“Du sollst nicht ironisieren!” – sobald es um den ‘uneigentlichen Sprachgebrauch’ geht, sind sich alle Journalisten einig, zusammen mit Wolf Schneider: Die Ironie gehört allenfalls in die Glosse, besser aber in die Gosse.
Obgleich doch der Pöbel dort unten, nach der festen Überzeugung der Pressevertreter, diese Ironie gar nicht würden goutieren können. Denn die Ironie sei im Grunde wiederum viel zu chic für Proletenköpfe. Der Leser merkt’s – bei solchen Vorurteilen über „Ironie’“ gibt es viel zu hinterfragen.
Zwei Faktoren bestimmen in meinen Augen die journalistische Aversion gegen die Ironie: 1.eine notorische Überheblichkeit dem Publikum gegenüber und 2. eine ebenso große Unkenntnis über Spielformen und Intentionen der Ironie. Konsens herrscht unter Ironieverächtern allenfalls darüber, dass die Ironie „das Gegenteil dessen, was jemand meine“ zum Ausdruck bringt.
“Ironie – das versteht der Leser nie”
Seit Jahrzehnten ist dies der große Merksatz, gelehrt in allen Journalismusseminaren, in denen sich die Eleven endlich einmal auch mit Stilfragen beschäftigen dürfen. Aber – stimmt das denn auch? Stellen wir uns einfach mal eine gewöhnliche Tageszeitung in der Provinz vor, meinethalben die „Rhein-Main-Neckar- Zeitung“. Die nämlich wiederum liest auch der Schlossermeister Krause, der sich soeben mit der Zange in den Daumen kniff, als er bei der flotten Friseuse Käthe Kakelmann das Schloss auswechselte: “Au, das tut gut!” jubelt Krause, während er auf einem Bein durch das Coiffeurstübchen hüpft. “Denk doch einfach an was Schönes!“, antwortet ihm die Käthe, während sie das Pflaster aus dem Medizinschrank holt.
Wie bitte, liebe Journalistenschulen?
Diese beiden Menschen aus dem ‘Publikum’ eurer Zeitung inmitten der tiefsten Provinz sollten nichts von Ironie verstehen? Obwohl sie soeben klassische (selbst-)ironische Redefiguren wie selbstverständlich gebraucht haben?
“Ja, ja, der hat es doch aber weit gebracht”, sagt man, wenn einer als Säufer endet. “Und der, der hört das Gras wachsen”, lästern die Bauern über einen “Überstudierten”. Die ganze Volkssprache ist voll mit blanker Ironie – sagen wirs mal anders, sie besteht aus ‘feinem Spott’, um die klassische Übersetzung des griechischen Wortes ‘Ironie’ hier einzuführen. Und selbst die gängigen Definitionen der Ironie lassen sich erneut ‘ironisieren’ – und jeder versteht’s immer noch.
Weshalb also soll der Journalist seinem Publikum gegenüber keine Ironie gebrauchen dürfen? Das muss dann doch wohl andere Gründe haben, als es uns der abgenudelte Merksatz der Journalistenschulen weismachen will. Vielleicht würde der Journalist sich ja durch Ironiegebrauch mit seinem Publikum zu sehr ‘gemein machen’, mit ihm ‘aus einem Napf fressen’? Vielleicht muss gerade deshalb jeder Artikel meilenweit von Witz und Spott entfernt erbaut werden, damit die Distinktion gewahrt bleibt, der Besserdünkel der Journalistenzunft, die so gern ‘Vorbild sein’ und ‘ernst genommen’ werden möchte? Vielleicht geht es also – ganz im Gegensatz zur Lehrmeinung – darum, eben nicht ‘zu populär’ zu werden? Das Katheder muss durch einen abweisenden, herrschaftlich ’seriösen’ und ironiefreien Sprachgebrauch verteidigt werden. Für diese rollenspielerischen und statusverteidigenden Ansichten gäbe es in meinen Augen klarere Indizien als für die übliche volkspadagogische Begründung des allgemeinen Ironieverbots, wonach Ironie den Horizont des Lesers überstiege.
Gibts nich gibts nich …
Ferner gibt es „die Ironie“ gar nicht. Das Thema ist ein wahrhaft „weites Feld“ (Fontane) – und wer nur die Ansicht vertritt, dass es darum ginge, „das Gegenteil des Gemeinten“ zu behaupten, der steht allenfalls am Feldrain der gewöhnlichen „Volksironie“. Die Ironie, um mich mal möglichst allgemein auszudrücken, die hat es mit „gebrochenen Perspektiven“ zu tun, sie geht den Rissen in der Welt und in der „Wirklichkeit“ nach, manchmal durchaus auch, indem sie das Gegenteil in den Raum stellt. So konterkariert ein „ironischer Schriftsteller“ wie Thomas Mann ständig die bürgerliche Lebenswelt, indem er sie „aus Künstleraugen“ porträtiert. Die Buddenbrooks, der Felix Krull, der Leverkühn – sie alle sind personifizierte Ironiewesen auf zwei Beinen, ein Hauch von Spott und Uneigentlichkeit durchweht jede Zeile. Denn sie sind „alle gar nicht richtig wahr“ …
Romantische Ironie
Ganz anders wieder der Begriff der „romantischen Ironie“, bei der es – Germanisten mögen mir verzeihen! – im Kern darum geht, den Entstehungsprozess des Werkes im Werk selbst mit abzubilden. Beispielhaft vielleicht in E.T.A. Hoffmanns „Kater Murr“, wo – nebeneinander abgedruckt – der verspießerte Hauskater seine depperte Lebensgeschichte auf der Rückseite des hochkünstlerischen Manuskripts des Komponisten notiert, durch welchen Kontrast die ideale Welt der Kunst und die miefige Realität unmittelbarer Triebbefriedigung miteinander einen wahren Höllentanz aufführen. So rasend komisch, und zugleich so bitter kann Ironie manchmal sein, ohne dabei eine einzige Tatsache „zu verdrehen“. Sie wirkt dann, indem sie – im Plural und à la Watzlawick – „die Realitäten“ sprechen und sich widersprechen lässt.
