Es sind mittlerweile viele zigmilliarden Euro, die seit der Ausrufung der ersten deutschen Republik im Jahr 1919 an die beiden großen christlichen Kirchen gezahlt wurden. Eigentlich als Übergangsregelung gedacht, bis die Zahlungen aus vordemokratischen Zeiten endgültig eingestellt werden und die Kirchen sich aus der Kirchensteuer finanzieren, kassieren die Kirchen nach wie vor und ohne Unterbrechung. Von der Weimarer Republik bis heute (incl. der angeblich kirchenfeindlichen DDR) zahlten die deutschen Staaten Jahr für Jahr. Kirchennahe Juristen leiten – was Wunder – daraus ab, dass es eine Zahlungsverpflichtung der Bundesrepublik gebe, die nur durch eine Milliardenzahlung abgegolten werden könne. Auf den Hinweis, daß die „Väter“ der Weimarer Verfassung solches nie im Sinn hatten und die Zahlungen der vergangenen knapp 100 Jahre wohl ausreichend seien, entgegnen die Kirchen, daß ein Mieter auch nach 100 Jahren Miete noch nicht Besitzer des gemieteten Hauses sei und weiterhin Miete zahlen müsse. Was auf den ersten Blick aussieht, wie ein einleuchtendes Argument, ist bei genauerer Betrachtung nur Beleg für die unverfroren antidemokratische Grundhaltung der Kirchenfunktionäre. Eine tatsächliche Leistung nämlich für die Bundesrepublik oder die in Deutschland lebenden Menschen, die eine jährliche Zahlung in dreistelliger Millionenhöhe rechtfertigen würde, erbringen die Kirchen nicht. Eine „Berechtigung“ hatten derlei Zahlungen allenfalls zu Zeiten der Allianz von Thron und Altar, als Kaiser, König und sonstige adlige Potentaten sich als Herrscher zwar ohne Legitimation der Bevölkerung, dafür aber von Gottes Gnaden verstanden. Für die Bestätigung dieser Halluzination erhielten die Kirchen von den Fürsten Geld. Wer heute noch an der Berechtigung solcher Zahlungen festhält, zeigt nur, daß er nie im aufgeklärten, nie im demokratischen Zeitalter angekommen ist.
Die Zahlungen, detailliert aufgeschlüsselt nach Jahren, sowie viele Dokumente, die zum historischen Verständnis wichtig sind, hat Carsten Frerk, Autor des Violettbuchs Kirchenfinanzen, nun zusammengetragen und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Apr. 2011 | Allgemein, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren