In Heidelberg hat es die „Initiative Leben in der Altstadt“ geschafft, dass Wirte (hoch strafbewehrt) nach 23 Uhr nichts mehr ausschenken dürfen an Gäste, die erkennbar nach draußen gehen wollen. Ein Pyrhussieg! Dass nämlich so auch der Stadt Knete durch verminderte Umsatzsteuer entgeht, ist den LindAnerInnen ebenso schnuppe, wie die Tatsache, dass selbst die Polizei einräumt, dass von vor Kneipen sitzenden oder stehenden Gästen eine soziale Kontrolle der „Rucksacksäufer“ ausgehe (dazu gehören auch die sogenannten Junggesellenverabschiedungs – Gruppen“, die – bereits „vorgeglüht“, das meint besoffen, aus dem Umland  einfallen). Im Juli 2009 hatte der Verwaltungsgerichtshof nach einer Normenkontrollklage des Freiburger Arbeitskreises kritischer Juristinnen und Juristen (AKJ) das Alkoholverbot – im Bermudadreieck am Martinstor in den Nächten von Freitag bis Montag – einkassiert.

In Heidelberg hat es die „Initiative Leben in der Altstadt“ geschafft, dass Wirte nach 23 Uhr nichts mehr ausschenken dürfen an Gäste, die erkennbar nach draußen gehen wollen. Ein Pyrhussieg! Dass nämlich so auch der Stadt Knete durch verminderte Umsatzsteuer entgeht, ist jedenfalls den LindAnerInnen ebenso schnuppe, wie die Tatsache, dass (siehe obigen Beitrag) selbst die Polizei einräumt, dass von vor Kneipen sitzenden oder stehenden Gästen eine soziale Kontrolle der „Rucksacksäufer“ ausgehe (dazu gehören auch die sogenannten Junggesellenverabschiedungs – Gruppen“, die – bereits „vorgeglüht“, das meint besoffen, aus dem Umland  einfallen).

Was bedeutet nun das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs für Heidelberg?  (In Anführung gesetzte Passagen sind wörtliche Zitate daraus).

Erstens ist es überhaupt nicht erwiesen, dass Alkohol automatisch gewalttätig macht. „Nahezu alle Menschen, die in der Altstadt Alkohol konsumieren oder mit sich führen, begehen keine Gewalttaten. Das ist die absolute Ausnahme. Gefahren ergeben sich erst aus den weiteren Handlungen Einzelner“, deshalb müsse man diesen auch mit Einzelmaßnahmen begegnen und nicht mit einem allgemeinen Verbot. Fazit des Arbeitskreises kritischer Juristen: „Das pauschale Alkoholverbot setzt viel zu früh und viel zu breit an.“

Zweitens müsse, wer wie „LindA“ der Auffassung ist, dass Alkohol Gewalt verursache, generell verbieten lassen, dass Menschen alkoholisiert die Verbotszone (Altstadt) betreten. Schließlich könne man sich nicht nur durch mitgebrachten Alkohol, sondern auch zu Hause oder in Kneipen betrinken. Folglich müsste eine Alkoholisierung unabhängig vom Ort des Alkoholkonsums verboten werden, sei es zu Hause oder in Kneipen. Denn: „Der mitgebrachte Alkohol kann nicht aggressiver machen als der in Kneipen oder Diskotheken getrunkene.“  Mithin macht die Differenzierung des Ortes des Alkoholkonsums keinen Sinn. Es sei denn, es gelte, die Interessen der Gastronomie zu wahren. Konsequenter wäre es da aus Sicht der Krakehler gegen Krakehl, Herumgekotze und Randale (für die wir alles Verständnis haben – nicht aber für Jene, die das für politischen Krakehl instrumentalisieren!),  ab einer gewissen Promillegrenze niemanden mehr in die Altstadt – oder in die Untere Straße – hineingehen zu lassen. Den LindAnerInnen wäre, eine solche Forderung aufzugreifen jedenfalls nach Kenntnis ihres gesamten Forderungskataloges allemal zuzutrauen – …

Drittens ist es für die kontrollierenden Polizisten in vielen Fällen überhaupt nicht möglich, zu erkennen, wo jemand Alkohol trinke – ob also jemand sein Bier ioder ihren Wein in der „Verbotszone“ trinken oder diese nur durchqueren wolle.