Sokratische Ironie
Letztlich gibt es auch noch die „antike Ironie“, manchmal auch „sokratische Ironie“ genannt, weil sie so vorgeht, wie es der Athener Philosoph in seinen platonischen Dialogen tat. Hier geht es darum, einen Menschen beim Wort zu nehmen, um ihn dialogisch und am Narrenseil seiner eigenen Thesen in die Absurdität zu führen, damit er endlich „umdenkt“. Eine überaus pädagogische Methode, weil sie zwingend zur „Selbsteinsicht“ führt. Wenn nämlich der Ueli Ankenstampfer auf Grund seiner eigenen Vorannahmen (Prämissen) einsehen müsste, dass es nicht gut wäre, alle Ausländer aus der Bundesrepublik rauszuschmeißen, dann hätte der Koch – der in Hessen – wieder einige Wähler weniger.
Insbesondere von dieser Ironie wäre dem deutschen Journalismus mehr zu wünschen, vielleicht indem er einen Pofalla, einen Heil, einen Lafontaine, einen Westerwelle usw. ruhig mal ironisch „beim Wort“ nimmt, um sie gegen die Wälle des Alltagsverstandes und der Realität anrennen zu lassen, wo sie sich die Hörner abstoßen können. Statt dass die Zeitungen, wie derzeit, einfach nur kommentarlos rezitieren, was die politischen Böcke blöken.
Nichts anderes als diesen Weg bin ich übrigens in diesem Blogbeitrag über den Hans-Ulrich Jörges gegangen, wofür ich in den Kommentaren wegen ‘Ironiegebrauchs’ dann die übliche Dresche bezog. Verkehrte Welt …
Denn die Ironie ist weder ‘abgehoben’ noch ‘unverständlich’ – im Gegenteil: sie ist ‘populär’, sie ‘zieht Leser an’, sie ‘mischt sich unter das Volk’, sie generiert sogar ‘Klicks’ und ‘Quote’, sie lässt aber die abgehobenen Journalistenorakel auf ihren Dreibeinen mit ihrer Hohepriestersprache weit hinter sich zurück.
Weshalb mögen Zeitungsdeutsche keine Ironie?
Einen weiteren Grund, weshalb die Ironie im Zeitungsdeutschen nicht reüssiert, den stelle ich hier als Hypothese einfach mal in den Raum: Die Ironie, so meine Überzeugung, macht jeden Schreiber kenntlich. Das Ziel jeder Zeitung besteht aber andererseits in einem seitenübergreifenden ‘Objektivitätsideal’: Was in ihr steht, soll die Meinung der FAZ, der NZZ oder der Kronenzeitung sein, aber nicht die Ansicht von Karlchen Krawuttke oder Sybille Sterndeuter. Deshalb also darf die Ironie nicht auftauchen, weil die massenmedialen Festungen durch Ironie unterminiert würden, das Markenzeichen würde von der Titulatur zum Verfasser wechseln. Die Zeitungswelt würde wie die Literatur in Schreiber zerfallen. Ein Beispiel: eine der wenigen Zeitungen, wo der Ironie auch im Redaktionellen Raum gegeben wird, ist die taz. Dort lese ich in einem ‘Schwerpunkt’ über die 68er (29./30. 12. 2007, S. 15 – leider nicht online) folgendes:
“Im Kino sahen wir ‘Easy Rider’, und am Ende, als Peter Fonda und Dennis Hopper von spießigen Farmern einfach abgeknallt wurden, musste ich an unseren Vizedirektor denken … Wir kauften uns Bananenlenker und fühlten uns wie Easy Rider auf ihren Harley-Choppern“.
Das ist blanke Selbstironie, die höchste Form der Ironie überhaupt, dazu noch Wir-Form und andere redaktionelle Scheußlichkeiten. Als Absender bleibt mir hier nicht die ‘taz’ in Erinnerung, sondern Mathias Bröckers. Durch den Gebrauch der Ironie tritt also der Autor wieder aus dem Schatten des Mediums. Gerade, weil die Ironie so viele Facetten hat, ist sie ein außerordentlich individuelles Stilmittel. Ja, ich erkenne sogar schlechte Autoren an missbrauchter oder unangemessener Ironie. Dass dies wiederum manchem Verleger nicht recht sein kann, der auf die Austauschbarkeit seiner Grauwertproduzenten achten muss, das mag zur Verachtung der Ironie in der Zeitungslandschaft beigetragen haben.
Kleine, unvollständige Liste berühmter und anderer Ironiker:
Sokrates, Voltaire, Fontane, Tucholsky, Heine, Karl Kraus, Novalis, Cervantes, Döblin, Börne,
Jonathan Swift, Jürgen Gottschling und, zu guter Letzt George Bernard Shaw, der zur Sache folgendes gesagt hat:
“Ich bin bekannt für meine Ironie. Und schätze sie. Aber auf den Gedanken, im Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten, wäre selbst ich nicht gekommen.” tno auch nicht …