Es wurde und wird versucht, die Heidelberger Verwaltung zum Büttel faschistoider Forderungen von uneinsichtigen „Inis“ zu machen – aber noch, und das ist gut so, leben wir in einem Rechtsstaat. Wir verwenden das so, wie die Bedeutung dieses Wortes wirklich ist: Wenn wir also faschistoid definieren als die von Selbstgerechtigkeit getragene Intoleranz gegenüber – tatsächlich oder scheinbar – Andersseienden, unter Verfolgung politischer, religiöser oder rassischer Minderheiten – oder eben einfach nur „anders Tickenden“, dann gibt es in Heidelberg irregeleitete (gleichwohl in jedenfalls der Sache durchaus recht habende) Menschen,
Immer mal wieder ist Kampf angesagt: in erster Linie gegen eine wirtschaftliche Verödung am Abend. Aber, die Altstadt lebt, die Untere Straße zumal. Das hat sich herumgesprochen bis nach Pirmasens, Kaiserlautern, Frankfurt – eben überallhin, wo Leute wohnen, die mal die Sau rauslassen wollen. In der Bahn bereits, dann am Uniplatzbrunnen in der Grabengasse oder keck in der Hauptstraße wird vor und angeglüht, was das Zeug hält und oder der Magen oder der Kopf oder die Blase verträgt. Das heißt, man/frau besäuft sich schon mal mit Mitgebrachtem, dann braucht man die Untere Straße, in welche in trunkendstem Zustand am frühen Abend eingefallen und bis zum frühen Morgen geblieben wird. Da wird sich dann aus randvoll gefüllten Rucksäcken abgefüllt, der Kneipen bedarf man allenfalls, um sich so oder so zu entleeren. Sind die Kneipen zu und man/frau selber auch, dann gehts zum geschäfteverrichten in die nah oder auch weiter entfernten Gassen. Dass die Anwohner lautstarkes am Schlaf hinderndes Gegröhle mehr als stört, was Wunder! Und der Morgen danach ist auch eher weniger ein Augenschmaus! Und stinken tuts auch, selbst in den Hausfluren tut es das …
Jahr für Jahr wurde das schlimmer, gesellschaftliche Manki werden ausgetobt mit Toben. Das, wie anderswo erwähnt, ist eine andere, anderswo zu (möglicherweise nicht mehr) zu reparierende Baustelle …
Nun aber werden die Altstadtbewohner, nachdem sie ständig wachwerden, wach und prügeln auf die (meist jedenfalls) Falschen ein, auf die friedlichen, an lauen Abend oder Nachtstunden ihr Bierchen oder ihren Risling oder ihre Schorle vor der Kneipe trinken und sich unterhalten wollen.
Dass dies einen durchaus zu Buche schlagenden Wirtschaftsfaktor für Heidelberg ausmacht, nehmen (LINDAistische jedenfalls) Anwohner allenfalls mit Kopfschütteln zur Kenntnis. Leider hat dieser wirtschaftlich attraktive Faktor den Preis, dass zur allgemeinen Verwunderung Menschen plötzlich da sind, junge Menschen sogar. Sie stehen herum, sie reden miteinander und das ist halt mal mit einem gewissen Geräuschpegel verbunden. So wie in den Villen am Rande der Stadt halt bei den gesetzteren Jahrgängen, aber die sind ja glücklicherweise im Dunkeln. Und „die im Dunkel, die sieht man nicht“. Und überdies trinken diese ihren Rotwein einfach so. Zurück zum jugendlichen Gesindel: Ihnen gilt es Manieren beizubringen, sie sollen in die Clubs gehen, davor oder danach in den Kneipen was essen und trinken und dann schnurstracks und ohne Mucks nach Haus. Eine Polizeiverordnung muss her, die ein Trinkverbot in der Öffentlichkeit in der Altstadt statuiert.
Eine solche Polizeiverordnung ist dreierlei: rechtlich äußerst fragwürdig, nach kriminologischen Erkenntnissen (die soziale Kontrolle, die von friedlich vor der Kneipe sitzenden oder stehenden Menschen ausgeht, wird auch von der Polizei so wahrgenommen) nicht angezeigt und atmosphärisch – ebendrum – verheerend. Zur rechtlichen Legitimation muss die öffentliche Ordnung herhalten, die überraschenderweise nur von einem kleinen Teil der öffentlich-rechtlichen Literatur als (wir hingegen tun genau dies) verfassungswidrig gebrandmarkt wird. Ferner wird auf § 118 OWiG verwiesen, eine Norm, in der von einer grob ungehörigen Handlung mit einer Eignung die Rede ist, die Allgemeinheit zu belästigen bzw. die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Das OWiG hat hier offensichtlich jede verfassungsrechtlichen Skrupel in die Ecke gestellt, um ein Instrumentarium für opportunes Verhalten in die Hände zu bekommen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann allen drei Stufen Erfolg vermelden: nicht geeignet, nicht erforderlich, nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Die kriminologische Scheinbasis muss die Polizei selbst liefern, die mit einem wüsten Zahlenwerk und einer Reduktion der Komplexität (Alkohol führt zur Delinquenz) jedem verantwortungsvollen Wissenschaftler alternativ wahlweise Schweißperlen auf die Stirn ruft oder ihn zu einem resignativen Schulterklopfen veranlasst.