Viertens sei das Verbot unverhältnismäßig, da die Zahl der Gewalttaten von Januar bis Mai 2008 (in Freiburg) nur minimal um 13 – von 82 auf 69 – gesunken seien, und das vor allem in der Nacht von (!) Sonntag auf Montag. Es sei demnach gar nicht erwiesen, dass die Polizeiverodnung greife (und das ist in Heidelberg nicht anders). Abgesehen davon, hat die Polizei selbst eingeräumt, dass die Gewalt in dem Moment zugenommen habe, in dem sie – so geschehen im Mai – ihre Präsenz heruntergefahren habe. Was dafür spreche, dass höhere Polizeipräsenz in den relevanten Zeiten entscheidend sei.

Wir verweisen (nicht zuletzt, weil unsere fleischgewordene Selbstgerechtigkeit, die OberLindAnerIn Karin Werner Jensen dies alles genau weiß, jedoch populistisch –  und wählerwirksam – dennoch diese Polizeiverordnung von der Verwaltung fordert (no ta bene hat sie ja auch die von ihr initiierten Bettücher  n i c h t  an ihrem Haus aufgehängt- regt das nicht wenigstens ein ganz klein wenig mehr als gar nicht zum nachdenken an?!). Zu guter Letzt auch hin auf ein Urteil des VGH aus bereits dem Jahr 1998, das eine ähnlich formulierte Verordnung der Stadt Ravensburg für rechtswidrig erklärt hatte. Ein bußgeldbewehrtes Verbot unterhalb der Gefahrenschwelle sei rechtswidrig, da es deutlich vor einer Belästigung ansetze. „Das Vermeiden bloßer Ärgernisse ist für die Kommunen laut VGH keine zulässige polizeiliche Zielsetzung.“ Eine Polizeiverordnung könne auch nicht zur Aufwertung öffentlicher Plätze herhalten. Außerdem sei sie viel zu unbestimmt formuliert („außerhalb von Freischankflächen oder Einrichtungen wie Grillstellen“). Polizisten könnten gar nicht feststellen, wann der Zweck des Alkoholgenusses andere Zwecke, zum Beispiel den der Kommunikation, überwiege.

Auch was mit der Eignung der Auswirkungen des Alkoholgenusses gemeint sei, könne nicht annähernd sicher festgestellt werden. „Durch diese völlig unbestimmte Formulierung droht die Polizeiverodnung, die für Verstöße ja immerhin ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro androht, Menschen auch vom legalen einfachen Alkoholkonsum im öffentlichen Raum abzuhalten.“ Insgesamt sei die Verordnung unangemessen und unverhältnismäßig und eine „erhebliche Freiheitseinschränkung“, der allenfalls ein minimaler Nutzen gegenüberstehe.

Und, zu schlechter Letzt,  ist es dezidiert (schlicht) gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn Wirte – strafbewehrt – nach 23 Uhr nichts mehr nach draußen ausschenken dürfen (die ganze Nacht über aus im Rucksack trinkende Auswärtige, die die Zeit ja irgendwie und mithin eben herumsaufend herumbringen müssen, bis nämlich der erste Zug nach Sinsheim, Pirmasens oder Kaiserslautern fährt),  dies aber anderswo wie eben auch in Heidelberg schon dürfen …).

Apropos – nachher, in 20 Minuten, (Freitag, 2. September) um 23 Uhr, trifft sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Bindung in der Unteren Straße mit Genossinnen und Genossen, um vor Ort festzustellen, was man(n) da neuerlich (nach dem von ihm durchgeboxten Rauchverbot in Kneipen) vor der nächsten Wahl noch publikumswirksam verbieten lassen könnte! Wir (weil ich auch) ein Genosse bin) werde dort sein. Nicht mitmarschierend, sondern draußen vor der (Kneipen)-Tür stehe. Mit Rucksack! Und Riesling!

Jürgen Gottschling

 

Aug. 2011 | Heidelberg, Allgemein, InfoTicker aktuell | 1 Kommentar