Der „Grabstein des Johannes“ aus dem Jahre 1314, den Museumsdirektor Frieder Hepp vorstellt, hat eine ungewöhnliche Geschichte.

„Unsere Gegenwart und unsere Vergangenheit sind die Steine, aus denen wir unser Leben aufbauen“. Steine sind es denn auch, die ganz im Sinne des amerikanischen Dichters Henry Wadsworth Longfellow (1807–1882) im Lapidarium des Kurpfälzischen Museums Vergangenheit und Gegenwart Heidelbergs dokumentieren.
Ausgegraben 1912 im Bereich des Kreuzgangs des ehemaligen Augustinerklosters. Der Stein gehört zu den wenigen unzerstörten Zeugen aus der Zeit des Orléansschen Erbfolgekrieges, der die Stadt Ende des 17. Jh. in Schutt und Asche legte, und ist die älteste aus dem Heidelberger Stadtgebiet stammende Grabplatte, möglicherweise eine der frühesten Kindergrabplatten Baden-Württembergs überhaupt.
Sein einzigartiger Rosettenschmuck – eine fein ausgearbeitete Rose unter zwei angedeuteten gotischen Spitzbögen – wäre ihm beinahe zum Verhängnis geworden, denn ein nicht autorisierter „Denkmalpfleger“ glaubte, in dieser Rose ein Geheimzeichen des untergegangenen Templerordens zu erkennen und verbrachte den Stein in die Privatbibliothek seines Hauses nach Mainz. Nach dreijährigem Tauziehen konnte er erst wieder an seinen angestammten Platz zurückgebracht werden.
„Unsere Gegenwart und unsere Vergangenheit sind die Steine, aus denen wir unser Leben aufbauen“. Steine sind es denn auch, die ganz im Sinne des amerikanischen Dichters Henry Wadsworth Longfellow (1807–1882) im Lapidarium des Kurpfälzischen Museums Vergangenheit und Gegenwart Heidelbergs dokumentieren.
Das epochale Ereignis, das die Geschichte Heidelbergs wie eine Zäsur durchschneidet, ist die Zerstörung von Schloss und Stadt in den Jahren1689 und 1693 im Orléansschen Erbfolgekrieg.
In dieser vordergründig um das Erbe der kurpfälzischen Prinzessin Elisabeth Charlotte, der bekannten „Liselotte von der Pfalz“,
geführten militärischen Auseinandersetzung zwischen dem französischen Sonnenkönig und dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wurden weite Teile der Kurpfalz entlang des Rheins, darunter auch Heidelberg, die traditionsreiche Residenzstadt der Kurfürsten von der Pfalz, nahezu vollständig dem Erdboden gleich gemacht. Abgesehen von den humanitären Folgen dieser brutalen Machtdemonstration vernichtete der „Große Brand“ von 1693 auch wertvolles Archivmaterial und stadtgeschichtlich
bedeutsame Dokumente, deren Verlust die wissenschaftliche Erforschung der Frühgeschichte Heidelbergs, der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadtbürger oder der Lebensverhältnisse in der mittelalterlichen Stadt jenseits von Schloss und Universität stark beeinträchtigen. Übrig blieben im Mai 1693 neben dem stolzen Spruch Ludwigs XIV. „Heidelberga deleta“, das heißt „Heidelberg ist zerstört“, ein großer Schuttberg gesprengter oder verbrannter Häuser sowie eine Handvoll Menschen, nicht viel mehr als ein paar hundert Überlebende, die sich in diesen Trümmern an den Neuaufbau ihrer zerstörten Stadt machten.
Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Ereignisse rückt eine Gruppe von „Zeitzeugen“ in den Mittelpunkt des forschenden Interesses, die, widerstandsfähig genug, den wilden Zerstörungsaktionen des Krieges zu trotzen, danach auch manche modernisierende Veränderung des sich leicht wandelnden Zeitgeschmacks überstand, nämlich Steine, in Form von Grabsteinen, Gedenksteinen, Spolien und Skulpturen. Es gehörte deshalb zu den lang Grabstein des Johannes Sohn des Gottfried, gestorben am 2. August 1314
Nachdem Karl Christ 1908 im Heidelberger Tageblatt erstmals „Aus dem Heidelberger Lapidarium“ berichtete und Adolf von Oechelhäuser in seiner „Beschreibung der Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Heidelberg“ 1913 einen großen Teil der aus der Altstadt stammenden Steine sogar mit Abbildung der Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte, war es vor allem Renate Neumüllers-Klauser von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die sämtliche mit einer Inschrift versehenen Steine aus dem Heidelberger Stadtgebiet erfasste, wissenschaftlich bearbeitete und in einer Monographie sowohl der Forschung als auch der interessierten Öffentlichkeit vorstellte.