Evaluiert werden soll das Ganze praktischerweise wiederum von (und auf dem Rücken) der Polizei. Hier mal einige Beispiele dafür, wie sich Polizisten auch anderswo – was Wunder – mit der Auslegung schwertun. Wir aber kennen derartige inzestuösen Verfahrensweisen von den Sicherheitsgesetzen. Für die Nostalgiker unter uns: Es gab mal eine Zeit, in der man sich bei Eingriffen des Staates zumindest von der Idee her fragte, ob es dieser wirklich bedürfe oder ob man die Bürger in Ruhe lassen solle. Und die “Beweislast” lag – damals – beim Staat. Die Verwaltung gibt nun – es muss gesagt werden dürfen – die neue Richtung vor: Man wisse nicht, ob der Maßnahmenkatalog was bringe, hoffe es aber. Das nennt man dann proaktiv …
27.Aug..2011, 10:04
Dem Beitrag oben zu den besonderen „Feuchtgebieten“ in einigen Bereichen der Heidelberger Altstadt kann ich im Großen und Ganzen zustimmen.
Statt von „faschistoid“ würde ich allerdings eher von „spießig“ reden und ich würde in diesen Begriff durchaus das Spießertum des immer noch (Geschichte hat einen langen Atem…) stark protestantisch-calvinistisch geprägten (Mittel)bürgertums in Heidelberg eingebettet sehen: Freudlosigkeit als inneres Programm der Gefahrenabwehr. Kasteiung, Innerlichkeit, Dinkelkekse. (Bei allem Schönen, was diese „Bewegung“ ja auch vorzuweisen hat.)
Dass aus Spießern nicht selten auch Faschisoide oder gar Faschisten werden, nun gut, das haben wir erlebt. Das steht auf (k)einem anderen Blatt. Aber auch grölende Horden umherschweifender Feuchtgebietler könnte man in diesem Sinne (in)adäquat titulieren. Auch das kannte und kennt man ja, die Horden, das Starkdeutsche in der Gruppe…
Nein, ich finde, der Begriff faschistoid bringt uns in diesem unseren Fall nicht wirklich weiter. Wer ist übrigens „uns“ in diesem Fall?
Die Sachverhalte im Beitrag oben jedenfalls scheinen mir ansonsten treffend und erfahrungsschwanger beschrieben. Die Schlussfolgerungen haben Charme.
Wir leben nun zunehmend in einer regelhaft eingegipsten Gesellschaft, und Heidelberg macht sich diesbezüglich nicht etwa durch besonders auffallende Liberalität einen Namen, auch wenn es diesen Ruf vordergründig haben mag – vor allem „nach außen“.
Auch Heidelberg folgt in letzter Zeit zunehmend dem morbiden Trend, dass Lautsein, Ekstasieren (im Sinne von aus sich herausgehen), Lachen, Singen, Tanzen usw. Phänomene sind, die in extremem Maße erwünscht sind, aber Vorsicht….halt nur, wo dies organisiert daher kommt und kommerziell verwertbar ist. Vom Lautlachclub bis zum Open Air-Konzert, vom geräuschvollen Fußgängerzonen-Wettstreit um Kunden bis zu städtischen Kommerz-Animationen vielfältigster Art.
Wo aber Menschen in Heidelberg spontan und ohne groß den Geldbeutel zücken zu wollen, singen, tanzen und lachen, ja auch mal laut sind, da kommt der Stinkefinger roboterhaft aus der Neid- und Mißgunst-Ecke gefahren…
Wehe denen, die sich noch freuen, ohne zu zahlen!
Laut sein wird dort und dann verstanden und somit hinbgenommen, wo und wenn es kommerziell organisiert wird. Ansonsten gilt immer noch bzw. schon wieder das preußische „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“. Nicht weil die Stadtverwaltung und Stadtführung per se es so wollen (auch wenn sie ihren Kafka doch fast alle gerne haben), sondern weil es die anwohnenden Bürger so wollen, die gewählt haben und sich in Gremien organisieren. Die Administratoren halten sich dann halt nur dran und machen Regeln.
Führung und Verwaltung (inkl. Polizei) der Stadt wirken allerdings geradezu grotesk daneben, indem sie das Phänomen des über die Stränge Schlagens immer wieder geradezu notorisch an der falschen Stelle zu verputzen suchen: 23 Uhr-Gebote statt Junggesellen/innen-Abschied-Dezimierung. Zu wenig öffentliche Toiletten mit der Folge von „Fremdklientel“ en masse in manchen Lokalen oder der Entleerung im öffentlichen Raum, Feuchtgebiete eben. Ausweiskontrollen gerne dort, wo´s den Kontrolleuren nicht allzu weh tut. Blaue Polizeiautos und martialische Body Guards, wohin man sieht…und, und, und.
Irre, wir haben uns an solche Demokratur-Bilder total gewöhnt. Die Stadt regelt und rüstet, aber der Schub der wirklichen Amoral (ja, die gibt´s) wird seltsamerweise immer größer….Wieso eigentlich?
Nun gut, „Moral Persuasion“ und Eindämmung von neoliberaler Großkommerzkultur auf Teufel komm raus sind zurzeit nicht „in“. Es wird am Phänomen kuriert, nicht wirklich an den Ursachen. Der Arzt als strenger Coach mit Knüppel aus dem Sack im Zweifelsfall.
Da kann man nur Stoßgebete zum Himmel schicken – oder heißt es fortan korrekt „Schoßgebete“?
Houellebecqs schöne neue Welt lässt grüßen…
Auch ich
Fritz Feder
13.Feb..2012, 01:25
Netter Blog, gefaellt mir sehr gut. Auch schoene Themen.