disposition stehen. Zukunftsfähige Entwicklung braucht Menschenrechte – bürgerliche und politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle sowie Frauen- und Kinderrechte. Ohne Rechtssicherheit gelingt keine Entwicklung. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Inklusion von Menschen mit Behinderungen, Schutz der Menschen- und der Eigentumsrechte, gerade auch für
Kleinbauern, für verletzliche und diskriminierte Bevölkerungsgruppen, sind die Basis dafür, dass Menschen die Chance haben, ihr Leben eigenständig zu gestalten.

5. Gute Regierungsführung

Überwindung der Ursachen von Armut braucht den Vorrang des Rechts. Das bedeutet: entwicklungsorientierte Regierungen mit der Fähigkeit, Steuerhinterziehung zu unterbinden und selbst Mittel zur Armutsbekämpfung zu mobilisieren, wache Zivilgesellschaften, freie Medien, Schutz vor den großen Lebensrisiken, Gewährung von Sicherheit. Unsere Arbeit bezieht nicht nur die staatliche Verantwortungsebene ein, sondern auch die Verbände, NGOs, Unternehmen und die handelnden Personen.
Unternehmen tragen gesellschaftliche Verantwortung. Gegen Korruption bleibt Transparenz das Mittel der Wahl. Auch die Regierungen der reichen und aufstrebenden Länder tragen Verantwortung für verlässliche Beiträge zur Lösung globaler Herausforderungen und für faire globale Strukturen.

6. Marktorientierung und Unternehmertum

Faire Regeln und die Abschaffung benachteiligender Handelshemmnisse sind Grundvoraussetzungen erfolgreicher Entwicklung. Unternehmertum auf funktionierenden lokalen, regionalen und globalen Märkten ist unverzichtbar, um Steuereinnahmen zu ermöglichen und Beschäftigung, soziale Sicherung,
breitenwirksames Wachstum und Lebenschancen zu verbessern.

7. Klimaschutz, Ressourceneffizienz und erneuerbare Energien

Entwicklung braucht Energie. Wachstum und die Beeinträchtigung von Lebensgrundlagen müssen entkoppelt werden. Ökologisches Wachstum, umweltverträgliche Entwicklung und Klimaschutz erfordern eine Steigerung von Ressourcen- und Energieeffizienz.

Eine letzte Bemerkung: In diesen Tagen wird der Erdenbürger Nummer 7 Milliarden geboren. Nur 15 Prozent der weltweiten Bevölkerung lebt in so guten Umständen wie wir. Wir sollten uns nicht einreden, dass diese Situation zukunftsfähig ist. Vor 50 Jahren hat Walter Scheel dazu aufgerufen, die weltweite Ungleichheit im eigenen Interesse einzugrenzen. Ob uns weitere 50 Jahre bleiben, das darf bezweifelt werden.
Nicht zu bezweifeln ist, dass es Frieden und Sicherheit, Wohlstand und Freiheit bei uns nur geben wird, wenn weltweit die Chancengerechtigkeit zunimmt. Darum geht Entwicklungspolitik als Zukunftspolitik Reiche und Arme gleichermaßen an. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir dazu in eine Debatte kommen.
Und mancher hier sich fragt, was könnte ich eigentlich selbst dazu beitragen.
Unser Anspruch ist: Wir machen Zukunft. Unsere Bitte ist: Machen Sie mit!<

Nov 2011 | Allgemein, Politik, Wirtschaft, Zeitgeschehen | 6 Kommentare