Die geplante Rede des Papstes vor dem Bundestag muß als Zeichen der weiteren Verkirchlichung der Politik und des politischen Diskurses gesehen und daher abgelehnt werden. Die Bundesrepublik verpflichtet sich im Grundgesetz zu weltanschaulicher Neutralität, die einmal mehr mit diesem Auftritt eklatant verletzt wird.
Nur noch 29% der Bundesbürger gehören der katholischen Kirche an, ebenso viele sind evangelischer Konfession. Sie alle aber wie auch die 40% Konfessionsfreien und Moslems sollen, repräsentiert durch den Bundestag, einer letztlich mit Missionierungsabsichten gehaltenen Rede im Bundestag lauschen, einem Religions- und Staatsführer eines nichtdemokratischen Pseudostaates.

Was hat der Vertreter einer autokratischen Wahlmonarchie eigentlich demokratischen Volksvertretern zu erzählen? Bis heute hat der Vatikan – neben Weißrussland – die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterschrieben. Weder die vorgestrige Sexualmoral und Homophobie, noch die patriarchalische Einstellung zur Stellung der Frau oder auch die Menschenrechts- und Demokratievorstellungen des Papstes vertragen sich mit dem Grundverständnis der Bundesrepublik.

Ebenso unverständlich ist es, dass alle Steuerzahler für die millionenschweren Zahlungen des Staates (Bund, Länder und Kommunen) für die Gottesdienste, Baumaßnahmen und den Sicherheitsaufwand anlässlich dieses Besuches herangezogen werden. Unter anderem, muß hierzu gesagt werden  dürfen – aufschlußreich dazu ist das im Alibri Verlag erschienene, von Carsten Frerk hervorragend recherchierte „Violettbuch Kirchenfinanzen – wie der Staat dieKirchen finanziert.“ Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten: Die Zuwendungen der öffentlichen Hand an die Kirchen übersteigen deren Einnahmen aus der Kirchensteuer beiweitem.Und da die Kirchen steuerbefreit sind,tragen sie nichts zur Finanzierung der gesellschaftlichen Infrastruktur bei, von der sie profitieren.

Zurück zum Papstbesuch:
Als besonders pikant und unerträglich empfinden wir angesichts der vielfältigen rechtlichen Probleme mit Staatskirchenverträgen, Missbrauchsfällen und dem Umgang mit diesen oder auch kirchlichem Arbeitsrecht , dass sich die Bundesverfassungsrichter und -richterinnen eigens nach Freiburg begeben, um den Papst dort zu besuchen.

Wir glauben, dass der Papstbesuch in Deutschland viele Menschen mobilisiert gegen eine zunehmende Vereinnahmung der Politik durch Religionen und ihre Lobbyisten, wie das insbesondere bei SPD und CDU/CSU der Fall ist. In den öffentlichen Protesten muss deutlich werden, dass die Trennung von Staat und Kirche eine unverzichtbare Voraussetzung für einen demokratischen und liberalen Verfassungsstaat ist. Religion ist Privatsache. Andernfalls wird sie zur Bedrohung der Demokratie.

In diesem Sinne rufen wir alle Bundesbürger auf, sich an den stattfindenden Veranstaltungen und Demonstrationen gegen den Papstbesuch in Berlin, Freiburg und anderswo zu beteiligen.

Sep. 2011 | Allgemein, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen | 1 Kommentar