Auf dieser Grundlagenforschung konnte aufgebaut werden, im Kurpfälzischen Museum wurden also in mehreren Etappen die wichtigsten Steine aufgestellt, zunächst als Skulpturenpark im Innenhof, dann aufgrund der schädlichen Witterungseinflüsse
und menschlicher Zerstörungswut im Keller, bis sie schließlich 1996, als Beitrag zur 800 Jahrfeier der Stadt Heidelberg, ihre heutige Präsentation im Lapidarium gefunden haben.
Die älteste, aus dem Heidelberger Stadtgebiet stammende Grabplatte, möglicherweise eine der frühesten Kindergrabplatten Baden-Württembergs überhaupt, ist der Grabstein des Johannes, Sohn des Gottfried, der, wie die lateinische Inschrift besagt, „am 2. August im Jahr des Herrn 1314 verstarb“. Die Platte aus rotem Sandstein hat eine umlaufende gotische Majuskel,
die den ersten Hinweis auf eine Heidelberger Bürgerfamilie liefert, welche urkundlich bislang nicht nachweisbar ist. Besonders auffällig an der Grabplatte ist eine fein ausgearbeitete Rose unter zwei angedeuteten gotischen Spitzbögenim Zentrum des Steins, wozu bislang keine vergleichbaren Darstellungen bekannt sind.
Dieser einzigartige Rosettenschmuck wäre dem Grabstein beinahe zum Verhängnis geworden. Denn nachdem man ihn zusammen mit anderen Steindenkmälern aus dem Bereich des Kreuzgangs des ehemaligen Augustinerklosters, dem heutigen Universitätsplatz, anno 1912 ausgegrabenund lange Jahre in der sogenannten „Trinkstube“, im Keller des Restaurants Kurpfälzisches Museum, aufbewahrt hatte, verbrachte man ihn in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu wissenschaftlichen Untersuchungszwecken, nicht zuletzt wegen der besseren Lesbarkeit und der Anfertigung vonFotos bei Tageslicht, in den Museumsgarten.
Dort erregte der Stein die Aufmerksamkeit eines interessierten, aber nicht autorisierten „Denkmalpflegers“ aus Mainz, der in der Rose ein Geheimzeichen des untergegangenen Templerordens zu erkennen glaubte und das Kulturgut unter den Augen seiner Hüter in die Privatbibliothek seines Hauses nach Mainz „in Sicherheit“brachte. Nur durch Zufall, nämlich durch eine Fernsehsendung am 22. September 1995, in welcher der selbsternannte „Schatzsucher“über seine Absicht, den verschollenen Nibelungenhort zu bergen, einem staunenden Reporter bereitwillig Rede und Antwort stand, entdeckte ein aufmerksamer Mitarbeiter der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bei einem Schwenk der Kamera durch die Räume des Mainzers den Grabstein des Johannes an der Wand. Es folgte eine ebenso dramatische wie langwierige Rettungsaktion unter Einsatz aller
denkbaren Rechts-, Verhandlungs- und Überzeugungsmittel, welche Stadt und Museum aufbieten mussten, um den „Stein des Anstoßes“, wie er mittlerweile in der Presse bezeichnet wurde, nach dreijährigem Tauziehen, im Juli 1998,
endlich wieder an seinen angestammten Ort zurückzubringen, wo er das Ensemble bemerkenswerter Steinzeugnisse aus der Geschichte Heidelbergs eindrucksvoll ergänzt.
Frieder Hepp
Führung durch das Lapidarium des KMH mit Frieder Hepp
Sonntag, 17.4., 11 Uhr Mittwoch, 20.4., 19 Uhr „Steinerne Zeugen der Stadtgeschichte“
Literatur:
Hepp, Frieder, Steinerne Zeugen der Stadtgeschichte. Ein Blick in das Lapidarium des Kurpfälzischen Museums, in:
Verstehen und Vermitteln. Armin Reese zum 65. Geburtstag, hrsg. von Uwe Uffelmann u. Manfred Seidenfuß,
Idstein 2004, S. 205 – 222.
Neumüllers-Klauser, Renate, Die Inschriften der Stadt und des Landkreises Heidelberg. Stuttgart 1970. (Die Deutschen
Inschriften 12, Heidelberger Reihe 4), S. 23 Neumüllers-Klauser,