In einem Brief an Entwicklungshilfe-Staatsekretär und GIZ-Aufsichtsratschef Hans-Jürgen Beerfeltz (FDP) wolle der Heidelberger SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding wissen, ob es stimme, dass der GIZ-Vorstand auf Dienstreisen häufig die First Class wähle. Zugleich kritisiere Binding die Kosten für einen „Fuhrpark an Luxuskarossen mit jeweils eigenem Fahrer“ sowie „umfangreiche Baumaßnahmen“ der Vorstandsbüros, bei denen es sich um „größtenteils unnötige repräsentative Investitionen“ handle. „Mitarbeiter der GIZ ärgern sich sehr, dass der Vorstand über die Stränge schlägt“, sagte Binding (wir hingegen lassen einen Freien Mitarbeiter der GIZ, einen „Gutachter in der Entwicklungszusammenarbeit“ zu Wort kommen, der das erheblich anders sieht). Aber, was Wunder, spricht auch der SPD-Entwicklungspolitiker Sascha Raabe von einem Skandal. „Jemand, der nach Afrika fliegt, um über Armutsbekämpfung zu sprechen und gute Regierungsführung einfordert, kann nicht in der ersten Klasse reisen“, meint Raabe.
Das Entwicklungshilfeministerium verteidigte die Ausgaben mit den Herausforderungen, die der Vorstand eines Unternehmens mit einem Umsatz von fast zwei Milliarden Euro bewältigen müsse. „Dazu bedarf der Vorstand einer adäquaten Arbeitsstruktur“, erklärte ein Sprecher. Dienstwagen gehörten zum Entlohnungspaket der Vorstände.
Für die „KFZ-Oberklasse“ erhalte die GIZ hohe Rabatte und über den Wiederverkauf meistens mehr als den kompletten Preis zurück. „Daher ist es kostenneutral“, hieß es weiter. Bei Flugreisen habe der Vorstand zudem die Möglichkeit, eine höhere Klasse zu wählen, die auch durch Upgrading erreicht werden könne. Hätten sich Bindung und Raabe mit dieser Materie auch nur ein wenig mehr als gar nicht beschäftigt, hätten auch die beiden, ich nenne sie populistischen Oppositionellen,  zum gleichen – von ihnen freilich nicht gewünschten – Ergebnis kommen können und müssen, wie das nachvollziehbar die GIZ in einer Kritik an dieser Kritik tut:

Integration der GIZ ist auf gutem Weg * Kritik unberechtigt

Die GIZ bündelt seit dem 1. Januar 2011 die Kompetenzen und langjährigen Erfahrungen vom Deutschen Entwicklungsdienst (DED), der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und InWEnt unter einem Dach. Ziel der Fusion ist, noch bessere Leistung und mehr Effizienz zu erreichen. *Mit der neuen Aufbauorganisation, die derzeit den Gremien zur Befassung vorliegt, werden Doppelstrukturen beseitigt*, so Hans-Jürgen Beerfeltz, der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Im Rahmen dessen wurde auch die Vergütung der neuen Vorstände auf Veranlassung der Bundesregierung Ende letzten Jahres um 35% gegenüber den alten Geschäftsführerverträgen der GTZ gesenkt * ein verglichen mit der Privatwirtschaft sicherlich bemerkenswerter Vorgang. Auch wurden die Geschäftsführer als *Bereichsvorstände* in die Geschäftsbereiche und damit in die Arbeitsstrukturen eingegliedert, um die Effizienz weiter zu steigern.

Zu den Vorwürfen, die heute zum Geschäftsverhalten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit  in verschiedenen Medien erschienen sind, nimmt Staatssekretär Jürgen Beerfeltz wie folgt Stellung: *Als Aufsichtsratsvorsitzender schätze ich es sehr, wenn die Aufsichtsratmitglieder ihren gesetzlichen Auftrag, die Kontrolle der Geschäftsführung, ernst nehmen. Bedauerlich ist es, dass ein Brief des Aufsichtsratsmitglieds Lothar Binding der Presse zugeleitet wurde. Der
geeignete Ort, die darin monierten Sachverhalte zu besprechen, ist die nächste GIZ-Aufsichtsratssitzung im Juli. Auch hätten die Vorwürfe des SPD-Abgeordneten Bindung in genau dieser Form auch schon gegenüber der alten SPD-Hausleitung des BMZ erhoben werden können, da sich an den Vorgaben für die GIZ gegenüber der alten GTZ  in diesen Punkten ja gar nichts geändert hat. Leider stellt das Ganze auch die Gültigkeit des Grundsatzbeschlusses infrage, wonach ja die Arbeitsfähigkeit des Vorstandes sowohl in Bonn wie in Eschborn zu sichern sei. Die nun erfolgte Kritik ist unterste Schublade eines ziemlich primitiven
Neidkomplexes!*

Dem schließt sich ein von uns befragter als Gutachter in der Entwicklungszusammenarbeit der GIZ tätiger, weltweit evaluierender freier Mitarbeiter an, der Bindings und Raabes Kritik für „populistisches Geschwätz“ hält, um Aufmerksamkeit nicht nur in seinem Wahlkreis (der ja auch der Nibelsche ist!) zu heischen. Hier seine Einschätzung in vollem Wortlaut:

Die „Kommodität“ von Flugreisen involvierten Personals in Entwicklungsländer (Entwicklungszusammenarbeit) wird in Deutschland wie auch international diversifiziert behandelt. Es kommt jeweils auf die Situation an:

1.      Freie Berater und Gutachter können ihre Miles&More-Programme nach eigenem Ermessen nutzen und tun dies erfahrungsgemäß auch. Inwieweit dies auch beim beamteten Personal und den Mitarbeitern der deutschen Entwicklungsorganisationen so ist, ist für Außenstehende unklar. Upgradings bei Flugreisen, sofern sich „Punkte“ angesammelt haben, oder die Nutzung von Frequent Flyer-Programmen sind durchaus üblich und auch sinnvoll.

2.      Die Auftragsvergabe für Einsätze vor Ort und demgemäß auch Reisen erfolgt durch die zuständigen deutschen Durchführungsorganisationen (KfW, GIZ) inzwischen zunehmend so, dass die beauftragten externen Fachkräfte ihre Flug- und Anschlussreisen selbst buchen. Inwieweit sie dabei das ihnen zur Verfügung gestellte Reisebudget aus eigener Kasse aufbessern, dürfte je nach Lage unterschiedlich sein.

3.      In der Regel wird bei Kurz- und Mittelstrecken-Reisen (z.B. Istanbul oder Serbien oder auch Naher Osten/Maghreb) nur ein Economy-Ticket budgetiert.

4.      Bei Langstrecken-Flügen über 6-8 Stunden wird nicht selten ein Business Class-Flug genehmigt, nicht jedoch ein First Class-Flug, der oft auch gar nicht im Angebot ist.

5.      Die Kostenabgrenzung zwischen Business Class- und Economy-Flügen wird bekanntlich immer schwammiger (ähnlich wie bei der Deutschen Bahn). Vielfach werden verbilligte Business Class- Tickets und Sonderangebote genutzt, die dann  im Endpreis nicht mehr allzu weit von den Economy-Flügen liegen (in manchen Fällen). In der Regel liegt der Business Class-Preis natürlich aber trotzdem über dem Economy-Preis.

6.      Flüge in der Business Class sind für professionelles Personal, das aus beruflichen Gründen fliegt, aus folgenden Gründen je nach Lage sinnvoll:

a.      Man wird beim Check In zumeist schnell abgefertigt, was bei Vielfliegern (8-20 Langestreckenflüge pro Jahr oder mehr) durchaus zweckmäßig ist.
b.      In den Flughafen-Lounges wird die Wartezeit gerne für Arbeitsgespräche im Team genutzt. Die Lounges stehe aber für normale Economy-Reisende nicht zur Verfügung.
c.      Umbuchungen, die vielfach erforderlich werden, werden komplikationsloser vorgenommen. Dadurch wird ein schnelles und fristgemäßes Ankommen vor Ort in vielen Fällen gewährleistet, sodass die vereinbarten Termine vor Ort gehalten werden können. Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt.
d.      In der Economy Class kann man in der Regel nur sehr schlecht arbeiten; es gibt zu viele Störungen. In der Business Class kann konzentriert nochmal Akteneinsicht genommen werden, bevor es vor Ort los geht. Zumeist sind die ersten Termine vor Ort sehr zeitnah nach Ankunft gesetzt.
e.      Nach einem 15-20 Stundenflug z.B. nach Chile kommt man in der Business Class zumeist einigermaßen ausgeschlafen an und kann vor Ort gleich mit der Arbeit loslegen, ohne übermüdet zu sein.
f.       Das Jetlag-Problem vieler Vielflieger wird durch das Reisen in der Business Class zwar nicht aufgehoben, aber abgemildert.

7.      Übernachtungen vor Ort in den Entwicklungsländern weisen eine sehr unterschiedliche Qualität auf. In Provinzen und abgelegenen Regionen, wo der „Entwicklungszusammenarbeiter“ oftmals hin muss, gibt es oft nur sehr schlechte Übernachtungsmöglichkeiten (unhygienische Verhältnisse, miserable Ausstattung, schlechte Sicherheitslage gerade in „fragilen oder prekären Staaten“ wie z.B. Guatemala, Mexiko, Sudan usw.). In den Hauptstädten übernachtet man in der Regel komfortabel, nutzt die digitalen Anschlüsse besonders auch für den Arbeitszusammenhang und trifft sich mit anderen Kollegen des Arbeitsumfelds.

Fazit:

Dem wäre nichts hinzuzufügen, glichen sich nicht Verhaltensmuster des Heidelberger SPD-Bundestagsabgeordneten Bindung und der Heidelberger SPD-Gemeinderatsfraktionschefin Schuster, die (mal eben nur so zum Beispiel) vor einer Abstimmung meinte: Wenn der OB dafür ist, dann müssen wir doch dagegen sein. Und dem ist dann in der Tat nichts mehr hinzuzufügen.

Juni 2011 | Allgemein, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen | 3 Kommentare